2010 ist Afrika-Jahr: Auf welches Afrika setzen wir?
Zehn taz-AutorInnen beschreiben das Afrika, das sie ins neue Jahrzehnt mitnehmen und auf das sie 2010 ihre Hoffnungen setzen.
D ie Fußballweltmeisterschaft in Südafrika rückt den afrikanischen Kontinent ins Zentrum der Medienmaschinerie. Afrika, lange in der internationalen Wahrnehmung marginalisiert, wird weltweit in die Wohnzimmer flimmern. Was ist das für ein Afrika, das da auf uns zukommt?
Afrika als junger Zukunftskontinent, der neues Selbstbewußtsein ausstrahlt? Afrika als alter Krisenherd, der die Welt destabilisiert und wo die schlimmsten Verbrechen möglich sind? Wie stehen die Chancen, dass mit der Landung des Ufos namens FIFA endlich die sehr unterschiedlichen Alltage in afrikanischen Gesellschaften in den Blick genommen werden?
Zehn taz-AutorInnen beschreiben hier das Afrika in das sie ihre Hoffnungen setzen:
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Afrika ist ein Klischee
Alle Afrika-Klischees sind falsch, denn Afrika ist selbst ein Klischee. Wer über den Kontinent verallgemeinert, befriedigt gewöhnlich seine eigenen Interessen.
Im Jahr 2010 werden Sportverbände den Fußballkontinent Afrika beschwören, Wirtschaftsverbände die ökonomischen Chancen, Hilfswerke die humanitären Katastrophen. Manchmal werden sie dabei sogar über dieselben Länder reden. Das klingt dann in der Summe schön differenziert. Aber in Wahrheit ist es eine Ansammlung interessengeleiteter Blicke von außen.
Es gibt Jahre, in denen scheint Betrachtern Afrikas die rosarote Brille vorgegeben zu sein. 1994 war so ein Jahr. Südafrika überwand seine Apartheid, alles sollte gut werden. Dann fand genau zur gleichen Zeit in Ruanda der Völkermord statt. Das war nicht vorgesehen und wurde daher erst bemerkt, als Mandela am Kap Präsident war. Für Ruanda war das über einen Monat und eine halbe Million Tote zu spät. So kann es kommen, wenn der Wunsch die Realität verdrängt.
2010 könnte wieder so ein Jahr werden. Explosive Wahlen in Sudan, Äthiopien, Tschad und Tansania, dazu in Ruanda und Burundi, umgeben vom Feuerring der Konflikte in Somalia und Kongo. Zerfallende Staatswesen in Guinea und Madagaskar werden ein Übriges tun. Die möglichen Konfliktherde sind alle bekannt. Was ist, wenn sie hochgehen? Wird man sagen: Afrika ist doch auf gutem Wege, da lassen wir uns nicht von ein paar Leichen stören?
Anders als früher, als Afrika international ignoriert wurde, gibt es inzwischen ein gemeinsames Interesse der Machthaber in Afrika und weltweit an rosaroten Brillen. Die Welt will kein afrikanisches Elend mehr sehen, die afrikanischen Staaten wollen es nicht mehr zeigen. Die Kunst, Armut und Unterdrückung mit einer bunten Fassade zu tarnen, ist besser für Geschäft und Selbstbild. Aber man darf die gegenläufige Kunst, hinter die Fassade zu blicken, nicht verlernen und nicht verbieten. Afrika als positives Klischee ist nicht korrekter und mindestens genauso menschenverachtend wie das frühere Elendsbild. Es ist Zeit, sich vom selektiven Blick zu verabschieden.
DOMINIC JOHNSON ist Afrika-Redakteur der taz.
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Ich will Alltag sehen
Ich will andere Bilder sehen vom Kontinent. Ich will Stimmen von Menschen hören, die morgens aufstehen, zur Arbeit gehen, ihren Job machen und am Abend wieder zu Hause sind. Ich will Alltag sehen und Normalität, denn nur so lernen wir endlich, unseren Nachbarkontinent Afrika zu verstehen. Oder besser: die vielen Afrikas, denen wir dort begegnen können.
Klar, der Krieg im Kongo ist zu wichtig, um ihn zu vernachlässigen. Und neue Bodenschätze schaffen wieder neue Abhängigkeiten und Konflikte. Im südlichen Teil Afrikas sterben tatsächlich jeden Tag viel zu viele Menschen, weil HIV und Aids nicht wichtig genug sind für die Politik. Und den Hunger gibt es auch, den grausamen Tod, der daraus resultiert, dass Leute nicht ihren nötigen Anteil an der Nahrung erhalten.
Aber die Geschichte von dem Mann und der Frau, die heute essen und morgen nicht, dabei Musik machen oder malen, so alltäglich in so vielen Ländern südlich der Sahara, die wird nicht aufgeschrieben. Das nämlich brächte viel Nähe, und diese wiederum verlangte das Aushalten von Differenz. Würden wir Europäer den Alltag und seine Probleme ernst nehmen, dann wüssten wir, dass die größte Gefahr für die WM-Touristen in Südafrika nicht in der Kriminalität liegt, sondern im Straßenverkehr.
2010 will ich keine Zitate von Taxifahrern lesen müssen. Ich will trotz WM keine staubigen Fußballplätze mehr sehen. Niemand soll mir mit Stämmen und Ethnien kommen, der sich nicht ein bisschen mit Traditionen und ihrem Ursprung beschäftigt hat. Und wer über Korruption redet, soll auch erwähnen, wo das Geld herkommt, mit dem die afrikanische Politik bestochen wird. Ist das schon zu viel verlangt?
MAX ANNAS ist Journalist und Buchautor.
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Ein neues Afrika
Mein Afrika im Jahr 2010 sieht so aus: ein Afrika, dessen Bürger sich in ihre eigenen Angelegenheiten einmischen können. Ein Afrika, dessen Menschen ihre frustrierende Kultur der Trägheit aufgeben und beginnen, ihre Machthaber und selbst ernannten Vertreter infrage zu stellen. Ein Afrika, das korrupte Verwandte und Freunde nicht länger schützt und in dem man gegen fehlgeleitete oder böswillige Herrscher vor Gericht ziehen kann.
Es ist ein Afrika, das seine Prioritäten neu ordnet. Bildung, Gesundheit, Landwirtschaft, Armutsbekämpfung und Jugendförderung werden Kerngebiete der Politik und Wirtschaft. Angepasste Entwicklungsziele werden erforscht und geplant. Die Führer lieben ihre Bevölkerung und treten für deren Interessen ein, statt sich als verborgene Agenten westlicher imperialer Interessen zu gerieren und damit genau jene Menschen ins Elend zu treiben, die sie einst gewählt und ihr Schicksal in ihre Hände gelegt haben.
Das Afrika, das ich 2010 erwarte, wird nicht länger als ständig am Rande der Finsternis taumelnd angesehen; es ist nicht das Objekt mitleidigen Fingerzeigens aus dem Rest der Welt; es ist nicht das Subjekt einer anscheinend unlösbaren Seinskrise; es löst sich aus Kriegen, Hungersnöten, Niedrigwachstum und verratener Demokratie. Es ist ein Kontinent von Hoffnung und Licht, der von seinem selbst verschuldeten Tod erwacht und hart daran arbeitet, sein Potenzial zu realisieren.
Darauf, auf diese Wünsche und Träume, setze ich im Jahr 2010. Es wird ja vermutlich nicht so kommen. Aber der Kontinent und seine Völker könnten damit mal ernsthaft anfangen.
JAHMAN ANIKULAPO ist Chefredakteur der Sonntagsausgabe von Nigerias größter Tageszeitung Guardian.
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Unerledigte Einheit
Die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika 2010 soll auf ganz Afrika ausstrahlen, Investoren und Touristen im südlichen Afrika insgesamt anlocken. Aber die Fassade der Einheit verbirgt wachsende Divergenzen. Die Länder des südlichen Afrika sind sich uneins über Freihandel zwischen ihrer Region und der EU. Und auch in anderen Ländern nimmt die Verwirrung beim Freihandel zu, weil Europa gegenüber Afrika weiterhin die alte römische Imperialstrategie "Teile und herrsche" anwendet.
Schon vor der WM in Südafrika findet im Januar in Angola der Afrika-Cup CAN statt. Dieses straff geführte ehemalige Bürgerkriegsland, heute in einem gigantischen Ölboom, steckt mitten in einem riesigen Wiederaufbauprogramm. Wenn ein erfolgreicher Verlauf der WM in Südafrika positiv auf Afrika ausstrahlen soll, könnten negative Begleiterscheinungen bei der CAN in Angola sich negativ auf den Kontinent auswirken. Und sei es nur, dass Fußballfans nicht einreisen dürfen, weil man sie für illegale Einwanderer aus Westafrika hält.
