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KOMMENTAR40 Jahre Fremdheit

■ Die "KSZE der Frauen" steht erst am Anfang

Eine polnische Feministin aus Warschau sah es ganz nüchtern: die westlichen Frauen, so ihr Resumee nach drei Tagen „KSZE der Frauen“, wissen mehr über die Frauen aus Indien oder die Philippinen als über die Osteuropäerinnen. Die Mauer hat die Frauen zutiefst voneinander getrennt. Osteuropa - wie wenig können die Frauen des Westens ermessen, was es für den Alltag, das Selbstbild, für das Verhältnis zwischen den Geschlechtern bedeutete, 40 oder gar 75 Jahre unter totalitärer Herrschaft zu leben. Die Philosophin Olga Voronina aus Moskau sagte, russisch-traditionalistische Werte, Stalindiktatur und religiöse Fundamentalismen hätten gemeinsam Frauen zu „Wesen zweiter Klasse“ gemacht. Und wir ließen uns viel zu lange blenden von den Propagandabildern der strahlenden Kranführerin, viel zu lange von der Vorstellung beruhigen: die Frauen haben die gleichen Rechte, sie sind erwerbstätig, sie haben ein Recht auf Abtreibung — ohne genauer hinzusehen, welche Deformation jedes dieser Rechte erfuhr. Frauen hatten zu sein „wie ein Mann“, und wurden dennoch wegen ihres Geschlechts ausgeschlossen.

Jede Chance, mit den Frauen Osteuropas ins Gespräch zu kommen, ist deshalb wichtig. Nur sie selbst können von ihren Erfahrungen erzählen und erklären, welche Form der Unterstützung sie benötigen. Die KSZE der Frauen ist deshalb der richtige Versuch, wenn auch das Berliner Treffen nicht mehr sein konnte als ein Anfang. Und selbstverständlich gab es Enttäuschungen. Viele empfanden die Konferenz als zu starr und formell organisiert, hätten sich noch viel mehr Zeit für Diskussionen und persönliche Gespräche gewünscht. Die Osteuropäerinnen fühlten sich bisweilen gekränkt von allzu gutwilliger, fast paternalistischer Fürsorglichkeit. Und befremdet von dem Eindruck der Bevormundung, der allein schon durch den westlichen Diskussionsstil hervorgerufen wurde. Die Frauen aus der ehemaligen DDR waren darüber hinaus verärgert, daß auf sämtlichen Podien die neue Bundesrepublik durch westdeutsche Frauen repräsentiert wurde. Dabei könnten doch gerade sie die Rolle der Vermittlerinnen zwischen Ost und West spielen.

Aber bei aller berechtigter Kritik - wenn es diese Konferenz nicht gegeben hätte, was dann? Wie anders kann das so herbeigewünschte Netz geknüpft werden? Wissen wir nicht, daß Frauen die geringsten finanziellen Möglichkeiten haben? Auch die Strategie, das Berliner Treffen mit der offiziellen Ebene der KSZE zu verkoppeln, ist sinnvoll. Auch die „Helsinki-Bürgerversammlung“, versucht es mit einer zweifachen Ausrichtung: institutionalisiert Einfluß auf die offizielle Politik zu nehmen und möglichst unbürokratisches Netzwerk zu sein. Für die Anbindung an die KSZE spricht aber noch ein weiterer Punkt.

Feminismus gilt in den osteuropäischen Ländern noch als etwas geradezu Absonderliches, als etwas Luxuriös-Überflüssiges für die „bourgeoisen“ Frauen des Westens. Die KSZE genießt aber in Osteuropa den Ruf, das Abschütteln der totalitären Regimes zumindest erleichtert zu haben. Wenn jetzt im berühmten „Korb“ Menschenrechte, auf den sich die östlichen Bürgerbewegungen beriefen, die Frauenrechte auftauchen, wenn es Frauenkonferenzen gibt und eine noch nie dagewesene öffentliche Debatte, dann kann das den Frauen Osteuropas in ihrer schwierigen Situation nur den Rücken stärken. Helga Lukoschat

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