piwik no script img

25 Jahre Mykonos-AttentatAls der Iran seine Mörder schickte

Vor 25 Jahren wurden in einem Restaurant in Berlin vier iranisch-kurdische Politiker erschossen. Der Prozess gegen die Mörder war ein internationales Politikum.

Die Hauptangeklagten im „Mykonos“-Prozess, Kazem Darabi (l) und Abbas Rhayel (r), sitzen während der Urteilsverkündung am 10. April 1997 auf der Anklagebank im Gerichtssaal Berlin-Moabit, im Vordergrund Rechtsanwalt Michael Kaiser Foto: Zeichnung: dpa

Auf dem Gehweg vor dem Haus Prager Straße 2a in Wilmersdorf steht eine unscheinbare Tafel in Edelstahl. Sie erinnert an die Opfer des sogenannten Mykonos-Attentats: Am 17. September 1992 wurden in dem gleichnamigen Restaurant, das es heute nicht mehr gibt, vier iranisch-kurdische Politiker ermordet. Solch kleinen Gedenkorten wird ja im Alltag selten viel Aufmerksamkeit geschenkt. Doch als die Tafel vor ein paar Wochen verschwand, war die Aufregung unter Berliner Iranern groß. Dahinter stecke bestimmt das Mullahregime in Teheran, mutmaßten einige in sozialen Netzwerken.

Völlig abwegig war die These nicht: Als die Gedenktafel 2004 aufgestellt wurde, schrieb der damalige Bürgermeister Teherans, der spätere iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad, einen Brief an den damaligen Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, in dem er die Tafel als Beleidigung des Irans bezeichnete. Und so viel ist auch wahr: Das Mykonos-Attentat und der Prozess am Berliner Kammergericht gegen die Mörder haben in gewisser Weise Weltgeschichte geschrieben.

„Es war der erste und meines Wissens auch der bislang einzige Prozess, in dem der iranische Staat als Täter genannt wurde“, erzählt Bruno Jost. Der frühere Bundesanwalt – und heutige Sonderermittler des Senats zum Breitscheidplatz-Attentäter – wies damals als Ankläger nach, dass hinter dem Organisator des Anschlags, dem Iraner Kazem Darabi, und seinen drei libanesischen Helfern der iranische Geheimdienst stand. Der Mordauftrag war von höchsten staatlichen Stellen abgesegnet worden.

Das Urteil, verkündet im ­April 1997, löste ein politisches Erdbeben aus. „Es folgten Monate der Eiszeit zwischen Europa und Iran“, erinnert sich Hamid Nowzari, Gründer und Vorsitzender des Vereins iranischer Flüchtlinge in Berlin, der für den heutigen Samstag eine Gedenkveranstaltung zum 25. Jahrestag des Anschlags organisiert hat.

25 Jahre Mykonos-Attentat

Der Verein iranischer Flüchtlinge in Berlin und das Komitee zur Unterstützung der politischen Gefangenen im Iran laden für diesen Samstag, den 16. September, zu einer Gedenkveranstaltung in die Werkstatt der Kulturen in Neukölln ein (19 Uhr, Wissmannstraße 32). Hauptredner ist Bruno Jost, Bundesanwalt a. D., der damals die Ermittlungen gegen die Mörder und ihre Hintermänner in der iranischen Regierung leitete. Er wird über juristische Aspekte des Mykonos-Prozesses sprechen. Die Anthropologin Chowra Makaremi redet danach über „Verbrechen und Verleumdung in Iran heute“.

Am Sonntag, 17. September, treffen sich oppositionelle iranische Gruppen, darunter die Demokratische Partei Kurdistan- Iran, ab 12 Uhr zur Kranzniederlegung an der Gedenktafel am Tatort Prager Straße 2a. (sum)

Die Anklage passte der Politik gar nicht

Vor allem in Deutschland, das als einziges westliches Land den „kritischen Dialog“ mit den Mullahs suchte, sei man entsetzt gewesen über die „Frechheit“ der Iraner, so Nowzari. Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes wurden ausgewiesen, gegen den Minister für Nachrichtendienste und Sicherheitsangelegenheiten, der kurz vor Prozessbeginn noch im Kanzleramt zu Besuch gewesen war, wurde Haftbefehl erlassen. Die EU brach, zumindest kurzzeitig, ihre Beziehungen zum Iran ab.

Dass es so weit kam, passte der damaligen Bundesregierung überhaupt nicht. Schließlich bestand ihr „Dialog“ (wie heute auch) vor allem im Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zur „Islamischen Republik“. „Die hätten den staatsterroristischen Hintergrund lieber außen vor gelassen“, so Nowzari, der keinen Verhandlungstag in den dreieinhalb Jahren des Prozesses verpasste. Jost verweist bei der Frage, ob man damals politischen Druck auf ihn ausgeübt habe, auf seine Schweigepflicht: „Sagen wir es mal so: Die Freude der Bundesregierung hielt sich in Grenzen.“

Für Berliner Iraner – zumindest die Oppositionellen unter ihnen – ist der 17. September bis heute ein wichtiger Tag. „Es geht um das Gedenken an die Opfer, ein solches Verbrechen verjährt nicht“, sagt Nowzari. Drei der vier Mordopfer waren führende Vertreter der Demo­kratischen Partei Kurdistans (DPK-I), die auf Einladung des damaligen SPD-Vorsitzenden Björn Engholm auf dem Kongress der Sozialistischen Internationale in Berlin zu Gast waren.

Und sie waren nicht die ersten Oppositionellen, die das Regime im Ausland töten ließ. Es gab eine Kette von Anschlägen gegen Iraner in Europa. Aber erst durch den Berliner Prozess sei aktenkundig geworden, so Nowzari, „was wir Oppositionelle schon lange sagten: dass der Iran dahinterstand. Das war ein historischer Meilenstein.“

„Schon ein bisschen Angst“

Nach dem Urteil hörten die Anschläge in Europa schlagartig auf. Dazu habe der Prozess „zumindest beigetragen“, meint auch Jost. Iraner Oppositionelle, die auch im Exil lange in Angst leben mussten, begannen ­langsam, sich sicherer zu fühlen.

Was nicht bedeutet, dass der iranische Geheimdienst hierzulande nicht mehr aktiv wäre, sagt Nowzari: Oppositionelle wie er würden unverändert unter dessen Beobachtung stehen. Sein Verein sei schon mehrfach von deutschen Geheimdiensten gewarnt worden, dass jemand versuche, sie zu infiltrieren. Daher würde er, wie viele andere IranerInnen, auch nicht in die alte Heimat fahren: „Ich habe schon ein bisschen Angst, denn ich gehe davon aus, dass ich bei denen auf der Liste stehe.“

Für die Sache mit der verschwundenen Gedenktafel ist der iranische Staat jedoch nicht verantwortlich. „Ich bin schuld“, gesteht Nowzari. Die Tafel habe nach 13 Jahren ziemlich schäbig ausgesehen, da habe er das Kulturamt von Charlottenburg-Wilmersdorf gebeten, sie zu erneuern. Pünktlich zum Jahrestag ist sie nun wieder da.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare