■ Soundcheck: 18. Jazzfest in der Fabrik
Gehört: 18. Jazzfest in der Fabrik. Thema des Freitagabends waren die Blues-Roots. Für die erkrankte Etta James legte sich Cassandra Wilson mit traumhafter Stimme in die Interpretationen von Blues-Traditionals. „You don't know what love is, until you've learned the mea-ning of the blues“ prophezeite sie und verursachte schaurig-schöne Gänsehäute. Die Balladen vom Cassandra Wilson Blues Project waren eine ideale Einstimmung in die von Walter 'Wulfman' Washington und seinen Straßenmeistern zelebrierte New Orleans Dance Night: Die soulige Stimme in Verbindung mit der klassischen Second Line, dem Gut-Bucket-Blues und Zydeco-Einsprengseln, brachte auch esoterischste Jazz-Puristen zum Wiegen. Drummer Wilbert Arnold trieb seine Mitspieler mit Volldampf in die Grooves dieses speziellen und originellen Blues-Funks. Das schwitzende Publikum war dann reif für den immer jungen Altmeister der modernen Electric-Blues-Szene: Luther Allison, in Chicago aufgewachsen, brachte Shuffle und Rock in den Blues. Mit seiner Band gelang ihm der Brückenschlag zwischen Blues-Tradition, Rock und Jazz. Wer den guten alten Big-Bill-Broonzy mit „When things go wrong so wrong with you, it hurts me too“ ein musikalisches Denkmal aus der mit Glace-Handschuhen gespielten Gitarre setzt, darf behaupten, er wüßte um die Magie des Blues. Der Samstagabend war, positiv formuliert, den experimentellen Formen des gegenwärtigen, weißen Jazz gewidmet. Das Andersson-Dobrogosz-Duo langweilte mit blutleerer Betroffenheitslyrik und erntete in der halbleeren Halle fragende Blicke. So vorbereitet war der Grenzgang von Secret Cosmos aus New York, mit dem hervorragenden Hubert Laws an der Querflöte, zwischen Blatt-Ablese-Jazz und Kammermusik doch arg akademisch und gestelzt. Die Creme der Betty Carter Band mit Jack de Johnette, Geri Allan und Dave Holland waren in den falschen Stimmungsrahmen versetzt.
Gunnar F. Gerlach
Heute abend: Front 242. Docks , 21 Uhr
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