4 Volksbegehren im Check: Berlin begehrt
Weniger Werbung, Neuwahlen, keine Schulprivatisierung und mehr Kameras: Wer schafft es bis zum Volksentscheid?
Berlin werbefrei
Worum geht’s? Bürgerini-Sprecher Fadi El-Ghazi sagt: „Die Stadt soll nicht aussehen wie ein Werbeprospekt.“ Dafür will man ein Gesetz, das Außenwerbung und Werbung in öffentlichen Einrichtungen einschränkt. Unterstützung gibt’s vom Verein Changing Cities, auch beteiligt am vom Senat übernommenen Volksentscheid Fahrrad.
Zwischenstand Unterschriften werden ab dem 16. Januar gesammelt. Bislang gab es Streit mit dem Senat über die Kostenschätzung. Ergebnis: 30 Millionen weniger Einnahmen für die Stadt bei erfolgreichem Volksentscheid.
Wer sollte unterschreiben? Kommunikationsguerilleros, Kapitalismuskritiker, Ästheten, alle, die Hans Wall nicht für einen reinen Altruisten halten.
Erfolgsaussichten Dienstag wurden Berlins Werbeflächen vergeben. Sollten die geplanten Hunderten elektronischen Werbetafeln zu mehr Unfällen führen, wird die erste Stufe genommen. (epe)
Unsere Schule
Damit ein Volksbegehren stattfinden kann, muss eine Initiative mindestens 20.000 Unterschriften von wahlberechtigten BerlinerInnen sammeln. Ist diese Hürde genommen, prüft die Innenverwaltung die rechtliche Zulässigkeit. Erst danach kann es zum Volksbegehren kommen.
Dabei müssen innerhalb von vier Monaten rund 175.000 gültige Unterschriften gesammelt werden. Wird auch dieses Ziel erreicht, kann das Abgeordnetenhaus den Gesetzentwurf entweder annehmen, oder es kommt zum Volksentscheid.
Zu dieser Abstimmung sind alle BerlinerInnen an einem bestimmten Termin aufgerufen. Der Entwurf wird zum Gesetz, wenn mindestens ein Viertel aller Wahlberechtigten – rund 630.000 – dafür stimmen und diese auch die Mehrheit der abgegebenen Stimmen stellen. (taz)
Worum geht’s? Der Verein Gemeingut in BürgerInnenhand kämpft gegen den Plan, die bezirklichen Schulgebäude zwecks Sanierung der Wohnungsbaugesellschaft Howoge zu übertragen. Die Howoge ist eine privatrechtliche GmbH. Sie kann Kredite für den Schulbau aufnehmen, die nicht im Landeshaushalt auftauchen. Die Initiative spricht von einer „Schulprivatisierung“, die Finanzverwaltung von einer „Kreditfinanzierung im öffentlichen Sektor“.
Zwischenstand Seit dem 3. Januar wird gesammelt. Zu früh für eine erste Bilanz, sagt Initiativen-Sprecher Carl Waßmuth.
Wer sollte unterschreiben? JurastudentInnen. AntikapitalistInnen im Unruhestand (die Initiative sammelt auf der Luxemburg-Liebknecht-Demo am Sonntag). SchulabbrecherInnen.
Erfolgsaussichten Der Blick in die Schulkloschüssel offenbart trübe Aussichten. Die Sache ist kompliziert (siehe oben). Andererseits handelt es sich lediglich um eine Volksinitiative, ohne Gesetzveränderungsabsicht. Um eine Anhörung im Parlament zu erzwingen braucht sie nur 20.000 Unterschriften von Berliner über 16 Jahren. (akl)
Neuwahlen
Worum geht’s? Rot-Rot-Grün soll abgewählt werden, fordert die Rentnerpartei Die Grauen. Die B.Z. zitiert Klaus Leingrüner (77) aus Reinickendorf: „In unserer Stadt geht alles den Bach runter. Da war ja selbst noch die Große Koalition besser.“ Das haben auch schon die Volksentscheid-Experten der FDP gesagt.
Zwischenstand Letzten Donnerstag gestartet, kamen schon in den ersten Minuten zahlreiche Unterschriften zusammen, manche sehr zittrig.
Wer sollte unterschreiben? Alle, die den Stift noch halten können. Linken- und Grünenfresser. Teile der SPD.
Erfolgsaussichten Anders als bei Volksbegehren zu konkreten Gesetzen braucht die Regierungsablösung im ersten Schritt 50.000, im zweiten 490.000 Unterschriften. Erst danach käme es zur Abstimmung. Genug Senioren gäbe es, was die Grauen aber nicht bedacht haben: In Lichtenberg und Hellersdorf wählen sie PDS. (epe)
Videoüberwachung
Worum geht’s? Wenn es nach Heinz Buschkowsky (Ex-Bezirksbürgermeister) und Thomas Heilmann (Ex-Senator) geht, sollen 50 kriminalitätsbelastete Orte und gefährdete Gebäude mit Kameras überwacht werden. Das würde auch die Mitinitiatoren von Polizeigewerkschaft und Immobilienverband freuen.
Zwischenstand 17.123 Unterschriften wurden gesammelt; die 20.000 sind für März angepeilt. Danach kann Stufe zwei beginnen.
Wer sollte unterschreiben? „Ich habe nichts zu verbergen“-Floskler, Waffenschein-Inhaber, Angsthasen, AfD-Fans, Omas mit baumelnden Handtaschen, Erich Mielke (R.I.P.).
Erfolgsaussichten Jede weitere Bild-Titelseite mit Fotos vermeintlicher G20-Störer, jedes Video von Attacken in der voll überwachten BVG stillen die Voyeursgelüste. Das Potential ist also hoch. Dagegen bräuchte es eine kluge, linke Sicherheits- und Innenpolitik. Bitte was? (epe)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!