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ADAC-SkandalWir sind hier nicht in Hollywood

ADAC-Präsident Peter Meyer lehnt einen Rücktritt von seinem Amt ab. Auch externe Prüfer sollen helfen, die Reputation des Autoclubs wiederherzustellen.

Wenn's mit dem Glitzer und Glamour nicht läuft, hilft nur kräftig schieben. Bild: ap

BERLIN/MÜNCHEN dpa | Trotz der Manipulationen bei den Wahlen zum „Gelben Engel“ lehnt ADAC-Präsident Peter Meyer einen Rücktritt ab. Der Bild-Zeitung sagte Mayer auf die Frage, ob er schon an Rücktritt gedacht habe: „Nein. Wenn der Wind von vorne kommt, muss man das auch mal aushalten können. In diesem Fall bin ich auch der Garant für die Aufklärung in der Sache.“

Der ADAC-Präsident warnte davor, die Glaubwürdigkeit des gesamten Autoclubs infrage zu stellen. Er schloss zugleich aus, dass bei den Ergebnissen anderer Tests, beispielsweise von Autobahnraststätten oder Kindersitzen, geschummelt wurde.

„Unsere Technik- und Verbraucherschutztests werden nach festgelegten, stets nachprüfbaren Kriterien durchgeführt. Teilweise sind Zertifizierungsunternehmen an diesen Tests beteiligt; insofern ist eine Manipulation dort ausgeschlossen“, erklärte Meyer.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) forderte die ADAC-Führung auf, das verlorene Vertrauen von Mitgliedern und Öffentlichkeit zurückzugewinnen. Der Bild-Zeitung sagte Dobrindt: „Es muss radikal aufgeklärt werden. Alle Vorgänge der Vergangenheit müssen offengelegt werden.“ Der ADAC solle sich künftig auf seine Kernkompetenz besinnen.

„Der ADAC muss sich wieder mehr auf seinen ursprünglichen Auftrag konzentrieren, den Service der Mitglieder und die Interessenvertretung der deutschen Autofahrer: Mehr um den einzelnen Autofahrer kümmern, weniger Show und Glitzer - der ADAC ist doch nicht Hollywood!“

Bestechung oder Vorteilsnahme als mögliche Ermittlungs-Tatbestände

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft München I, Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch, sagte der Zeitung: „Betrug scheidet ja offenbar aus. Bleiben noch Bestechung oder Vorteilsnahme als mögliche Ermittlungs-Tatbestände.“ Wie lange die Prüfung dauern wird, ließ die Staatsanwaltschaft offen.

Der Skandal um gefälschte Zahlen beim ADAC-Autopreis „Gelber Engel“ hat größere Dimensionen als bislang angenommen. Ex-Kommunikationschef Michael Ramstetter schönte nach eigener Aussage nicht nur 2014, sondern auch die Jahre zuvor bei der Umfrage zum Lieblingsauto der Deutschen die Zahlen, wie ADAC-Geschäftsführer Karl Obermair am Montag in München sagte.

Er kündigte umfassende Aufklärung an. Der Automobilclub will zudem seine Strukturen reformieren und für mehr Transparenz sorgen. Weitere personelle Konsequenzen soll es zunächst nicht geben.

„Dieser Vorgang tut uns leid, er trifft den ADAC ins Mark, weil wir als eine der vertrauenswürdigsten und seriösesten Organisationen galten, dieser Ruf ist jetzt angeschlagen“, erklärte Obermair. „Wir werden das lückenlos nach innen und nach außen aufarbeiten.“

Die derzeitige Struktur des ADAC gilt als gescheitert

Auch wolle man externe Prüfer dazu holen. Obermair bat die rund 19 Millionen ADAC-Mitglieder um Entschuldigung. „Wir sind jetzt in der Bringschuld, die Reputation wieder herzustellen.“ Dazu gehöre auch, dass man eine Studie zur Pkw-Maut erneut bei einem Meinungsforschungsinstitut in Auftrag gegeben habe.

Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer hält den ADAC mit seiner derzeitigen Struktur für gescheitert. Er sprach von Arroganz und Selbstherrlichkeit. „Man schottet sich ab“, sagte er im Bayerischen Rundfunk. Offensichtlich aufgrund des Systems entwickelten sich Dinge, „die sich in Unternehmen nicht entwickeln dürfen“.

Geschäftsführer Obermair hatte vor einigen Tagen die Manipulationsvorwürfe bei der Autowahl noch als Unterstellungen zurückgewiesen. Der Betrug soll unentdeckt geblieben sein, weil - so zitiert die Süddeutsche Zeitung den Geschäftsführer - nur Ramstetter Zugang zu allen Abstimmungsauszählungen gehabt habe.