Freier Waren- und Personenverkehr in Afrika ist noch ein ferner Traum. Das wird auch Thema sein, wenn im Laufe des Jahres 17 afrikanische Länder, von Senegal bis Somalia, den 50. Jahrestag ihrer Unabhängigkeit feiern. Es wird der Zeitpunkt für eine Bilanz sein, aber die wird nicht einfach und vor allem nicht einheitlich ausfallen. Manche Länder stecken tief in der Krise, andere haben eine reale, wenn auch unperfekte Demokratie aufgebaut. Auch die ökonomische Entwicklung ist ungleich, vor allem weil der Aufbau panafrikanischer Verkehrswege nicht vorankommt. Afrika im Jahr 2010 bleibt ein Grenzkontinent, wo alles erst noch zu tun ist.
FRANÇOIS MISSER ist taz-Afrika-Autor in Brüssel.
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Nimm mich mit!
Goldig sind sie. Fünfzehn Jungs sitzen im Kreis und erzählen ein bisschen etwas von sich. Dass sie Fußball lieben zum Beispiel. Einer sagt, dass Didier Drogba der beste Fußballer Afrikas ist und dass bei der nächsten WM die Elfenbeinküste gegen Brasilien im Finale spielen soll. Einmal pro Woche sitzen sie im Kreis zusammen und reden, danach spielen sie Fußball. Eine psychosoziale Hilfseinrichtung in einer elenden Siedlung bei Johannesburg organisiert das. Manchmal kommen weiße Journalisten aus dem Norden und lassen sich zeigen, wie die Jungs so leben.
So sitze auch ich als Teil einer Journalistengruppe vor den Buben und freue mich über jede schüchterne Antwort auf unsere Fragen. Was erwartest du von der WM 2010? Einer sagt, ich möchten Cristiano Ronaldo sehen. Es ist der Kleinste, der das gesagt hat. Ein ganz Süßer, da sind wir weißen Besucher uns einig. Zwischen zwölf und sechzehn Jahre sind die Jungs alt, die hier im Kreis sitzen. Der süße Kleine ist so groß wie mein achtjähriger Sohn. Weil er so früh so viel geraucht hat, meint eine Betreuerin, ist er nicht größer. Weil er so früh mit Drogen gedealt hat, muss man sich um ihn kümmern. Die Betreuer machen das mit großem Engagement und strahlen dennoch aus, dass all ihr Tun eigentlich sinnlos ist.
Auch ihr könnt uns Fragen stellen, sagen wir. Der Kleine ist plötzlich gar nicht mehr schüchtern. Was könnt ihr für mich tun, damit ich Fußballstar werde?, fragt er. Wir lachen. Ich bin gut, sagt er. Wir lachen. Er schaut mich an. Nimm mich doch mit. Wenn ich bei euch bin, werde ich es dir beweisen. Mitnehmen. Wir lächeln. So einfach stellt der sich das vor. Süß. Eine Stunde später lasse ich mich über ein anderes Hilfsprojekt informieren.
ANDREAS RÜTTENAUER ist Sportredakteur der taz.
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Licht zum Lesen
Runde, viereckige oder rechteckige Häuser, die abends erleuchtet sind. Das wäre nicht nur ein tolles Bild, das würde auch den Traum von etwa einer halben Milliarde Afrikaner erfüllen, die in Armut leben. Die meisten von ihnen können sich ein billiges Handy leisten, Elektrizität aber ist jenseits ihrer Möglichkeiten.
Sonnenenergie könnte die Lösung bringen. Schließlich hat Afrika mehr als genügend Sonne. Doch sie erfordert große Investitionen, die Zellenplatten sind sehr teuer. Bislang ist den Großkonzernen das finanzielle Risiko zu groß. Viele Afrikaner hängen - hoffentlich - dem Aberglauben an, die Ölgesellschaften steckten dahinter, um die Konkurrenz zu neutralisieren.
Die UNO und andere Hilfsorganisationen halten die Entwicklung von Solaranlagen für Afrika zu kompliziert. Die Zellenplatten könnten geklaut werden oder kaputt gehen, außerdem mangele es an Experten. Dabei versuchen viele in Afrika, aus billigem Spiegelglas oder selbst Plastik Zellenplatten zu entwickeln. Aber wie sie auch betteln, keine internationale Organisation ist daran interessiert, sie zu unterstützen.
Was für ein Unterschied Sonnenenergie macht, habe ich bei einem kenianischen Bekannten gesehen. Mutiga sparte für eine Sonnenenergielampe, die 35 Euro kostete. Da er nun kein Lampenöl mehr zu kaufen braucht, bleiben ihm monatlich 5 Euro mehr. Mit diesem Geld kann er sechs Tage lang seine vierköpfige Familie ernähren.
Seine beiden Kinder brauchen gutes Licht, um ihre Schulaufgaben zu machen. Mutiga investierte in die Solarlampe, weil er und seine Frau fest daran glauben, dass die Kinder durch eine Schulausbildung der Armut entkommen können.
ILONA EVELEENS ist taz-Korrespondentin in Nairobi.
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Afrikanischer Pop
Der Spätsommer geriet heiß in Großkarlbach. "Afropop mit Jazz, entspannter Reggae, sinnliche Rumbarhythmen und französischer Rap, kurz: Weltmusik made in Kinshasa/Stuttgart", gelangten zur Aufführung beim Sommerfest des örtlichen Kunst- und Kulturvereins. Vor dem Konzert, berichtete Die Rheinpfalz, war das Publikum in einem "einstündigen Schnupper-Workshop in afrikanischen Tanz" eingewiesen worden. Sogar einige Männer hatten "sichtlich ihren Spaß bei Beckenkreisen, Brustakzenten und Stampfschritten".
Außerhalb von Großkarlbach allerdings weiß man inzwischen, dass afrikanische Popmusik längst nicht mehr im Buschröckchen daherkommt, sondern sich an weltweiten Standards orientiert, seien es HipHop, Rock oder Techno.
Doch in dem Moment, in dem das reale Afrika durch die Musik schimmerte, interessiert es das westliche Publikum leider nicht mehr. Auch als pünktlich zur Zehnjahresfeier des Endes der Apartheid in den deutschen Medien der House-Hybrid Kwaito als Musik des neuen Südafrika gefeiert wurde, blieben kommerzielle Folgeerscheinungen seltsamerweise aus. Die südafrikanischen Superstars Mandoza und Zola erwiesen sich als nicht geeignet für eine globale Karriere, denn Kwaito war urbaner Pop und bediente keine verklärten Vorstellungen von Afrika.
Folglich besannen sich einschlägige Labels wieder auf die Vergangenheit. Unter Titeln wie "Golden Afrique" (eine Reihe des Frankfurter Labels Network) verklären sie vor Jahrzehnten verklungene Grooves zum goldenen Zeitalter. Das moderne Afrika ist in den alten Songs natürlich nicht zu finden. Ebenso wenig wie beim Sommerfest in Großkarlbach.
THOMAS WINKLER ist Musik- und Sportjournalist der taz.
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Wo ist das afrikanische Kino?
Mein größter Wunsch wäre, dass Professor Grzimek endlich die Deutungshoheit über unser Afrika-Bild verliert.
Deutschlands beliebtester Fernsehtierschützer starb vor bald dreißig Jahren. Doch noch immer dient seine Haltung als offenbar nie versiegende Inspirationsquelle für die Drehbuchautorinnen hiesiger Afrika-Geschichten. Grzimek galt der Mensch - also der Afrikaner - als Eindringling in eines der letzten Paradiese der Erde, der mit seinen Kriegen, Krankheiten und urbanen Zivilisationsgelüsten immer nur stört bzw. zerstört.
An dieser Wahrnehmung wird die bevorstehende WM in Südafrika nicht viel ändern, erwartet uns doch vor allem ein von westlichen Reportern vermittelter Blick auf Afrika. Es sei denn, in einer Art Nebenwir kung würde ein weißer Fleck auf der Landkarte "entdeckt" - nämlich der skandalöse und dramatische Mangel an Bildern und Filmen aus Afrika selbst.
Bislang wird das allmähliche Absterben des afrikanischen Kinos, das fast vollständige Verschwinden medialer Selbstdarstellung aus Afrika eher wie ein trauriges Naturereignis wahrgenommen. Dabei bräuchte es ja nicht viel mehr als eine kleine Revolution, um zu begreifen, dass es weniger um "unser" Afrika-Bild geht als um die Medien- und also Bilderproduktion in Kinshasa, Maputo, Kampala oder Ouagadougou. Die Anliegen und Forderungen der afrikanischen Filmschaffenden sollten im Medienzeitalter nicht länger wie ein kulturpolitisches Dessert behandelt werden. Denn sie verdienen es, mit gleicher Dringlichkeit wie Brunnenbau oder medizinische Grundversorgung auf die Agenda gesetzt zu werden. Hier wie dort.
