ANC-Jugend gegen Südafrikas Staatschef: Kampf der Generationen
"Hände weg von unserem Präsidenten." Anhänger des ANC-Jugendchefs Malema randalieren in Johannesburg, während gegen ihn ein Disziplinarverfahren beginnt.
JOHANNESBURG taz | Sie toben und tanzen. Hunderte Anhänger der Jugendliga des in Südafrika regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) verwandeln die Straßen um ihr Parteihauptquartier in der Johannesburger Innenstadt zum Schauplatz für Randale mit extremer Aggressivität. Steine und Flaschen fliegen durch die Luft. Nahe dem Parteisitz Luthuli-Haus zerren johlende Massen an T-Shirts mit dem Porträt von Südafrikas Präsident Jacob Zuma, zünden sie an und das Präsidentengesicht geht in Flammen auf. "Wir beenden Zumas Präsidentschaft", singt die Menge.
Noch im Frühjahr 2009 hatte Präsident Zuma vor dem Luthuli-Haus mit Musikbands und Jugendlichen auf den Straßen ausgelassen seinen Wahlsieg gefeiert. Gestern versuchten jedoch junge Parteimitglieder, das Haus zu stürmen.
Nur Wasserwerfer und Tränengas der Polizei konnten sie zurückhalten. Sie waren bereit, für ihren Anführer Julius Malema ("Juju") zu sterben: "Juju - we stand by you" war auf Plakaten zu lesen, und "Hände weg von unserem Präsidenten".
ANC-Jugendliga-Präsident Julius Malema hatte sich unterdessen drinnen in einem Disziplinarverfahren zu rechtfertigen. Der ANC wirft dem umstrittenen Malema vor, Streit in der Partei zu schüren und den ANC mit provokanten Äußerungen in Verruf zu bringen.
Malema zog zuletzt den Zorn der ANC-Führung auf sich mit seiner Ankündigung, ein Team zu den Oppositionsparteien im Nachbarland Botswana zu schicken, um bei einem Regierungsumsturz behilflich zu sein. Denn Botswana arbeitete mit "Imperialisten" zusammen und "unterwandere afrikanische Interessen".
Malemas Anhänger glauben, man habe ihn vorgeladen, um ihn mundtot zu machen. "Wir fordern nicht die ANC-Regierung heraus, aber Präsident Zuma muss gehen", sagt Vusi Mabena und bläst die Vuvuzela im Toyi-Toyi-Schritt vor den Straßenblockaden.
In Ungnade gefallen
"Er tut nichts für uns und beschuldigt unseren Präsidenten. Aber Malema sagt die Wahrheit." Zuma spiele seinen Einfluss im ANC aus, um den Kritiker Malema zum Schweigen zu bringen und sich damit seine zweite Amtszeit zu sichern. "Die wollen ihn loswerden."
Vusi Mabena, ein junger Endzwanziger, war wie viele der Malema-Anhänger in der Stadt schon am Vorabend per Bus angereist. Er kam aus der Provinz Limpopo und kampierte in der Innenstadt bei einer Nachtwache zur Unterstützung Malemas. Am frühen Morgen ging es bereits hoch her in Johannesburgs Zentrum. Der Verkehr kam zum Stillstand.
Polizeihubschrauber kreisten über dem ANC-Haus. Malemas Anhänger versuchten, die Straßenbarrikaden zu durchbrechen. Plötzlich greift eine aufgeheizte Gruppe eine Fernsehcrew an, das Fenster des Übertragungswagens wird zertrümmert, Steine fliegen auf Polizisten, die Polizei schießt mit Gummigeschossen zurück.
Radikale Forderungen
Der in Südafrika oft als Enfant terrible bezeichnete 30-jährige Julius Malema genießt große Unterstützung bei seinen jugendlichen Anhängern, eckt aber in der Partei oft an. Seine ständigen Forderungen nach Verstaatlichung der Bergbaubetriebe gehen manchen zu weit, ebenso seine als rassistisch kritisierten Äußerungen über Südafrikas Weißen. Malema fordert auch radikalere Landumverteilung nach dem Muster von Simbabwe.
"Wenn Zuma mit Malemas Vorladung richtig kalkuliert hat, könnte es der Anfang vom Ende für Malema sein", meinte der politische Kommentator Aubrey Matshiqi. "Oder aber es kommt zu einer Rebellion der ANC-Jugendliga noch vor dem ANC-Parteitag im nächsten Jahr. Zuma hat mehr zu verlieren als Malema."
Auf dem Parteitag in Manaung 2012 wird der ANC-Kandidat für die nächste Wahl 2014 bestimmt. Im Jahr 2007 kam es beim ANC-Parteitag in Pholokwane sogar zum Sturz des damaligen Präsidenten Thabo Mbeki durch Zuma und seine Verbündeten.
Malema und der insgesamt fünfköpfigen Führungsriege der ANC-Jugendliga drohen nun die Suspendierung oder sogar der Ausschluss aus der Partei. Doch die Jugendliga hat mit ihren gewaltsamen Protesten gehörig Druck aufgebaut.
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