piwik no script img

90. Geburtstag von Juliette GrécoGlamourös gepuderter Eigensinn

Es heißt, sie sei die Muse für Männer wie Jean-Paul Sartre gewesen. Vielleicht war es aber auch umgekehrt. Die Gréco wird 90.

Happy Birthday, Juliette Gréco Foto: imago/ZUMA Press

In gewisser Weise hat sie Glück gehabt: Juliette Gréco, 1927 in Montpellier geboren, war nach dem Zweiten Weltkrieg im Paris der intellektuellen ­Boheme zur richtigen Zeit am richtigen Ort für ihre künstlerischen Ambitionen.

Sie kannte Stars des Geistes wie Jean-Paul Sartre und Albert Camus, Schriftsteller wie Boris Vian und Filmschaffende wie Orson Welles. In Texten über sie heißt es: Die Gréco sei deren Muse gewesen. In Wahrheit könnte es auch umgekehrt gewesen sein. Die junge Chanteuse ebnete ästhetisch auf allen möglichen Bühnen diesen Männern den Weg zur Prominenz, die sie mit Büchern und öffentlichen Kommentaren nicht gehabt hätten.

Anders als viele ihrer Generation war die Gréco keine Mitläuferin der Naziokkupanten, sondern selbst Opfer der deutschen Besatzer. Ihre Mutter zählte zur Résistance, Juliette Gréco musste selbst drei Wochen ins Gefängnis von Frèsnes, verdächtigt, dem Widerstand gedient zu haben. Deutschland hielt sie sich viele Jahre auf Distanz, erst 1959 trat sie als Sängerin zum ersten Mal in der Bundesrepublik auf.

Mitte der Sechziger war sie eine der wichtigsten Protagonist*innen des französischen Chansons in Deutschland, Lieder wie „Accordéon“, „Je hais des dimanches“ oder „Mon fils chantent“ profilierten sie als Frau mit rauchig intonierten Vokalisen, die stets Relevanz und lebensweise Tristesse verströmten. Ihre Körpersprache auf den Bühnen lebte von dramatischen Armbewegungen, ihr Gestikulieren war so künstlich, dass es wieder nur zu natürlich wirkte.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Accordéon

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Mit der Gréco mochten sich besonders Frauen identifizieren, die sich weder frauenbewegten Anliegen anschließen mochten noch sich klassisch irgendeiner subalternen Rolle fügen wollten: Diese Französin zeigte ihnen, wie Haltung mit glamourös gepudertem Eigensinn lebbar wird.

In Deutschland fand sie, die wichtigste noch lebende Zeitzeugin der feiernden Seiten des Pariser Nachtlebens im Zeichen existenzialistischer Deutungen, ihr treuestes Publikum. Heute wird die Gréco 90 Jahre alt. Sie leidet immer noch an den Folgen eines im vorigen Jahr erlittenen Schlaganfalls. Sie möge ihren Geburtstag genießen können!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Wunderschönes Video ...

    Danke taz

  • Bon anniversaire, Madame !

  • Eine vergnüglich zu lesende - etwas flach geratene

    Hommage - die aber doch den bemühten -

    2x-Ei-Henne-excurs verschmerzen läßt.

    Juliette Gréco - In der Tat -

    "Sie möge ihren Geburtstag genießen können!"