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ALG-I-StreitMerkel in der Zwickmühle

Lukas Wallraff
Kommentar von Lukas Wallraff

Die Umfrageergebnisse zur Verlängerung des Arbeitslosengeld I setzen die CDU unter Druck. Doch die leidet an einem Zielkonflikt.

S o spannend der aktuelle SPD-interne Streit um Änderungen der Schröderschen Agenda ist: Ob ältere Arbeitslose tatsächlich bald mehr Geld bekommen, können die Sozialdemokraten nicht allein entscheiden. Auch ein klarer Parteitagsbeschluss, den Kurt Beck angekündigt hat, wäre noch kein Gesetz. Dies gibt es nur, wenn die Koalition gemeinsam handelt. Für die potenziellen Empfänger der Wohltaten kommt es also darauf an, wie sich die CDU verhält. Die aber ist in einer Zwickmühle.

Einerseits sieht sich die Union einem ungeheuren Druck ausgesetzt, bei Becks Plänen mitzumachen. Die Umfrageergebnisse sind eindeutig: 85 Prozent der Bürger, also auch die meisten Wähler der Union, halten es für gerecht, die Lebensleistung von Menschen stärker zu belohnen, die jahrzehntelang gerackert haben. Diese Stimmung lässt sich schwerlich ignorieren, zumal die CDU selbst schon vor einem Jahr mehr Geld für ältere Arbeitslose gefordert hatte. Angela Merkel könnte jetzt also stolz darauf verweisen, sogar früher als Beck das Richtige erkannt zu haben - und zur Tat schreiten. Andererseits aber hat sich Merkel ein übergeordnetes politisches Ziel auf die Fahnen geschrieben, das der großzügigeren Geldauszahlung im Wege steht: die Senkung der Lohnnebenkosten. Auch hier ist sie in einer Bringschuld. Der Unionsklientel in der Wirtschaft ist es viel wichtiger, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu reduzieren, als die Überschüsse der Versicherung an jene zu verteilen, die ihren Job verloren haben.

Die bisherige Linie der CDU sieht deshalb so aus: Wenn ältere Arbeitslose mehr bekommen, wird bei Jüngeren gekürzt. Dabei zu bleiben, wäre jedoch politisch unklug: Der Popularitätsgewinn bei den einen würde durch Unmut bei den anderen aufgezehrt. Die SPD könnte sich als Heilsbringer für alle Arbeitslosen präsentieren. Am wahrscheinlichsten ist daher ein Kompromiss zur allgemeinen Gesichtswahrung. Das Arbeitslosengeld für Ältere wird ohne Kürzungen bei Jüngeren verlängert - aber nicht so großzügig, wie Beck verlangt. Die Beiträge werden gesenkt - aber nicht ganz so deutlich, wie es die Wirtschaft fordert.

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Lukas Wallraff
taz.eins- und Seite-1-Redakteur
seit 1999 bei der taz, zunächst im Inland und im Parlamentsbüro, jetzt in der Zentrale. Besondere Interessen: Politik, Fußball und andere tragikomische Aspekte des Weltgeschehens
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