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242 Milliarden für Japans Aufschwung

Japanische Regierung bewilligt größtes Konjunkturprogramm der Geschichte / Maßnahmen schließen spätere Steuererhöhungen vorerst aus / Regierungskrise abgewendet  ■ Aus Tokio Georg Blume

Nach tagelangen Krisenberatungen, die zeitweise den Bestand des Kabinetts gefährdeten, hat die japanische Regierungskoalition gestern entschieden, den angenehmen Teil einer umstrittenen Steuerreform vorzuziehen und das bittere Ende auf später im Jahr zu verschieben. So bewilligte die Regierung unter Ministerpräsident Morihiro Hosokawa das größte Konjunkturprogramm der japanischen Geschichte, ohne jedoch über dessen Finanzierung zu beschließen. Konkret werden dem Bürger Steuersenkungen im laufenden Jahr in Höhe von 88 Milliarden Mark versprochen. Die Summe entspricht fast einem Viertel der Einnahmen aus der Einkommensteuer des Landes. Darüber hinaus gehören öffentliche Investitionen und Kredite in Höhe von 154 Milliarden Mark zu dem Maßnahmenkatalog. Zusammengerechnet ist das Konjunkturpaket damit 242 Milliarden Mark schwer.

Aufgrund der Erfahrung mit bisherigen Programmen dieser Art handelt es sich jedoch nur zu einem Teil um wirklich neue Gelder. „Von den Maßnahmen im Umfang von 485 Milliarden Mark, die seit August 1992 in drei Etappen von der Regierung als Konjunkturprogramme präsentiert wurden, waren nur 193 Milliarden Mark nicht ursprünglich eingeplant“, berichtet Jesper Koll, Chefökonom des britischen Wertpapierhauses Warburg Securities.

Trotzdem bezeichnen Beobachter die Konjunkturmaßnahmen überwiegend als Erfolg. Private Institute gehen in Japan für 1993 von einem Minuswachstum von 0,3 Prozent aus. Ohne die Eingriffe des Staates hätte das Minuswachstum nach den Auffassungen der Experten 1993 zwischen 1,5 und 2 Prozent gelegen. Die Verabschiedung neuer Maßnahmen aber war dringend erforderlich: Spätestens im Mai wären die zuvor bewilligten Gelder verbraucht gewesen. Bei weiterhin schlechter Wirtschaftslage hätte dies zu einem jähen Konjunktureinbruch führen können, den die Regierung nun aller Voraussicht nach zu verhindern weiß. Trotzdem bleiben die Wachstumsaussichten ungewiß: „Die geplanten Steuersenkungen werden im Bilanzjahr 1994 0,75 Prozent und 1995 ein Prozent mehr Wachstum bringen“, prophezeit Hisashi Inoue, Chefökonom beim japanischen Wertpapierhaus Nikko. Doch auch Inoue warnt vor den Folgen einer späteren Steuererhöhung, welche die Einnahmenverluste des Staates in der Rezession später wieder ausgleichen soll.

Tatsächlich hatte Premier Morihiro Hosokawa zu diesem Zweck die Erhöhung der Mehrwertsteuer von drei auf sieben Prozent ab dem 1. April 1997 vorgeschlagen, war damit jedoch auf den erbitterten Widerstand seiner sozialdemokratischen Regierungspartner gestoßen, die mit dem Austritt aus der Koalition drohten. Der gestern verabredete Kompromiß sieht nun vor, über Steuererhöhungen erst im kommenden Herbst zu beschließen. Das ist ein Erfolg für die Sozialdemokraten und gleichzeitig eine Überlebensfrist für Hosokawa. Der muß nun am Ende der Woche nach Washington reisen und dem amerikanischen Präsidenten Bill Clinton seine Konjunkturmaßnahmen als Hilfswerk für die Weltwirtschaft verkaufen.

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