200-Milliarden-Euro-Konjunkturprogramm: EU übertrumpft deutsche Vorstellungen
Die EU-Kommission plant ein 200 Milliarden Euro schweres Konjunkturprogramm. Der Großteil dieser Summe soll von den Mitgliedsstaaten kommen.
BRÜSSEL taz Mit einem 200 Milliarden Euro schweren "Erholungsplan" will die EU-Kommission den europäischen Unternehmen dabei helfen, neue Arbeitsplätze zu schaffen und Vertrauen wiederherzustellen. Doch der Großteil dieser Summe, nämlich 170 Milliarden, soll von den Mitgliedsstaaten kommen. Nur 14,4 Milliarden will man aus dem EU-Haushalt beisteuern, den Rest aus Mitteln der Europäischen Investitionsbank. Deren Eigenkapital müsste dafür erhöht werden, wiederum mit Geld aus den Mitgliedsstaaten.
Der größte Beitragszahler Deutschland hat bereits abgewinkt. Über das nationale Paket von 32 Milliarden hinausgehende Mittel werde es für das EU-Konjunkturpaket nicht geben, sagte Regierungssprecher Thomas Steg in Berlin. Damit dürfte sich der Plan des Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso, das ganze Paket auf dem EU-Gipfel im Dezember von den Mitgliedsstaaten billigen zu lassen, erledigt haben. Die im "Erholungsplan" vorgeschlagenen Steueranreize lehnt Deutschland ebenfalls ab. Auch Frankreich will seine Mehrwertsteuer nicht, wie von der Kommission vorgeschlagen, für einen begrenzten Zeitraum heruntersetzen.
Von diesen Protesten zeigte Barroso sich unbeeindruckt. "Wir halten unsere Antwort auf die Krise für die beste", sagte er und fügte hinzu: "Die endgültigen Programme der Mitgliedsländer werden viel näher an dem liegen, was wir vorschlagen, als die jetzigen."
Allerdings räumte er auch ein, dass es keine einheitliche Lösung für alle 27 EU-Staaten geben könne. Während einige osteuropäische Länder im kommenden Jahr noch auf 4 Prozent Wachstum hoffen könnten, werde die Wirtschaft in Irland, Großbritannien, Spanien, Lettland und Estland schrumpfen. In Frankreich, Italien und Deutschland werde bestenfalls ein Stillstand zu verzeichnen sein. Auch die Mentalität in den Mitgliedsstaaten sei sehr unterschiedlich. In einigen Ländern sei es sinnlos, die Mehrwertsteuer zu senken, da die Menschen in Krisenzeiten ihr Geld zusammenhielten.
Insgesamt enthalten die Vorschläge der EU-Kommission wenig neue Ideen. So soll die Erforschung energiearmer Technologien bei Pkws und Gebäuden gefördert und ein schneller Internetzugang für alle Europäer ermöglicht werden. "Wir lösen das Problem nicht mit Pessimismus", meinte Barroso.
Währungskommissar Joaquín Almunia will den "Teufelskreis aus fehlender Nachfrage, fehlender Kreditwürdigkeit, fehlender Investitionstätigkeit" durch zwischen den Staaten abgestimmte Steueranreize und Subventionen durchbrechen. Wenn jedes Land seine eigene Konjunkturförderung betreibe, könne dies im Binnenmarkt leicht kontraproduktiv wirken.
Barroso erinnerte daran, dass die Mitgliedsstaaten Anfang November die Kommission beauftragt hätten, ein Konjunkturprogramm vorzuschlagen. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt dürfe dabei aber nicht missachtet werden.
Um dieser Mahnung Nachdruck zu verleihen, kündigte Almunia gestern ein Defizitverfahren gegen Irland an, das mit 5,1 Prozent Neuverschuldung den erlaubten Rahmen weit überschritten hat. Woher Irland Geld für die europäischen Konjunkturmaßnahmen nehmen soll, sagte der Kommissar nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies