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30 Jahre japanische ModeEs geht auch anders

Die Londoner Barbican Gallery lässt 30 Jahre japanische Mode Revue passieren. Die asiatischen Stardesigner haben unsere Ideen von Stoffen und Schnitten verändert.

Auch Stardesigner Issey Miyake ist dabei. Bild: Anthea Simms

In dieser Modeausstellung geht es nicht um Sexiness, ums Schickmachen und Herzeigen, um die Betonung körperlicher Vorzüge und das Kaschieren des weniger Attraktiven. Auch das Aktuellsein und damit die Schnelllebigkeit und Vergänglichkeit der Moden spielen (fast) keine Rolle: "Future Beauty: 30 Years of Japanese Fashion", eine Hommage an die japanische Avantgardemode der vergangenen 30 Jahre, führt ein ganz anderes Konzept vom Bekleiden vor.

Die Mannequins in der Art Gallery des Londoner Barbican Kulturzentrums sind von Stoffen umhüllt, mit ihnen ausgepolstert und manchmal darin eingewickelt. Doch die Körperformen darunter bleiben versteckt oder werden durch die radikalen Schnitte vollkommen verändert. Der Körper dient nur noch als Ausgangspunkt für skulpturale Stoffformationen. Die Schau zeigt: Es geht auch anders, Mode kann pure Poesie sein und zeitlos. Die meisten Stücke wären ohne museale Beschriftung kaum zu datieren.

Ein Kleid von Hiroaki Ohya scheint aus roten Papierlaternen gefertigt. Eine bronzefarbene Kreation von Koji Tatsuno hüllt die Trägerin in einen weit ausgreifenden Wirbel durchsichtiger Nylon-Wellen ein. Ein transparenter Parka von Tsumura lässt den Blick frei auf zahlreiche Innentaschen, die mit zerknüllten, beschrifteten Papieren gefüllt sind: Diesen Experimenten mit der Dreidimensionalität sind jene gegenübergestellt, die sich mit dem Gegenteil befassen: der Flächigkeit.

"Flatness" - so heißt denn auch eine Ausstellungsetappe, deren Star Issey Miyake ist. Neben seiner populären Kollektion "Pleats", die später als "Pleats Please" gelauncht wurde, ist auch sein neuestes Projekt, "132 5" zu sehen, das origamiartig komplex gefaltete, flache Mehrecke zeigt, die erst beim Auseinanderfalten als Kleidungsstücke erkennbar werden. Sie sind übrigens aus recyceltem Material hergestellt und wirken erstaunlich tragbar, einen gewissen Modemut vorausgesetzt.

Der Titel der Schau, "Future Beauty" weist auf die avantgardistische Sprengkraft dieser in den Achtzigerjahren so ungeheuer einflussreichen Mode, die tatsächlich in Teilen ausgesprochen futuristisch aussieht und auch so inszeniert ist. Kuratiert wurde sie von Akiko Fukai vom Kyoto Costume Institute, für das Design war Sou Fujimoto verantwortlich. Eine Soundinstallation von Janek Schaefer und weiße, von hohen Decken herabhängende Voile-Vorhänge verwandeln die Barbican Art Gallery in eine Science-Fiction-Winterlandschaft - eine Gestaltungsidee, die wohl auf Issey Miyakes theatralischer Modenschau zur Herbst-Winter-Kollektion 1995/96 zurückzuführen ist: in einer ähnlichen Kulisse ließ Miyake damals seine Modelle von Tänzern der Forsythe Company vorführen - und tanzen.

Die auf zwei Ebenen angelegte Ausstellung verengt ihren Blickwinkel vom Allgemeinen der ästhetischen Avantgardeprinzipien auf der Eingangsebene zum Werk einzelner Designer im oberen Stockwerk: Dazu gehören neben Miyake Junya Watanabe, Rei Kawakubo, der Mode-Poet Yohji Yamamoto - Wim Wenders Film (Aufzeichnungen zu Kleidern und Städten) über ihn ist auch in der Ausstellung zu sehen - und der subversiv-aggressive Jun Takahashi. Immer tippt "Future Beauty" die der hier gezeigten Mode zugrunde liegenden Gedanken und kulturellen Einflüsse an und wird damit zu so etwas wie einer kleinen Bildungsreise. Aber sie bleibt nicht in der Vergangenheit stecken und kündigt mit "Next Generation" an, wohin der Weg der japanischen Mode führt: hin zu farbenfrohen Inspirationen der Straßenkultur.

Die erste, einführende Etappe dieser ätherischen Schau ist mit einem Werktitel des Schriftstellers Junichiro Tanizaki überschrieben: "In Praise of Shadows". Darin beschrieb er 1933 den Schatten als Essenz der japanischen Ästhetik: So heißt es bei Tanizaki, dass die traditionelle Art, sich zu kleiden, nur den Blick auf die Hände, Füße und das Gesicht zulasse. Die Kleidung hülle den restlichen Körper, bis hin zum Schwärzen der Zähne, in Dunkelheit.

Dieser Maßgabe schienen vor allem Rei Kawakubo und Yohji Yamamoto in ihren bahnbrechenden, ersten in Paris gezeigten Kollektionen treu geblieben zu sein: Ihr Bekenntnis zur Farbe Schwarz war so einflussreich, dass es sich nicht nur in den Studios von Designern wie Martin Margiela und Ann Demeulemeester und in Arbeiten nachfolgender japanischer Generationen von Modemachern fortsetzte, sondern auch den Mainstream infiltrierte.

Heute findet sich in englischen High-Street-Ketten wie All Saints das deutliche Echo der japanischen Moderevolution der 80er Jahre - mit ihrem Hang zu reduzierten, dekonstruierten und asymmetrischen Schnitten, ihren Experimenten mit Stoff und Material und dem Mut, das Unvollkommene, Zerrissene und Abgenutzte zu Stilelementen zu nobilitieren.

So wie überhaupt der Zeitpunkt der Ausstellung über japanische Avantgardemode vielleicht kein Zufall ist. Lange nicht war deren zukunftsweisender Einfluss so deutlich spürbar wie im derzeitigen Modeklima mit seiner Betonung der Schnittarchitektur, seiner reanimierten Liebe zur Asymmetrie und einem neuen Mut zur Reduktion.

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