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4-mal-100-Meter-Staffel bei OlympiaSven lässt die Beine fliegen

Nur wenige Hundertstel-Sekunden fehlen der deutschen Männer-Staffel fürs Finale. Mist – drückte die Familie von Läufer Sven Knipphals doch alle Daumen.

Staffelläufer Sven Knipphals (links) – der Neffe zweiten Grades unseres Autoren Foto: dpa

Sieben Hundertstel Sekunden, was ist das schon. Weniger als ein menschlicher Wimpernschlag (der zehn Hundertstel dauert). Soviel – oder wohl eher sowenig – trennte die deutsche 4x100-Meter-Staffel der Männer vom Einzug ins Finale. Sven Knipphals, der zweite Läufer, brachte die Sache auf den Punkt.

„Keine schlechte Zeit, aber die anderen rasten halt völlig aus“, sagte er im anschließenden Interview. Der Wolfsburger Zweig der Knipphals-Familie war, wie die anderen Zweige übrigens auch, schon immer dafür bekannt, nicht um den heißen Brei herumzureden. In den sozialen Medien wurde der Satz gleich zum Renner.

Dabei hatte lange Zeit alles gut ausgesehen. 33 Grad herrschten im Innenraum des Leichtathletik-Stadions der Olympischen Spiele von Rio. Die Floskeldichte der Moderatoren war wie so oft genauso hoch. „Faszination Staffel, man weiß nie, was passiert.“ Stimmt. Die Stimmung in der Olympia-Redaktion der taz war sowieso hervorragend. Und in ganz Deutschland, das war eh klar, drückten alle Mitglieder der Knipphals-Familie die Daumen. Ich darf hier exklusiv erzählen: Davon gibt es viele.

Die deutschen Staffelfrauen legten beeindruckend vor. Souverän gewannen sie ihren Vorlauf in 42,18 Sekunden. Die Amerikanerinnen verpatzten einen Wechsel. Im Finale ist für das deutsche Frauenteam noch alles drin.

Dann der erste Vorlauf der Männer. Hammer. Die Amerikaner laufen 37,65. Die Chinesen legen einen neuen Asienrekord hin. Gleich drei Staffeln bleiben unter 38 Sekunden. Aber die deutsche Staffel ließ sich nicht bange machen, ihre Entschlossenheit sah man ihren Gesichtern an – außer dem von Sven Knipphals, den die deutsche Studioregie bei der Übertragung aus unerfindlichen Gründen vor dem Rennen nicht so ausgiebig zeigte, wie es Teile des Publikums gewünscht hätten. Auch dass Superstar Usain Bolt entgegen den Ankündigungen doch nicht für die Staffel der Jamaikaner antrat, steckten die deutschen Jungs weg. Leicht Enttäuschung nur in Kiel, Hamburg, Wolfsburg, Berlin und anderswo, wohin es halt die Mitglieder der Knipphals-Familie verschlagen hat.

„Raus mit Applaus“

Julian Reus lief dann in diesem zweiten Vorlauf gut los, kein Fehlstart, eine Sorge weniger. Eine dynamischer Wechsel dann zu Sven Knipphals, der möglicherweise nicht den Lauf seines Lebens, aber doch einen guten Lauf unter dem Zuckerhut, der als Klischee bei keinem Olympiabericht fehlen darf, hinlegt. Gleichauf liegt Knipphals mit den Kubanern neben ihm, und er gibt alles, lässt die Beine fliegen, bekommt die Füße kraftvoll auf den Boden (oder wie auch immer man das unter Sprintern ausdrückt), als gelte es, auf den Familienfesten von ganz früher dem Aufräumen zu entkommen. Oder als erster beim legendären Apfelkuchen seiner Großtante Hannelore zu sein.

Auch der Wechsel zu dem nach ihm laufenden Robert Hering gelingt Knipphals gut. Als Schlussläufer kommt Lukas Jakubczyk. Aber da merkt man schon, der große Wurf wird es heute nicht. Dann die Gewissheit, neunter, von der Zeit her, nur die ersten acht kommen ins Finale. 38,26 Sekunden stehen für Sven Knipphals und die anderen drei Läufer der deutschen Staffel schließlich auf dem Zettel, die berühmten sieben Hundertstel zuviel.

„Raus mit Applaus“, sagte noch der Moderator. Man darf aber ganz objektiv noch sagen, dass die vier deutschen Läufer bei den Interviews sehr gut aussahen.

Übrigens, falls einmal auch der Sohn Ihres Cousins bei den Olympischen Spielen laufen sollte, das ist dann Ihr Neffe zweiten Grades.

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