30 Jahre Schneesturm im Norden: Fitte Krisenstäbe
Eine erneutes Winterdrama würde heutzutage glimpflicher ablaufen, glauben Schleswig-Holsteins Katastrophenschützer.
Eine Schneekatastrophe wie in den Jahren 1978 / 79 hätte heute in Schleswig-Holstein nach Einschätzung von Experten weniger dramatische Auswirkungen als damals. Die Wetterprognosen seien präziser geworden, sagt Claus Böttcher vom Amt für Katastrophenschutz im Kieler Innenministerium. "Das verlängert die Vorwarnzeit und ermöglicht eine bessere Gefahrenanalyse." Vor allem aber sei die Katastrophenabwehr des Landes und der Landkreise sehr viel besser koordiniert und eingespielt: "Die Krisenstäbe sind sehr viel fitter." Allerdings hätten sich in diesen drei Jahrzehnten die möglichen Probleme verlagert.
Die eigentliche Katastrophe entstand damals durch tagelange Stromausfälle. Inzwischen sind fast alle Leitungen in Erdkabel verlegt, so dass es zu keinen gravierenden Störungen kommen dürfte. Dafür fahren bei der Bahn fast nur noch E-Loks: Wenn die Züge wegen Schäden an den Oberleitungen stecken bleiben, fällt auch die Heizung aus. Die festgefahrenen Dieselloks vor 30 Jahren konnten ihre Fahrgäste immerhin noch stundenlang warm halten.
Die Schließung von mehr als einem Dutzend Bundeswehrstandorten in Schleswig-Holstein findet der Katastrophenschützer nicht so gravierend. Zwar stünden dadurch schwere Geländefahrzeuge oder Räumpanzer später oder gar nicht zur Verfügung, dafür aber "haben wir jetzt eine sehr viel bessere Technik". In den Straßenmeistereien und Bauhöfen sowie beim Technischen Hilfswerk, anderen Hilfsdiensten und den Feuerwehren stünden sehr viel mehr Schneepflüge und Schneefräsen sowie allradgetriebene Fahrzeuge zur Verfügung. Es gebe jetzt "zwar weniger Helfer, aber mehr und besseres Material, das wir einsetzen können".
Von großer Bedeutung ist für Böttcher "die enorme Verbesserung der Kommunikationsmöglichkeiten". Wegen schlechter oder ausgefallener Funkverbindungen hätten vor drei Jahrzehnten in vielen Fällen Helfer von einem Einsatzort erst zur Zentrale zurückfahren müssen, um sich neue Order zu holen. "Die Funknetze sind sehr viel stabiler", sagt Böttcher, "da verlieren wir keine wichtige Zeit mehr."
Zudem könnten im Schnee Eingeschlossene ihre Position über GPS oder Navigationssysteme im Auto viel genauer angeben. Und die Möglichkeit der Handy-Ortung gebe es ja auch noch. Das Mobiltelefon allerdings kann Rettungseinsätze auch erschweren. Wenn tausende in Panik pausenlos mit Rettern oder Angehörigen telefonieren, könnte das Netz zusammenbrechen. "Die Leute sollten Notrufe abgeben, das Handy eingeschaltet lassen und auf Hilfe warten", rät Böttcher.
Im Übrigen müsse jeder selbst was tun, findet der Katastrophenschützer. Mit funktionierender Heizung, warmen Decken und einer Thermosflasche ließen sich ein paar Stunden Schneesturm auch im Auto überstehen.
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