Schlecht ist die Stimmung auch bei den ADAC-Mitarbeitern. „Es ist ein emotionaler Mix aus Empörung, Wut, Fassungslosigkeit“, beschrieb es Obermair. Kritik äußerte er an Beschäftigten, die interne Informationen an die Medien weitergegeben hätten statt sich an den Geschäftsführer als Vorgesetzten Ramstetters zu wenden. Der ADAC ist mit rund 19 Millionen Mitgliedern größter Autoclub in Europa und der größte Verein in Deutschland.

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7 Kommentare

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  • J
    Jörgerich

    Es wundert mich dass, die taz die offensichtliche Kritik an den ADAC-Mitarbeitern, die den Betrug der Presse gegenüber aufgedeckt haben, nicht deutlich verurteilt. Da Loben wir alle den Whistleblower Snowden und akzeptieren das bei uns im ADAC nach den Nestbeschmutzern gesucht wird. Und wir glauben auch noch, dass nur der Kommunikationschef alle Zahlen kannte. Er hat Abstimmung wohl alleine auf seinem Schreibtisch ausgezählt? Ich glaube wohl ehr an einen großen Maulkorb für die ganze Redaktion.

  • C
    Celsus

    Da hier jetzt einige äußern, dass niemand der angebliche Skandal störe, habe ich mich mal bei Freunden umgehört. ich fragte mal, was sie vom ADAC halten. Und alle waren entsetzt.

     

    Und selbst mit dem abweigelnden Zungenschlag, ob das überhaupt ein Skandal sei, empfanden es alle als Skandal.

     

    Interessant wäre mal zu wissen, welchem Umfeld die Leute unterschiedlicher Meinung jeweils angehören.

     

    Ich bringe mal ein Beispiel aus der Politik: Ist doch bekannt, dass die Unionsparteien noch nicht einmal die Bestechung von Abgeordneten als Straftatbestand haben wollen. Wir leben inzwischen in einer Welt mit völlig unterschiedlichen Moralauffassungen.

  • C
    Celsus

    Sobald die HIntergrund der Manipulationen aufgeklärt sind, könnte es ja weitere Rücktritte geben. Wie schon vorgeführt, werden vorher Medien wie die Südedeutsche noch für einen wahrheitsgemäßen Bericht angegriffen.

     

    Wird denn nicht inzwischen auch von der Staatsanwaltschaft München aufgeklärt, wenn schon der Vorwurf sogar strafbaren Verhaltens im Raum steht? Nach der Aufklärung könnte es weitere Rücktritte geben.

     

    Und der ADAC hat nach eigenen Angaben stattliche 19 Mio. Mitglieder. Das wäre glatt die Hälfte der erwachsenen, erwerbstätigen Bevölkerung. Da können sich nicht mal alle einen PKW leisten. Gibt es wirklich Anzeichen, dass diese Anzahl annähernd stimmen könnte???

  • H
    Horst

    Bitte Bitte behaltet euer Niveau bei und fangt nicht an aus der Bild zu zittieren, diese Zeitung bzw. deren Artikel sollten in keinster Weise gefördert werden. So meine Meinung.

  • J
    Julia

    Ich habe mich mit mehreren Freunden unterhalten, alles ADAC-Mitglieder. Niemanden stört dieser "Skandal". Die Motorwelt liest eh keiner. Warum wir alle im ADAC sind ist ganz einfach. Alleine kann man gegen die Politik nichts ausrichten, zum Beispiel beim Thema Tempolimit. Deshalb braucht es eine starke Organisation die das übernimmt. Und dafür ist der ADAC da.

  • Die Afffäre ist natürlich peinlich und auch der Umgang damit. Aber was ist eigentlich neu am Lobbyismus-Vorwurf ?

     

    Seit 40 Jahren bin ich Mitglied im ADAC. Seit 40 Jahren weiß ich daß der Verein mit seinen diversen Tochterfirmen Lobby-Arbeit macht, was wirklich nicht schwer zu entdecken ist. Jeder Depp weiß, daß die Organisation nicht neutral ist. Umfragen, Vergleichstests, usw. interessieren mich wenig. Für mich ist der ADAC in erster Linie eine Versicherung.

     

    Mit den Serviceleistungen der Organisation war ich sehr zufrieden in all den Jahren. Ich bin in der ganzen Zeit meiner Mitgliedschaft stets ein Vielfahrer gewesen, auch international. Der Verein hat mich öfter aus den verschiedensten Unannehmlichkeiten gerettet und das professionell, zuverlässig und schnell. Die Schutzbriefversicherung ist nach meinen Erfahrungen die einzige Versicherungsgesellschaft, die im Schadenfall nicht zuerstmal die Leitunbgsverweigerung versucht. Jeder Cent den ich für den Schutzbrief angelegt habe war gut ausgegeben.

  • DE
    Der Ebbehocker

    Ich frage mich ernsthaft, ob der ADAC wirklich 19 Mio Mitglieder hat. Werden hier Familienmitglieder einfach per Faustformel mit eingerechnet?