4000 Arbeitsplätze sollen weg: Opel-Zulassungszahlen sinken
Die Zulassungszahlen des Rüsselsheimer Autoherstellers im Inland sinken dramatisch. Geld wird erst verdient, wenn noch 4.000 Leute weg sind, meint Chef Reilly.
Das Zeichen für Unendlichkeit ziert die alte Rüsselsheimer Autofabrik aus Backstein und die gigantischen neuen Fertigungshallen am Stadtrand an allen Ecken und Enden. Die waagerecht liegende Acht soll den jüngsten Werbefeldzug der deutschen Tochter von General Motors (GM) gegen Volkswagen, Ford und Co symbolisieren, die deutlich mehr Wagen absetzen. Bei Opel dagegen brach der Absatz in Deutschland im Juli um 43,5 Prozent ein.
Um aus diesem Tief wieder herauszukommen, offeriert das Unternehmen der Kundschaft jetzt eine "unendliche" Garantie auf alle Neuwagen, die nur eine "lebenslange" ist. "Opel startet durch", kommentierte Boss Nick Reilly seinen jüngsten Coup euphorisch. Das Garantieangebot für alle Ersthalter unterstreiche zudem "unser Vertrauen in die Qualität und Werthaltigkeit unserer Produkte sowie die Kraft der Marke Opel".
Das Vertrauen in die Marke jedenfalls scheint in der Führungsspitze des Autoherstellers schon wieder so groß zu sein, dass Reilly sogar den Einstieg in die Deutsche Tourenwagenmeisterschaft erwägt, aus der sich Opel trotz der großen Erfolge in den 1970er und 80er Jahren aus Kostengründen verabschiedet hatte.
Zurück nach den guten alten Zeiten von Opel sehnt sich auch der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus Franz. Er macht sich für die Neuauflage legendärer Modelle wie Manta und GT stark - Werbung: "Nur fliegen ist schöner!" Schließlich hätten diese vor 40 Jahren mit dazu beigetragen, "dass Opel als Rivale von Volkswagen ernst genommen wurde".
Den Fuchsschwanzproduzenten dürfte die Forderung von Franz gefallen haben. Sonst aber wohl niemandem. Denn die Kultautos mit ihrem Proletenimage hätten Opel damals zwar tatsächlich kurzfristige Verkaufserfolge beschert, sie hätten aber auch den bis dato guten Ruf der Marke nachhaltig beschädigt, meint etwa der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg. Die Unternehmensführung heute setzt denn auch eher auf die Produkte, die im Technologiezentrum von GM und Opel in Rüsselsheim in den letzten zwei Jahren bis zur Serienreife entwickelt wurden.
Dazu gehört der noch in diesem Jahr auf den Markt kommende Ampera, ein Elektroauto mit Benzinhilfsmotor. Mit diesem und mit seinen weiterentwickelten Flaggschiffen Insignia und Astra will Opel schon 2012 aus der Verlustzone herausgefahren sein. Reilly setzt dabei auch auf den schon für diesen Herbst für die gesamte Branche vorhergesagten Aufschwung. Der Verband der deutschen Automobilindustrie bleibt dagegen skeptisch. "Konjunkturelle Risiken" dürften nicht unterschätzt werden, warnt Verbandspräsident Matthias Wissmann.
Opel steckt ohnehin mitten in der teuren Restrukturierung. Das Werk in Antwerpen ist inzwischen geschlossen. Von den zur Disposition gestellten 8.000 Stellen in Europa sind erst 3.000 tatsächlich gestrichen. Ab sofort bis Ende 2011 sollen nun bei Opel in Deutschland 4.000 Arbeitsplätze eliminiert werden. Erst danach könne wieder Geld verdient werden, so Reilly.
In Detroit allerdings braucht GM schon jetzt viel Geld, um den Mehrheitsanteilseigner, die US-Regierung, die den insolventen Konzern mit einer Steuergeldspritze von insgesamt 50 Milliarden Dollar vor dem Bankrott rettete, wieder loszuwerden. Schließlich wolle man nicht als "Government Motors" in die Geschichte eingehen, sagte Big Boss Ed Whitacare am Wochenende. GM will zurück an die Börse in New York und sucht derzeit nach Groß- und Kleinanlegern. Der Konzern macht seit Anfang 2010 wieder Gewinn und zahlte Rettungsgelder zurück - die für Opel komplett. In den vier Jahren davor allerdings verbrannte GM 88 Milliarden Dollar.
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