300 Jahre Friedrich II.: Der König und sein Kriegsgericht

Das Todesurteil gegen seinen Freund war der Höhepunkt im Konflikt zwischen Kronprinz Friedrich und seinem Vater. Das Köpenicker Schloss stellt den Prozess als Gerichtsdrama aus.

Inwieweit hat das Drama um den Katte-Prozess dem späteren alten Fritz zu seiner Größe verholfen? Statue im brandenburgischen Ort Letschin im Oderbruch. Bild: dpa

Es war Preußens Tragödie des 18. Jahrhunderts. Am 5. August 1730 unternahm der preußische Kronprinz Friedrich in Steinsfurt bei Sinsheim einen Fluchtversuch. Vom Vater, dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., gequält und gedemütigt, wollte der 18-Jährige nach England fliehen. Doch der Plan flog auf, und Friedrich sowie seinem Fluchthelfer Hans Hermann von Katte wurde der Prozess gemacht. Am 6. November 1730, nur drei Monate nach der gescheiterten Flucht, wurde Katte in Küstrin geköpft. Friedrich, in Festungshaft, musste der Vollstreckung des Todesurteils beiwohnen.

"Kriegsgericht in Köpenick" heißt die Ausstellung, die sich im neuerlichen Preußenjahr - am 24. Januar wird Friedrichs 300. Geburtstag begangen - der Tragödie annimmt. Im Vordergrund steht - wie der Titel verrät - ein Stück preußische Rechtsgeschichte: Im Wappensaal des Köpenicker Schlosses saßen die 16 Kriegsrichter vom 25. Oktober bis zum 2. November über Friedrich, Katte und weitere Angeklagte zu Gericht. Und widersetzten sich schließlich dem preußischen König, der an seinem Sohn ein "Exempel statuieren" wollte.

Für die Ausstellungsmacher Jürgen Kloosterhuuis und Lothar Lambacher ist das ein Grund, nicht nur das hinreichend bekannte Personal des Dramas in Szene zu setzen, sondern auch die Richter, allesamt Adlige und Offiziere der preußischen Armee. Einfach war ihr Job nicht, bestand an der juristischen Schuld der beiden Hauptangeklagten doch kein Zweifel. Darüber hinaus stand in Preußen auf Desertion - sowohl Friedrich als auch Katte waren Offiziere der preußischen Armee - die Todesstrafe.

Vor diesem Hintergrund mutete der Urteilsspruch wie eine Sensation an. In fünf Offiziersklassen getrennt sprachen sich die Richter gegen die Todesstrafe für Katte und stattdessen für eine lebenslange Haftstrafe aus. Ein Urteil über Friedrich zu fällen lehnten sie ab. Kurzerhand erklärten sie den Kronprinzen zur persona sacra - und legten sein Schicksal in die Hände des Vaters.

Der König war entsetzt. "Sie sollen Recht sprechen", herrschte er seine Richter an und gab ihnen den Fall zurück. Doch auch der zweite Urteilsspruch brachte nicht die von Friedrich Wilhelm I. erwartete Todesstrafe für Katte. Die musste er nun selbst verhängen. Wenig später hat er sich bitter über seine Richter beschwert: Er habe geglaubt, schrieb er, "er hätte ehrliche und solche Leute erwählet, so ihre Pflicht nicht vergäßen".

Die Kriegsrichter, schreiben die Kuratoren im opulenten, aber etwas unübersichtlichen Ausstellungskatalog, "schienen wahrlich einer Erwähnung wert, mit denen der Ortsname Köpenick eben auch - und ehrenvoller als mit einem falschen Hauptmann - zu assoziieren ist". Allerdings inszeniert die Ausstellung, deren wichtigste Exponate der Wappensaal selbst, das Richtschwert und die Prozessakten sind, das Kriegsgericht in Köpenick nicht als Heldenepos wider den preußischen Untertanengeist. Vielmehr widmet sie sich auch dem menschlichen, politischen und psychologischen Setting, das das Drama erst hervorbringen konnte.

So beschreibt etwa Friedrichs Schwester Wilhelmine das Lieblingsschloss des Vaters als "Hades", während ihr Dresden, wo der 16-jährige Bruder 1728 weilte, als "Kythera" erschien, als Ort also der mythischen Aphrodite, der Göttin der Liebe. Tatsächlich war Friedrich in Dresden von der Gräfin Orzelska zum Mann gemacht worden. Der König tobte.

Nach dem Urteil musste Friedrich Wilhelm nicht mehr toben. Nur unter der Bedingung des Widerrufs durfte Friedrich zurück in die Armee und hielt seinen Anspruch auf die Thronfolge aufrecht.

Friedrich Wilhelm kommt dabei nie gut weg

Zum preußischen Königsdrama gehört auch die Rezeption. Es ist seit den Ereignissen im Herbst 1730 viel darüber diskutiert und noch mehr spekuliert worden, welche Folgen Prozess und Urteil für den späteren Preußenkönig Friedrich II. hatten. Im 19. Jahrhundert schien die Sache klar: Der böse Soldatenkönig zwang den Sohn in die Knie. Aber nur so konnte aus ihm letztendlich ein Großer werden.

Heute werden vor allem Fragen gestellt: War Friedrichs Hang zum politischen und militärischen Risiko auf die Tragödie zurückzuführen? Die Widersprüchlichkeit seiner Person? Seine Scheu vor Beziehungen? So uneinig sich die Forscher bei Friedrich sind - einer wird wohl nie als Lichtgestalt aus der Sache hervorkommen: Friedrich Wilhelm als Vater, König und am Ende auch Richter in einer Person. Zeit also, zum 200. Jahrestag seiner Regierungszeit 2013 auch dieser Figur des Dramas eine Ausstellung zu widmen.

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