30 mark mehr fürs kind: Eine andere Art von Wachstum
Ein interessanter Wandel hat sich in den vergangenen Monaten in der Politik vollzogen. Statt der Produktion steht jetzt die Reproduktion auf der Agenda. Anders gesagt: Das Kind ist in. Bevölkerungspolitisch. Denn der Schreck sitzt tief, seit Demografen mit düsteren Zahlen das Schwinden der Deutschen voraussagten. Plötzlich erstarb das Gerede über Innovationen in der Wirtschaft und über neue Technologien. Der Mensch ward wieder gefragt, genauer gesagt: der Nachwuchs.
Kommentarvon BARBARA DRIBBUSCH
Denn ohne Kinder gibt es keine Zukunft, keine Wettbewerbsgesellschaft, kein Kapitalismus. Die einfache Tatsache war fast schon in Vergessenheit geraten. Nur leider ist eben gerade die Wettbewerbsgesellschaft daran schuld, dass so viele Leute keine Kinder mehr kriegen wollen. Und deshalb gibt es ein Problem: Wie kann man da politisch eingreifen?
Eine etwas bescheidene Antwort ist das gestern verabschiedete Gesetz zur Familienförderung: 30 Mark mehr Kindergeld gibt es für das erste und zweite Kind und höhere Freibeträge für Betreuung und Erziehung. Die meisten Eltern bekommen im nächsten Jahr also ein paar Mark mehr. Aber eben nicht alle: Bei den Alleinerziehenden werden die bisherigen Steuererleichterungen durch die alten Haushaltsfreibeträge bis zum Jahre 2005 allmählich abgeschmolzen. Und den Eltern, die Sozialhilfe beziehen, wird das höhere Kindergeld sowieso wieder von der Stütze abgezogen.
In der Familienförderung herrschen also nach wie vor die alten Prinzipien: Arm bleibt arm, reich bleibt reich, Mitte bleibt Mitte. Am sozialen Gefälle wird nicht gerüttelt. Daran dürfte sich auch im Wahlkampf 2002 wenig ändern. Die Grünen wollen zwar mit einer Kindergrundsicherung vor allem ärmere Familien unterstützen, aber unter der Hand wird der Effekt dieser Förderung schon zynisch kritisiert: Dann bekommen doch ausgerechnet die sozial schwachen Familien mehr Kinder!
Wunder werden also nicht geschehen in der Familienpolitik: Stattdessen dürfte es künftig ein bisschen mehr Förderung, ein bisschen mehr Betreuungsplätze hie und da geben. Trotz dieser bescheidenen Vorstöße ist die aktuelle Debatte ums Kinderkriegen und ums Kinderhaben nicht gering zu achten: Nach dem lauten Geschwätz über Wettbewerbsfähigkeit, Technologie und Wirtschaftswachstum beschäftigt sich die Öffentlichkeit jetzt mit der Sphäre der Reproduktion. Und das ist gut.
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