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AGRARWENDE: KÜNAST SOLL HANDELN, STATT IN BRÜSSEL ZU RESIGNIERENWo bleibt die Ökokantine?

BSE tröpfelt mit inzwischen 44 Fällen in der Bundesrepublik traurig vor sich hin. Die Sicht auf die Epidemie ist durch die Rauchschwaden der Scheiterhaufen ein wenig eingetrübt. Die Maul- und Klauenseuche (MKS) als zweite gewaltige Plage hat die Notwendigkeit der versprochenen Agrarwende nochmals bestätigt. Millionen Tiertransporte, Ferkeltourismus und Kälberreisen quer durch die Kontinente sind der Motor dieser Tierseuchen.

Doch bei der Agrarwende ist der Schwung des Anfangs dahin. Das einzige Feuer, das noch lodert, kommt von den britischen Hinrichtungsstätten. Ministerin Künast, gezeichnet von den EU-typischen Augenringen, ist im Brüsseler Beißkrampf um Bullenprämien und Modulationsmodelle angekommen – der Aufbruch droht von der Agrarbürokratie stranguliert zu werden. Und der Rest der Republik starrt Abend für Abend paralysiert auf mal torkelnde, mal verkohlende Kühe. Die Chancen des Neubeginns geraten aus dem Blickfeld.

Was jetzt fehlt, sind konkrete Schritte. Signale der Umkehr. Bärbel Höhn hat Recht: Tempo ist gefragt, es muss schnell gehen, bevor die derzeitige Reformbereitschaft in das monströse „Weiter so!“ zurückfällt. Nicht alles muss in Brüssel erledigt werden. Zu den interessanten Vorschlägen, die im Alleingang umzusetzen wären, gehört etwa das „Bioeinspeisegesetz“, das analog zum Energieeinspeisegesetz den Handel dazu vergattert, bestimmte Kontingente an Biowaren abzunehmen.

Noch simpler und leichter umzusetzen ist ein anderer Vorschlag: Alle Universitäten, Kantinen der öffentlichen Hand, die Bundeswehr, das Bundestagsrestaurant, Rathäuser und Arbeitsämter stellen zumindestens 20 Prozent ihrer Einkäufe – das ist die Künast’sche Zielvorgabe bis 2010 – auf Bio um. Dort, wo dies in der Vergangenheit versucht wurde, schwangen sofort die Rechnungshöfe ihre Keulen. Es brauchte also ein klares Wort aus Berlin. Die Agrarwende muss endlich sichtbar werden. Auch Restaurants, Kantinen der Privatfirmen, Caterer und Reiseunternehmen dürfen ab sofort die Biooffensive einläuten. Es gibt mehr zu tun, als sich täglich depressive Kadaverbilder anzugucken: Wo ist das erste Sternelokal, wo die erste Mensa, die voll auf Bio umsteuern? Wann stellt die Gruner+Jahr-Kantine um, warum gibt es bei Ford noch kein Ökogemüse? Wann bringt der Feinschmecker seinen Einkaufsführer Bio heraus? Dazu brauchen wir weder Fischler noch Agrarministerrat.

Über BSE und MKS jammern ist das eine. Wir haben jedes Recht dazu. Doch langsam müssten Taten folgen. Handlungsspielräume werden nicht genutzt. Und die Uhr läuft. MANFRED KRIENER

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