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ABT. SILBERSTREIF AM HORIZONTInvestitionsbremse

■ Kohl macht Unternehmern neue Versprechungen

Bonn/Berlin (afp/taz) — Die Bundesregierung will die Vorfahrtsregelung für Investitionen in den fünf neuen Bundesländern noch vor der Sommerpause weiter erleichtern und bis 1995 verlängern. Das versprach Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) gestern zur Eröffnung der zehnten Wirtschaftskonferenz von Unternehmern, Gewerkschaften und Bundesregierung im Bonner Kanzleramt.

Jedoch scheint die Bundesregierung nicht bereit zu sein, das größte Stopp-Schild für Unternehmens- Investitionen abzubauen — die im Einigungsvertrag festgelegte Eigentumsregelung „Rückgabe vor Entschädigung“. Das bekräftigten gestern erneut Bundeswirtschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP) und das gesamte FDP-Präsidium. Bei einer Novellierung des Vermögensgesetzes komme eine Umkehr des Grundsatzes „Rückgabe vor Entschädigung“ nicht in Frage, sagte Möllemann gestern.

Dabei wird dieser „Grundsatz“, nach dem Fabriken und Grundstücke zunächst den alten Eigentümern zurückgegeben werden, von allen potentiellen Investoren als das größte Hemmnis genannt. De facto ist in den neuen Bundesländern bei kaum einem Grundstück der Alteigentümer auf die Schnelle zweifelsfrei zu ermitteln. Der Verlag Gruner+Jahr beispielsweise befindet sich im Großraum Dresden seit Monaten auf der Suche nach einem Gewerbegrundstück, auf das die Buchdruckerei, die der Verlag zusammen mit einer Zeitung übernommen hat, ausgelagert werden könnte. Derweil ist die gesamte Belegschaft auf Kurzarbeit Null, weil auf den alten Druckmaschinen nicht in ausreichender Qualität produziert werden kann. Ähnliche Geschichten erzählen viele UnternehmerInnen — die eigentlich die Stammwählerschaft der in dieser Frage so sturen FDP. Die Folgen sind bekannt: Die öffentlichen Hände haben 1991 150 Milliarden Mark nach Ostdeutschland gepumpt; private Investoren weniger als 30 Milliarden. Der Staat mußte also jeweils fünf Mark ausgeben, um eine Unternehmermark in den Osten zu ziehen. Nach einer Schätzung des Münchner Ifo-Instituts werden die westdeutschen Betriebe in diesem Jahr etwa 44 Milliarden Mark in Ostdeutschland investieren — mit einer Änderung der Eigentumsregelung in „Entschädigung vor Rückgabe“ wäre dieser Betrag ohne zusätzliche öffentliche Ausgaben leicht zu erhöhen. dri

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