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341,2: Sterbt Menschen aus! ■ Von Eugen Egner
Auf einmal kam es 341,2 in den Sinn, ein Empfängnisverhütungsmittel für Männer zu entwickeln. Davon verstand er noch weniger als von allem anderen, und so kam es, dass ihm durch die Einnahme des Präparats eine kapitale denkfähige Abdominalgeschwulst wuchs. Sie machte sich durch Schwierigkeiten beim Wasserlassen und eine Stimme im rechten Ohr bemerkbar, die immerfort sagte: „Sterbt Menschen aus! Menschen aussterben ist schön!“
Auch sah sein Kopf ganz verbeult aus, doch das lag an dem selbstgemachten Haarschnitt. Wegen der Schwierigkeiten beim Wasserlassen und der Stimme sah sich 341,2 nach einiger Zeit genötigt, einen Arzt aufzusuchen. Wie nicht anders zu erwarten, tat er bei der Arztwahl einen Missgriff. Er geriet an eine Doktorpuppe und ein Doktortier, zwei üble Scharlatane. Ihre Praxis florierte; in Scharen ließen sich die Menschen von ihnen mit Schlamm vollpumpen oder anderweitig beschädigen.
Nach endlos langer Wartezeit kam 341,2 an die Reihe. „Was scheint denn die Schwierigkeit zu sein?“, erkundigte sich die Doktorpuppe. 341,2 schilderte seine Beschwerden, verschwieg aber die selbstverschuldete Ursache. Umgehend füllten Doktorpuppe und Doktortier große Wassermengen in seine Ohren. Sie beriefen sich auf ein großes Diplom an der Wand, das sie ausdrücklich zu solchen Praktiken ermächtigte. Bei der Untersuchung fand 341,2 heraus, dass es ratsam war, das Doktortier genau im Auge zu behalten. Schließlich sprach die Doktorpuppe: „Ihnen fehlt nichts. Sie sind ein klassischer Lithopädion-Hypochonder. Es sollte uns nicht wundern, wenn Sie nächstens eine Rentenneurose entwickelten.“
Nichtsdestoweniger fuhr die Stimme im Ohr fort zu sagen: „Sterbt Menschen aus! Menschen aussterben ist schön!“ Auf den Gedanken, zu einem anderen Arzt zu gehen, kam 341,2 nicht. So konnte die Stimme immer größeren Einfluss auf ihn gewinnen; unweigerlich brachte ihn das in Kontakt mit der Liga zur Ausrottung der Menschheit. Hinter solch hochtrabenden Namen verbarg sich, wie er bald feststellte, lediglich eine größenwahnsinnige Schäferhündin, deren erklärtes Ziel es war, an ihrem Computer eine arische Überrasse, so genannte Hundsarier, zu errechnen. Mit ihr kollaborierte er jedoch nur für kurze Zeit, denn auch beim Ausrotten der Menschheit machte er einfach alles falsch. Er wurde unehrenhaft aus der Liga entlassen. Nach wie vor tönte die Stimme in seinem rechten Ohr. Um sich abzulenken, wollte 341,2 ein Bordell besuchen, doch das ging so vollkommen daneben, dass er sich zuletzt bei einer Prostata-Vorsorgeuntersuchung wiederfand. Damit hatte er aber Glück im Unglück, denn der Urologe entdeckte die kapitale denkfähige Abdominalgeschwulst und schlug Alarm. 341,2 wurde umgehend im Kastenwagen zur Universität Rinteln gebracht. Dort schnitt Prof. Blum, der weltberühmte Chirurg, den Tumor eigenhändig heraus. Seither hängt das Ding im Arbeitszimmer des Universitätspräsidenten unter der Decke und ruft zu jeder vollen Stunde: „Sterbt Menschen aus! Menschen aussterben ist schön!“
341,2 schwor sich, nie wieder irgendwelche Mittel zu entwickeln. Dabei ging er allerdings so ungeschickt vor, dass er sich zwei Finger verstauchte.
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