90 Jahre Bauhaus: Einst vertrieben, heute umworben
Weimar betreibt eifrig Stadtmarketing mit dem 90. Geburtstag des Bauhauses. In Vergessenheit gerät dabei, wie feindselig die Stadt seinerzeit auf Gropius Ideen reagierte.
2009 ist Bauhausjahr! Der genaue Jubiläumstermin im April ist nicht ganz unumstritten, aber Thüringen ist schon jetzt im Bauhausfieber. Vor 90 Jahren begann in Weimar die "Revolution des Designs", schallt es seit Jahresbeginn aus dem Bundesland.
Mit dem Zusammenschluss zweier bereits existierender Schulen in Weimar und dem Amtsantritt des gemeinsamen, neuen Direktors Walter Gropius entstand am 12. April 1919 das "Staatliche Bauhaus in Weimar". Ist das Bauhaus also eine thüringische Erfindung, ebenso originell und gut wie die berühmte Bratwurst oder das bekannte Multitalent Goethe, beide bekanntlich bis heute mit Weimar verbunden und von Touristen vielbesucht?
Am 22. Juli eröffnet die große Bauhausausstellung im Berliner Martin-Gropius-Bau, beteiligt sind daran auch die Bauhausstätten von Dessau und Berlin. Bis dahin bilden Weimar, das Weimarer Land, Jena und Erfurt den Mittelpunkt des Bauhaus-Jubiläums. Schon am 31. März startet die Ausstellung "Das Bauhaus kommt - Das staatliche Bauhaus 1919-25 und seine Beziehung zum historischen Weimar". Das ganze Jahr über läuft die Reihe "Bauhaus und Film". Im Sommer gibt es zwei Ausstellungen zu Bauhäuslern wie Max Bill oder Franz Ehrlich ("Ein Bauhäusler in Widerstand und Konzentrationslager"), womit dann neben Kino und Museen auch die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald in das Bauhaus-Jubelfest einsteigen kann.
Natürlich kann der auswärtige Besucher Weimars auch das Bauhaus-Reisepaket buchen, um all die schönen und sinnlichen Genüsse in Weimar und Umgebung auf sich wirken zu lassen, beispielsweise das Bauhausmenü in drei Gängen. Die "kulturpolitische Sensation" der Bauhausgründung, die in Weimar und seiner engeren und weiteren Umgebung mit allerlei "glanzvollen Schauen in Szene gesetzt" wird, liefert offenbar vor allem dem Städtemarketing reichlich Gelegenheit, um das Bauhaus als eine Thüringer Spezialität vorzustellen. Weimar und Thüringen sind stolz auf die "gesamte europäische Künstler-Avantgarde", die Gropius als Bauhausmeister in Weimar versammelte: unter ihnen Künstlergrößen wie Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky, Paul Klee, Gerhard Marcks, Johannes Itten, Oskar Schlemmer und László Moholy-Nagy.
Aber der Thüringer Legenden genug: Die Bauhaus-Idee stammt von Walter Gropius. Der war Berliner. 1925 mussten Gropius und seine Schule unter Zwang das Klassikerstädtchen verlassen, das von rechten Kreisen regiert wurde. Auf Einladung seines sozialdemokratischen Bürgermeisters fand das Bauhaus in der anhaltinischen Industriestadt Dessau Asyl.
Weimar hatte eigentlich nie ein Bauhaus gewollt, und die von Gropius noch in Weimar entwickelt Parole "Kunst und Technik - eine neue Einheit" passte einfach nicht in die Heimstätte der Klassikerverehrung. Erste "Vorschläge zur Gründung einer Lehranstalt als künstlerische Beratungsstelle für Industrie, Gewerbe und Handwerk" hatte Gropius bereits 1916 noch als Soldat eingereicht. Das Hofmarschallamt des Großherzogtums Thüringen lehnte ab. Erst die Revolution - Gropius hatte sich im Arbeitsrat der Kunst bereits hervorgetan - machte die Schule neuen Typs möglich, bei der Kunst- und Handwerksausbildung fusionierten. Den Augenblick genutzt zu haben, war Gropius Geniestreich. Später hätte das Bauhaus in Weimar wohl keine Chance mehr gehabt. Weder die Kulturkonservativen und Völkischen um Paul Schultze-Naumburg noch die thüringische Politik in Stadt und Land, noch die Bevölkerung Weimars konnten sich mit dem Bauhaus anfreunden.
Dass man in Weimar jetzt mit dem Bauhaus für sich wirbt, ist also ein wenig merkwürdig. Aber die Stadt lebt eben vom Tourismus. Bleibt nur zu hoffen, dass in dem "exklusiven Ausstellungs- und Veranstaltungsparcours", mit dem Weimar um Besucher wirbt, auch erzählt wird, dass das Bauhaus ohne die Revolution von 1918/19 gar nicht existiert hätte und dass danach in Weimar Restauration und Reaktion, Spießertum und sogenannte Heimatschützer besonders schnell und gründlich die Verhältnisse zu ihren Gunsten klärten.
Die weiteren Fakten sind bekannt: 1926 veranstalteten die Nazis ihren Parteitag in Weimar, 1930 tritt in Thüringen erstmals ein NS-Minister in eine Landesregierung ein, 1932 übernimmt NSDAP-Gauleiter Fritz Sauckel die Regierungsgeschäfte in Thüringen. Dessen Partei hatte ein Jahr zuvor auch die Gemeindewahl in Dessau gewonnen. Das Bauhaus musste abermals umziehen und ging nach Berlin. Hier schloss Mies van der Rohe die als Privatschule weiterbetriebene Anstalt 1933 auf Druck der neuen Machthaber. Mies Architekturschule hatte zwar mit den ursprünglichen Ideen des Bauhaus nicht mehr viel gemein, aber der Name wurde ihm bei den Nazis zum Verhängnis.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen