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AKW Brunsbüttel: Risse im Gebälk

■ Der Reaktor bleibt noch monatelang vom Netz / Nur ein kleiner "Herstellungsfehler" oder "Materialermüdung"?

/ Nur ein kleiner »Herstellungsfehler« oder »Materialermüdung«?

Im Rohrleitungssystem des Kernkraftwerks Brunsbüttel gibt es Risse — möglicherweise schon seit der Inbetriebnahme im Jahre 1974. Diese „verästelten Risse“ verhindern jetzt die Wiederinbetriebnahme des Atommeilers, der im August letzten Jahres zu einer routinemäßigen Überprüfung abgeschaltet wurde. Ein „Abriß“ dieser Rohre könnte zu schweren radioaktiven Verseuchungen zumindest innerhalb des Reaktors führen. Man beachte: Die sicherheitsrelevanten Bauteile des Lagerdruckwasser- und des Reaktorreinigungssystems, in denen die Risse jetzt entdeckt worden sind, wurden erstmals nach 18 Jahren Betriebszeit untersucht.

Seit Weihnachten liegt dem Betreiber HEW ein Gutachten über die Ursachen der Risse vor. Danach sei nun klar, so HEW-Sprecher Johannes Altmeppen, daß die Risse nicht während des Betriebs, sondern schon bei der Herstellung der Rohre entstanden sind. Mit ersten Reparaturarbeiten sei inzwischen begonnen worden. Allerdings, so betont Altmeppen weiter, sind noch zahlreiche weitere Überprüfungen erforderlich — etwa Röntgenuntersuchungen der Rißstel-

len —, die noch bis Ende Januar andauern werden. Konsequenz: An ein Wiederanfahren des Reaktors sei momentan nicht zu denken.

Während die HEW derzeit von Herstellungsfehlern ausgehen, hält man sich bei der zuständigen Aufsichtsbehörde, dem Energieministerium in Kiel, zurück. Dessen Sprecher Raju Sharmer teilte mit, daß man ein eigenes Gutachten über die Rißbildungen bei einem Schweizer Institut in Auftrag gegeben hat, dessen Ergebnisse aber bisher noch nicht vorliegen. In Kiel wird jedoch nicht ausgeschlossen, daß diese Risse während des Reaktorbetriebes entstanden sind. Dabei soll auch geprüft werden, ob es sich um „Materialermüdung“ handeln könnte: Schon im AKW Brokdorf sind „ermüdete“ Komponenten aufgefunden worden, die einen Austausch von Bauteilen erforderlich machten.

Materialermüdung hin, Herstellungsfehler her — beides dürfte Kernkraft-kritischen Zeitgenossen in gleicher Weise die Haare zu Berge stehen lassen. Der Unterschied dabei: Ein „Herstellungsfehler“ wäre eine kleine Schlamperei beim Bau, die jahrelang keine Probleme bereitete und die nun, einmal erkannt, eben ausgebessert wird. „Materialermüdung“ dagegen würde bedeuten, daß eine vage Gefahr immer größer wird.

Probleme gibt es in Brunsbüttel

1auch bei den „Frischdampfisolationsventilen“, die einen sicheren Abschluß des Sicherheitsbehälters garantieren sollen. An mehreren Schrauben sind Verformungen festgestellt worden, die eine sichere

1Steuerung der Ventile gefährden können. Auch hier müssen die Gründe noch geklärt werden.

Und Energieminister Günther Jansen betonte: „Bei komplizierten sicherheitstechnischen Fragen kön-

1nen immer wieder neue Tatsachen auftreten, die weitere umfangreiche Untersuchungen notwendig machen.“ Das heißt jedoch, daß Brunsbüttel vor April keinen Strom mehr liefern wird. Dirk Seifert

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