piwik no script img

32C3: Chaos Computer Club in Hamburg„Die Kapazitäten sind begrenzt“

12.000 Computer-Freaks treffen sich zwischen den Jahren zum Kongress des Chaos Computer Clubs. Vor drei Jahren lockte Hamburg die Hacker her. Ob sie bleiben?

Nerds unter sich: Beim Chaos Computer Club 2012 trafen sich die HackerInnen zum ersten Mal nach 13 Jahren in Hamburg. Foto: dpa
Marco Carini
Interview von Marco Carini

taz: Herr Hirdes, „Gated Communities“ lautet das Motto des diesjährigen „Chaos Communication Congresses“. Was bedeutet eine Zugangsbeschränkung für das Internet?

Michael Hirdes: Immer mehr Menschen werden aus ihren Geräten ausgesperrt. Bei den modernen Smartphones bestimmt der Hersteller, was ich darauf installieren kann und was nicht. Ich kann mit meinem Gerät nicht mehr tun, was ich will, sondern nur das, was der Produzent mir erlaubt. Aus diesen Gated Communities, also abgegrenzten Bereichen, müssen wir ausbrechen. Es geht dabei aber auch um allgemeine Partizipation, etwa darum, in den Erstaufnahmeunterkünften für Flüchtlinge WLAN zu installieren.

Ist das der programmatische Congress-Schwerpunkt?

Der Schwerpunkt von über hundert thematisch weitgefächerten Vorträgen und etlichen Workshops ist das Ausbrechen aus diesen Communities. Es geht aber auch darum, Menschen zusammenbringen, um über die unterschiedlichsten Themen zu diskutieren: Von politischen Themen bis hin zur Datensicherheit...

CCC-Kongress 2015

Der Kongress des Chaos Computer Clubs findet seit 2012 im CCH statt. Er beginnt am 27. Dezember um 11 Uhr und geht über vier Tage. Die Tickets sind bereits ausverkauft.

TeilnehmerInnen können Vorträge von Max Schrems, der das Safe-Harbor-Abkommen zu Fall brachte oder des Netzpolitik.org-Bloggers Markus Beckedahl hören.

Das Programm und weitere Informationen zum Kongress gibt es hier.

… die bekanntlich in den vielen Bereichen große Lücken aufweist.

Ein großes Problem ist, dass viele Menschen freiwillig sehr persönliche Daten preisgeben und – Thema Cloudcomputing – ihre Daten auf Computern anderer Leute lagern. Dann empören sie sich, wenn diese Daten am falschen Ort landen. Wir wollen aufzeigen, wie man mit Computern arbeiten kann, ohne seine Daten rauszugeben und das im Übrigen auch das gute, alte Bargeld eine feine Sache ist.

Vor allem für viele Jüngere scheint es ganz normal zu sein, viele Daten im Netz preiszugeben. Nimmt die Sensibilität gegenüber diesen Themen tatsächlich ab oder zu?

Gerade bei den jungen Leuten, die mit dem Netz aufwachsen, sehen wir häufig, dass es ihnen bewusst ist, dass sie Daten nach draußen geben und sie sehr drauf achten, dass etwa auf Partys nicht fotografiert wird. Wo ich viel größere Sorge habe, ist die Generation, die noch mit drei Fernsehkanälen aufwuchs und dann vom Internet überrollt wurde. Diese Menschen posten arglos die Fotos ihrer Kinder oder Enkelkinder und machen sich keine Gedanken darüber, dass diese Bilder dann im Netz kursieren.

Im Interview: Michael Hirdes

43, in der Hackerszene besser als „Dodger“ bekannt, ist Vorstandmitglied des Chaos Computer Clubs und arbeitet als Systemadministrator.

Hat das Bekanntwerden der NSA-Ausspähungen das Bewusstsein erhöht?

In der breiten Bevölkerung ist das Thema angekommen, allerdings sind viele Menschen hilflos, fragen sich, was sie denn tun können und haben keine Lösungsansätze.

Was wären Lösungsansätze?

Zumindest eine funktionierende Geheimdienstkontrolle und nicht eine Simulation, in der letztendlich der Geheimdienst selber entscheidet, was er parlamentarischen Kontrollgremien zur Prüfung vorlegt.

Ein anderes großes Thema war das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung. Wie gehen Sie damit um?

Die Vorratsdatenspeicherung ist ja ein Dauerthema bei uns. Wir werden uns an den Klagen gegen das Gesetz beteiligen, da die Politik auf uns und andere Experten ja nicht hört, die sagen: Vorratsspeicherung ist Blödsinn.

Nun ist das Netz aber unbestritten auch eine Plattform zur Vorbereitung krimineller Taten. Kann man vor diesem Hintergrund noch pauschal eine offenes und freies Netz fordern?

Das Briefgeheimnis ist nicht ohne Grund eingeführt worden: Wenn jemand kriminelle Energie hat, findet er immer einen Weg, zu kommunizieren. Ob das mit verschlüsselten Texten auf Papier oder im Netz passiert, macht wenig Unterschied. Man muss deswegen nicht die Kommunikation von 80 Millionen Menschen überwachen, weil ein winzig kleiner Anteil schlimme Dinge tut.

Wie fällt Ihr Urteil aus, wenn es um das Spannungsfeld zwischen Hasskommentaren und Meinungsfreiheit geht.

Meinungsfreiheit ist ein sehr hohes Gut der Demokratie – und sobald die sogenannten Hasskommentare strafrechtlich relevant werden oder Menschen mobben, wird dagegen ja vorgegangen. Die Frage ist doch: Haben wir hier ein soziales oder ein technisches Problem? Soziale Probleme können wir nicht durch Technik lösen.

Wie wichtig ist der Kongress politisch?

Wir versuchen Themen anzustoßen und den Entscheidern einmal mehr Informationen an die Hand zu geben. Inwieweit das Früchte trägt, ist schwer vorhersehbar.

12.000 Menschen haben sich bereits für den Kongress angemeldet, der 2012 aus Kapazitätsgründen von Berlin nach Hamburg umzog – und mit Mitteln aus der Kultur- und Tourismustaxe, die Privatreisende bei Hotelbesuchen zahlen, gelockt wurde. Steht wegen der großen Nachfrage wieder ein Umzug ins Haus?

Noch fühlen wir uns wohl im CCH, auch wenn seine Kapazitäten begrenzt sind.

Wie erklären sie sich das anwachsende Interesse an der Veranstaltung?

Als 1984 der erste Kongress mit 150 Leuten im Bürgerhaus Eidelstedt stattfand, war die Anzahl der Menschen, die sich mit Computern beschäftigt haben, noch sehr gering und die Grünen im Bundestag diskutieren darüber, Computer komplett aus ihren Fraktionsbüros zu entfernen, weil sie Teufelszeug wären. Heute hat fast jeder Mensch Umgang mit Computern –aus einem Nischenthema ist eines geworden, das alle angeht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!