20. Oktober 1989: Zurück – warum?
■ Fünf Jahre danach – eine taz-Serie
Der einzige Lichtblick des Tages ist, daß die Regierung jedem, der das Land verlassen hat, die Rückkehr anbietet. Wenn immerhin diese Möglichkeit eingeräumt wird, kann es letztlich egal sein, aus welchen Beweggründen heraus das geschieht.
Doch wohin sollen sie zurückkehren? Wenn man die Zeitungen des Tages aufschlägt, könnte man denken, es habe sich kaum etwas geändert. Seitenweise wird darüber berichtet, wie Mitglieder des „erneuerten ZK“ im ganzen Land in Großbetriebe oder LPGs rennen, um sich sozusagen die Absolution zu holen. Auf den Zeitungsbildern sieht man stets und ständig den ewig grinsenden Krenz – er hält diese Grimasse möglicherweise für staatsmännisches Lächeln –, der auf schweigend herumstehende Arbeiter einredet. Anstatt endlich selber zu arbeiten, halten die Damen und Herren Funktionäre andere von der Arbeit ab. Und in der „Aktuellen Kamera“ wird, obwohl doch der oberste Zensor in die Wüste geschickt worden ist, in denselben alten, salbungsvollen Worten über die „Begegnungen führender Persöhnlichkeiten mit Werktätigen in Betrieben und Einrichtungen der DDR“ gesprochen.
Nichts gelernt? Nur ein wenig neues Make-up aufgelegt? Ich habe den Eindruck, das einzige, was sich am Fernsehen der DDR erneuert hat, ist das Erscheinungsbild, und auch das nur behutsam. Mehr haben die Fernsehleute nicht gewollt, ausschließlich daran hat sie Joachim Herrmann gehindert? Ich habe doch noch die Litaneien darüber im Ohr, was Fernsehmacher alles nicht dürften. Und jetzt war's das?
Vor allem aber: in solch ein Land soll jemand zurückkehren, der es gerade unter Mühen verlassen hat? Wolfram Kempe
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