250.000 Menschen auf den Strassen: Demos gegen Andrej Babiš
Babiš halte sich nicht an die Spielregeln der Demokratie, so die Demonstranten. Ob der die wachsende Front seiner Gegner ernst nimmt, bleibt offen.
Am Vortag der Feierlichkeiten anlässlich des 30. Jahrestags der samtenen Revolution in der Tschechoslowakei haben in Prag bis zu 250.000 Menschen gegen den tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babiš demonstriert. Von der Initiative „Eine Million Weilchen für die Demokratie“ initiiert forderten sie erneut den Rücktritt des Milliardärs slovakischer Herkunft, der seit 2017 Regierungschef in Prag ist. Babiš halte sich nicht an die Spielregeln der Demokratie, konzentriere zu viel Macht in seinen Händen und beeinflusse die Justiz, erklärten die Organisatoren der Proteste. Ultimativ verlangten sie die Trennung Babiš von seiner Firma Agrofert und die Entlassung von Justizministerin Marie Benešová. Ansonsten würden die Demonstrationen im nächsten Jahr weiter gehen.
„Es ist toll, dass die Leute ihre Meinung sagen können, ohne dass sie jemand verfolgt oder angreift“, kommentierte Babiš die Forderungen der Demonstranten. Das habe man doch vor dreißig Jahre gewollt. Die Dynamik der Anti-Babiš-Proteste hat auch nach der großen Demonstration vom Sommer und einer vierteljährlichen Pause nichts von ihrem Antrieb verloren. Schon im Juni hatten mehr als 250.000 Menschen einen bunten Anti-Babiš-Karneval gefeiert. Dass fünf Monate später erneut so viele Tschechinnen und Tschechen den Rücktritt des Regierungschefs fordern, zeugt davon, dass sie es ernst meinen.
Ob Andrej Babiš die wachsende Front seiner Gegner ernst nimmt, bleibt offen. Der Jahrestag der Revolution sei der „bedeutendste Feiertag“ des Landes, erklärte dieser. „Es ist toll, dass wir freie und demokratische Wahlen haben, in denen wir unsere Vertreter frei wählen können.“
Die Größe der Demonstration gegen Babiš kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der der Korruption und des Subventionsbetrugs verdächtige Regierungschef im Land sehr beliebt ist. Wenn am kommenden Sonntag Wahlen wären, würden Babiš und seine ANO-Bewegung erneut stärkste politische Kraft werden, ist Umfragen zu entnehmen.
Der ebenfalls umstrittene tschechische Präsident Miloš Zeman meldete sich schon am Freitag aus der slovakischen Hauptstadt Bratislava, wo er den Jahrestag des politischen Umbruchs mit seiner slowakischen Amtskollegin Zuzana Čaputová feierte. Er werde sich nicht dazu herablassen, die Initiative „Eine Million Weilchen für die Demokratie“ als faschistisch zu bezeichnen, erklärte er. „Ich betrachte diese Bewegung aber als undemokratisch.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen