: 17.September 1939
■ Polen gedenkt des Einmarschs der Roten Armee nach dem Hitler-Stalin-Pakt, der die vierte Teilung des Landes besiegelte / Zwei Millionen wurden deportiert
Warschau (afp/ap/taz) - Mehrere tausend Warschauer haben am Sonntag den 50.Jahrestag des Einmarschs der Roten Armee in Polen begangen. Es war die erste von den Behörden genehmigte Veranstaltung dieser Art, nachdem das Thema jahrzehntelang tabu gewesen war. Die Redner verurteilten vor dem Grabmal des unbekannten Soldaten unter lebhaftem Applaus der Zuhörer die Verbrechen Stalins und seine „Dolchstoßpolitik“ gegenüber Polen und forderten sofortige Freiheit und Unabhängigkeit für ihr Land.
Die Kundgebung war von mehreren oppositionellen Bewegungen organisiert worden, die bis vor kurzem noch verboten waren, darunter die Vereinigung der Heimatarmee (AK), eine Widerstandsbewegung, die im Krieg mit der Exilregierung in London zusammenarbeitete, das Bündnis für ein unabhängiges Polen (KPN) und das Solidaritätskomitee der Warschauer Region. Auch in anderen Städten, darunter Krakau, Kattowitz und Bialystok, fanden Gedenkveranstaltungen statt. Die Rote Armee war unter den Vereinbarungen des Hitler-Stalin-Paktes am 17.September 1939 in Polen einmarschiert. Der Überfall stieß kaum auf Widerstand, denn die polnische Armee kämpfte vor allem an der westlichen Front gegen die deutschen Invasoren, die am 1.September das Land überfallen hatten. Die sowjetische Aggression verletzte einen Nichtangriffspakt, den Warschau und Moskau 1932 abgeschlossen hatten.
Ein geheimes Zusatzprotokoll zum Hitler-Stalin-Pakt von 1939 hatte Polen in eine sowjetische und eine deutsche Einflußzone aufgeteilt und die vierte Teilung Polens vorbereitet. Der Sowjetunion fielen Fortsetzung auf Seite 2
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nach der Okkupation und einem weiteren Teilungsabkommen die Gebiete des östlichen Polen mit über 50% der Fläche der Republik und 13,5 Millionen Einwohnern zu. Im okkupierten Ostpolen fielen der gesamte Verwaltungsapparat und die Intelligenz, später auch Kleinbauern und Kleinhändler dem Massenterror der politischen Polizei zum Opfer. Die Massendeportationen
trafen nicht nur die Polen - etwa ein Drittel der Bevölkerung der polnischen Ostgebiete -, sondern auch Juden, Weißrussen und Ukrainer. Wieviele von den zwei Millionen Deportierten in den Gulags umkamen, ist bis heute nicht feststellbar. Während der sowjetischen Besatzung Ostpolens gerieten 250.000 Soldaten in Gefangenschaft. Etwa 15.000 gefangene Offiziere wurden in Weißrußland hingerichtet. Nur von etwa 5.000 von ihnen wurden in Massengräbern in Katyn die Leichen gefunden.
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