23. Verhandlungstag im NSU-Prozess: Ein äußerst hilfsbereiter Aussteiger

Der Angeklagte Holger G. will bereits 2004 aus der rechten Szene ausgestiegen sein. Doch er half dem NSU-Trio offenbar bis zuletzt.

Zähes Ringen um ein Geständnis: Holger G. im Oberlandesgericht München. Bild: dpa

MÜNCHEN taz | Er besorgte dem Trio Dokumente und eine Waffe – so viel hatte Holger G. bereits in seinem vor Gericht verlesenen Statement erklärt. Am 23. Verhandlungstag vor dem Oberlandesgericht in München wurde nun der Beamte befragt, der G. nach seiner Festnahme im November 2011 mehrfach vernahm. Das Geständnis des mutmaßlichen NSU-Helfers war demnach ein recht mühsamer Prozess.

Nur scheibchenweise erklärte der 39-jährige Lagerist, wie er das Trio unterstützt hatte – oft nur, nachdem die Beamten ihn mit Asservaten aus dem mutmaßlich von Beate Zschäpe angezündeten Haus in der Zwickauer Frühlingsstraße konfrontierten. Holger G. hat sich nach eigenen Angaben 2004 aus der rechten Szene gelöst. Kontakte in die Szene unterhielt er trotzdem. Auch den alten Freunden half er bis zuletzt.

1997 war G. von Jena nach Lauenau bei Hannover umgezogen. Dennoch telefonierte er weiterhin regelmäßig mit dem Trio. 1998 spendete er den Untergetauchten 3.000 Mark. Später lieh er Böhnhardt seinen Reisepass, mit dessen Hilfe das Trio Wohnmobile anmietete und laut Anklage Morde und Raubüberfälle beging. Später kamen Führerschein, ADAC- und Krankenkassenkarte hinzu.

Ferner lud das Trio G. nach Usedom, Flensburg und Lübeck ein, um ihn sogenannten „Systemchecks“ zu unterziehen. G. durfte sein Mobiltelefon nicht mitnehmen und sprach die drei mit „Gerry“, „Max“ und „Lisa“ an. Nach den ersten Banküberfällen übergab Zschäpe Holger G. 10.000 Euro zur Verwahrung.

Die Waffe war scharf

Im Jahr 2000 oder 2001 überbrachte G. schließlich im Auftrag des Mitangeklagten Ralf Wohlleben eine Waffe – und sah zu, wie einer der „Uwes“ diese lud. Die Waffe war also scharf.

2005, also nach seinem angeblichen Ausstieg, besorgte G. eine Krankenkassenkarte für Zschäpe. Für 300 Euro habe er die Karte einer Bekannten „abgequatscht“, sagte G. aus. Der Mann jener Bekannten verfügte über Kontakte zum rechtsextremen Netzwerk Blood & Honour und zum Rockerclub Hells Angels in Hannover. 2005 traf er Wohlleben bei einer rechten Kundgebung in Berlin, im selben Jahr marschierte er bei einer Nazi-Demo in Braunschweig mit.

Im Mai 2011 standen die alten Freunde wieder vor der Tür: Der Reisepass war abgelaufen. Holger G. half erneut – und beantragte einen neuen.

Dieser Artikel entstand in Kooperation mit Radio Lora München.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Mit der taz Bewegung bleibst Du auf dem Laufenden über Demos, Diskussionen und Aktionen gegen rechts.

Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.