: 2+4-Garantie für Polens Westgrenze
■ „Endgültige Erklärung“ zur Grenzfrage statt Friedensvertrag / Warschau erleichtert und zufrieden
Paris/Bonn/Warschau (ap/dpa) - Mit einer Garantie der polnischen Westgrenze bei den Zwei-plus-vier-Gesprächen der Außenminister in Paris ist am Dienstag die letzte außenpolitische Hürde auf dem Weg zur deutschen Einheit überwunden worden. Polens Außenminister Skubiszewski hatte sich zuvor mit der Unterzeichnung eines Grenzvertrags nach der Vereinigung Deutschlands einverstanden erklärt und auf weitere Sicherheiten verzichtet. Bundesaußenminister Hans -Dietrich Genscher sagte Polen rasche Gespräche über zusätzliche Wirtschaftshilfe zu.
Das Problem der polnischen Westgrenze fand auf der Grundlage von fünf Prinzipien eine endgültige Regelung. Sie betreffen den Territorialstatus des vereinten Deutschlands, die Verfassungs- und Grenzgarantien (siehe Dokumentation).
Polens Außenminister Skubiszewski hatte daran erinnert, daß in zahlreichen seit 1945 unterzeichneten internationalen Dokumenten auf den provisorischen Charakter der deutsch -polnischen Grenze bis zum Abschluß eines Friedensvertrages hingewiesen wurde. Die vier Mächte haben die Formel einer „endgültigen Regelung“ vorgezogen, um die Komplikationen eines Friedensvertrages mit den zahlreichen Ländern zu vermeiden, die Deutschland den Krieg erklärt hatten. Warschau hatte auf dieser rechtlichen Garantie der vier Siegermächte bestanden.
Mit sichtlicher Erleichterung und großer Zufriedenheit reagierte Warschau auf die Ergebnisse der Gespräche. Im Vorfeld der Zwei-plus-vier-Konferenz von Paris hatte man in Warschau manchmal den Eindruck, daß Bonn die unmißverständlichen, aber völkerrechtlich unverbindlichen Entschließungen der deutschen Parlamente zur Oder-Neiße -Grenze lediglich als Vorwand nutzen will, um nach der Vereinigung den Grenzvertrag über Monate hinauszuzögern und immer neue Bedingungen an eine endgültige Grenzanerkennung zu knüpfen. Dies war auch der wesentliche Grund, weshalb Warschau plötzlich den Versuch machte, ein Junktim zwischen dem Grenzvertrag und dem Erlöschen der Vorbehalte der Großmächte herzustellen. Außenminister Skubiszewski sorgte offenbar wieder für ein gutes Gesprächsklima in Paris, indem er den Vorstoß als ein „Mißverständnis“ darstellte.
Mit der Zusicherung der beiden deutschen Staaten, daß der endgültige Grenzvertrag in „kürzestmöglicher Zeit“ nach der Vereinigung unterschrieben wird, scheinen die Befürchtungen ausgeräumt. Einvernehmen war aus Warschauer Sicht auch nach dem Besuch von Bundeskanzler Kohl in Moskau leichter. Polen hatte sich schon immer gegen einen Sonderweg für Deutschland und für eine europäische Lösung ausgesprochen. Die Ankündigung wirtschaftlicher Gespräche zwischen Bonn und Warschau fallen ebenso ins Gewicht.
Die Einigung über die Westgrenze Polens ist in Bonn parteiübergreifend begrüßt worden. Lediglich der Bund der Vertriebenen warnte vor einer „totalen Preisgabe deutscher Gebiete und Rechte“ in Polen und forderte Wiedergutmachung.
Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher erklärte am Mittwoch im Deutschlandfunk, die polnischen Befürchtungen, der Abschluß eines Grenzvertrages könnte sich für längere Zeit verzögern, seien „voll ausgeräumt“. Die Außenminister der Bundesrepublik und der DDR sowie der vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges könnten jetzt an die Formulierung des Schlußdokuments gehen, dessen Text bereits bei dem nächsten Treffen im September in Moskau vorliegen könnte.
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