DOROTHEE WENNER ist die Berlinale-Beauftragte für die Afrika-Sektion des Forumfilms.
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Eine Welt der Selbständigen
Wenn in Nairobi die ersten Regentropfen fallen und die Regenzeit beginnt, kommen sie herbeigeströmt: Straßenhändler mit Regenschirmen in allen Größen und Farben, die sich geschickt ihren Weg zwischen den Automassen bahnen.
Wenn der Regen dann die Straßen in kaum passierbare Mondlandschaften verwandelt hat, mangelt es nicht an unzähligen Männern, die die Schlaglöcher mit Sand zuschütten und dafür Wegegeld von Autofahrern kassieren. Und wenn ein Wagen liegen bleibt, ist binnen Minuten ein "Juakali" zur Stelle, ein selbst ernannter Mechaniker, der mit nur einem Schraubenzieher oder einem Hammer ausgerüstet die erstaunlichsten Erfolge erzielen kann.
Deutschland mag die Heimat des Mittelstands sein, Afrika ist die Heimat des wahren Unternehmertums. Praktisch jeder ist selbstständig - nicht freiwillig, sondern mangels Alternative. Sogar diejenigen, die einen der begehrten Posten im aufgeblähten Staatsapparat bekommen haben, sind letztlich Selbständige auf höherem Niveau.
Wer etwa Nairobis Wasserversorger besucht, der trifft im Kundenzentrum gut dreißig Angestellte an, die dicht gedrängt vor leeren Schreibtischen sitzen. Der einzige Computer gehört dem Chef, und der zeigt sich nur selten. Wie sollte man es den Angestellten verdenken, dass sie von ihren Tischen aus per Handy unternehmerisch aktiv werden? Viele dirigieren die privaten Wasserlaster, die wegen der Versorgungskrise teuer Wasser nach Hause liefern.
Ohne die Hunderte von Millionen Selfmade-Unternehmern wäre Afrika längst kollabiert. Es ist das unternehmerische Fußvolk, das den Kontinent am Laufen hält.
MARC ENGELHARDT ist taz-Korrespondent in Nairobi.
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Laduma - Tor!
Endlich! Südafrika kann es kaum erwarten, die Fußball-WM anzukicken und den Skeptikern der Welt zu zeigen: Na bitte, geht doch. Südafrika, der Motor des Kontinents und erster afrikanische Gastgeber für eine Weltmeisterschaft überhaupt, will beeindrucken. Und die SüdafrikanerInnen wollen mit Leib und Seele "Laduma - Tor!" schreien. Da der blühende Nationalstolz durch null Tore der südafrikanischen Elf "Bafana Bafana" arg getrübt ist, wird das Wettgeschäft im WM-Fieber allerdings eher belebt durch die Frage: Fliegen die Jungs schon in der ersten Runde raus oder erst später?
Doch es geht um mehr - für alle. Insbesondere die Armen erhoffen sich von der im Fußballtaumel erwartbaren Verbrüderung von Schwarzen und Weißen, dass die Wirtschaft weitere Sprünge nach vorn macht und die Regierung in einem zweiten Anlauf nach der Demokratisierung die notwendige Umverteilung des Reichtums voranbringt.
Gleichzeitig macht eine Weltmeisterschaft mit Megaausgaben in Zeiten einer Rezession vielen zu schaffen. Insofern ist vor allem bei den Intellektuellen die Frage: Wird nur die Fifa an dem Event verdienen oder kommt auch ein nennenswerter Geldbetrag bei der kleinen Frau auf der Straße an? Die Antwort scheint leider klar: Allzu viel werden die Armen von der WM nicht haben.
Trotzdem ist schon jetzt absehbar: Wenn ausländische Investoren etwas mehr Vertrauen in die südafrikanische Gesellschaft setzten als bisher, dann würde dies die vorhandene und ohnehin positive Dynamik entscheidend unterstützen. Und das könnte ab 2010 langfristig für größere Siege sorgen als jeder Schuss ins Tor.
MARTINA SCHWIKOWSKI ist taz-Korrespondentin in Johannesburg.
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