AFGHANISTAN BRAUCHT FRIEDENSTRUPPEN – ODER DER FRIEDEN SCHEITERT: Entwaffnet die Warlords!
Die Lage in Afghanistan sei „relativ friedlich“, meint US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Nur ein paar versprengte Bin-Ladisten sprängen noch über Bergwiesen, aber mit denen werde man spielend fertig. Mehr Soldaten für die Schutztruppe Isaf seien jedenfalls nicht nötig. Man kann sich wirklich nur an den Kopf greifen.
Haben Rumsfeld und Co. den 11. September schon vergessen? Haben sie je begriffen, dass Talibanistan ein kollabierter Staat war, der Leuten vom Schlage Bin Ladens ein freies Wirkungsfeld garantierte? Und dass sich das erst ändern wird, wenn in Afghanistan wieder eine von innen und nach außen legitime Regierung existiert? Karsais Interimsverwaltung ist das nicht. Der Weg zu einer legitimen Regierung führt über freie Wahlen. Das dauert aber mindestens noch zwei Jahre. Bis dahin muss die internationale Gemeinschaft durch- und an ihren Hilfsversprechen festhalten. Die nächste Hürde ist die traditionelle Ratsversammlng Loja Dschirga im Juni. Die Afghanen müssen darauf vertrauen können, dass sie ihre Abgesandten dafür wirklich frei bestimmen koennen. Das ist aber – entgegen Rumsfeld Behauptung – fraglich. Die Entwaffnung der Warlords hat nicht einmal begonnen, weil Isaf sich bisher nicht über Kabuls Stadtgrenzen hinauswagt. Der Fundamentalisten-Flügel im derzeitigen Regime verteilt offen Geld und Waffen, um seine Rückkehr an die Macht vorzubereiten. Kommt er damit durch, hat Afghanistan ein „demokratisch“ legitimiertes Fundo-Regime. Das wäre eine Katastrophe. Schickt Friedenstruppen, entwaffnet die Warlords, bitten deshalb die Dorfältesten von Herat bis Paktia die Loja-Dschirga-Kommission. Und die Weltgemeinschaft?
In einem hat Rumsfeld Recht: Die Reihe der Staaten, die zu einer Isaf-Aufstockung bereit sind, ist kurz. Auch Deutschland, in Sachen Afghanistan humanitär und politisch ansonsten sehr aktiv, sieht sich außerstande, außerhalb Kabuls an Isaf mitzuwirken. Dort aber entscheidet sich die Loja Dschirga. Das Vertrauen der Afghanen in der Friedensprozess sinkt bereits wieder. Es wird seinen Tiefpunkt erreichen, wenn die Wahlen zur Loja Dschirga im April und Mai direkt unter den Mündungen der Kalaschnikows stattfinden. JAN HELLER
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