3:3 des DFB-Teams gegen die Ukraine: Wir üben noch
Beim Länderspiel in Bremen offenbaren sich weiterhin Mängel im Spiel der DFB-Auswahl. Aber immerhin das Glück in der Nachspielzeit ist da.
Es hat wohl noch kaum ein deutsches Freundschaftspiel gegeben, das mit so großen und unterschiedlichen Erwartungen überhäuft wurde. Und nach zehn Minuten schien sich im Bremer Weserstadion alles in Wohlgefallen aufzulösen. Die La-Ola-Welle machte schon zum wiederholten Mal die Runde. Ordentlich Druck hatte das deutsche Team, das erstmals unter Trainer Hansi Flick die Dreierkette erproben wollte, gleich zu Beginn seines 1.000 Länderspiels ausgeübt und nach sechs Minuten den Lokalmatador Niklas Füllkrug so angeschossen, dass der Ball ins Tor fiel.
Die ukrainischen Fans feierten mit Sprechchören das im Krieg befindliche Militär im Heimatland, wofür sich Trainer Serhiy Rebrov ausdrücklich später bedankte. Die deutschen Fans, die vor den Stadiontoren gratis mit so viel Fahnen ausgestattet wurden, als wolle der DFB das von CDU-Politiker Philipp Amthor geforderte „Bundesprogramm Patriotismus“ im Alleingang starten, schienen ihren zuletzt großen Unmut über das Nationalteam und das WM-Abschneiden einfach wegwedeln zu wollen.
Solidarität mit der Ukraine, Identifikation mit dem Nationalteam zur familienfreundlichen Anstoßzeit (18 Uhr), taktische Experimente vor der Heim-EM in einem Jahr im ehrwürdigen Jubiläumsrahmen, all das griff erst einmal so spielend leicht und gelingend ineinander.
Nach dem Spiel, das die Deutschen erst per Elfmeter in der Nachspielzeit durch Joshua Kimmich ausgleichen konnten, ging es nur um eines: die unverändert großen Probleme der DFB-Elf. Wie ein Schüler, der beim Referat aus dem Konzept kommt und versichert, dass zu Hause aber alles rund lief, verwies Trainer Flick mehrmals auf die guten Übungseinheiten in den letzten Tagen. „Das, was ich im Training sehe, ist einfach auch auf einem sehr hohen Niveau.“
Wer vertraut schon der Qualität?
Schon bei den ersten zwei Belastungsproben versagte die neu formierte Dreierkette aufgrund von Abstimmungsproblemen und individuellen Fehlern, die Ukraine hatte die Partie gedreht. Oder wie Flick analysierte: „Ich glaube, dass die Mannschaft relativ schnell auch das Vertrauen in ihre Qualität verliert.“
Ebenso schnell verlor das Publikum das Vertrauen in die Qualität der Elf. Aus den „Deutschland“-Rufen wurden hämische „Werder“-Rufe. Die Identifizierung mit dem deutschen Nationalteam, das unterstrich auch diese Jubiläumspartie, ist mittlerweile komplett ergebnisabhängig. Die vielen Neuner, die auf den Bremer Rängen im DFB-Trikot saßen, frönten vor allem ihrer Liebe zu Werder-Stürmer Niklas Füllkrug. Dass dieser zur Halbzeit ausgewechselt wurde, war der Stimmung gar nicht zuträglich.
Flick hielt der Missstimmung ein Jahr vor der EM seine Erinnerung an die 1:4-Niederlage Deutschlands gegen Italien im März 2006 entgegen. „Das war eine wahnsinnig negative Stimmung und trotzdem ist es ein Sommermärchen geworden.“
Er spielte auf den dritten Platz bei der Heim-WM an. Viel Arbeit, wollte er damit sagen, hat es auch damals gegeben, nur nicht so viel Zeit dafür. Das könnte allerdings auch noch zu einem Problem werden für Flick. Hätte nicht der eingewechselte Kai Havertz aufgrund seiner individuellen Klasse den Anschlußtreffer (83.) erzielt und den späten Elfmeter herausgeholt, hätte die Frage, ob Flick der Richtige für das Team ist, schon am Montag eine ganz andere Wucht bekommen. Schließlich würde ein Trainerwechsel kurz vor der EM wenig Sinn machen.
Flick muss sich schon wieder als Erneuerer beweisen
Hansi Flick steht vor einer komplizierten Aufgabe. Fast zwei Jahre ist er schon Bundestrainer und muss sich nach dem Vorrunden-Aus bei der WM nun als Erneuerer beweisen. Sowohl personell als auch taktisch kann er nicht auf verlässliche Strukturen zurückgreifen.
Für Experimente gibt es allerdings gewiss günstigere Momente als die Länderspielphase nach einer kräftezehrenden Saison, wenn die Spieler auch mit Müdigkeit im Kopf zu kämpfen haben. Auch wenn Flick in der Partie gegen die Ukraine auf eine Viererkette umstellte, um Schlimmeres zu verhindern, will er wie angekündigt bei den nächsten Länderspielen in Polen am Freitag und am Dienstag darauf gegen Kolumbien in Gelsenkirchen den Versuch mit der Dreierkette fortsetzen. „Wir brauchen noch ein anderes System, das wir spielen wollen.“
Spiele und Siege, so hat es Hansi Flick, schon mehrfach betont, würden dabei helfen, neue Automatismen einzuüben und Selbstsicherheit zu gewinnen. Nach dem Remis gegen die Ukraine sind die Ausgangsvoraussetzungen dafür nicht einfacher geworden.
Gut eine Stunde nach dem 1.000 Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft warteten immer noch etwa 50 Fans an einem Tor vor dem Weserstadion auf die Ausfahrt der Mannschaftsbusse. Es waren vornehmlich ukrainische Fans, die wie schon im Stadion ihr Team lautstark feierten.
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