150 Jahre Polizeibibliothek: Das lange Gedächtnis der Polizei

Ihr ältester Schatz ist die "KriegsOrdnung zu Wasser und Landt" von 1594, aber die Berliner Polizeibibliothek hat auch allerneuste kriminologische Werke im Bestand.

Schon das Gebäude in der Otto-Braun-Straße ist so hässlich, dass man es kaum betreten möchte. Wer dann auch noch die Bibliothek der Berliner Polizei besuchen will, hat einen langen, unübersichtlichen und wenig attraktiven Weg vor sich. Einige abgehende Treppenhäuser im sechsten Stock des ehemaligen Präsidiums der DDR-Volkspolizei nahe am Alexanderplatz sind gesperrt - sie sind immer noch nicht saniert und daher unbegehbar. Zum Glück kommt gerade ein Kriminaler vorbei und kann weiterhelfen.

Der trostlose Eindruck ändert sich allerdings sofort, wenn man erst einmal sein Ziel erreicht hat. Unvermittelt steht man vor dem computergeschmückten Empfangstresen einer modernen Bibliothek. Der Besuch hat einen Grund, denn Geburtstagskinder zwischen den Jahren erfahren gemeinhin wenig Aufmerksamkeit. So auch die Berliner Polizeibibliothek, die am morgigen Freitag auf den Tag genau 150 Jahre alt wird.

Das einstige "Bücherzimmer des Königlichen Polizei-Präsidii", am 28. Dezember 1857 aus der Taufe gehoben, hat sich mächtig gemausert. Wenn seinerzeit ein Beamter den Bücherbestand mühsam mit der Feder auf seine Karteikarten kratzen musste, so erledigt inzwischen moderne Technik den Job. Die Berliner Polizeibibliothek gilt nicht nur als eine der ältesten, sondern auch als eine der am besten ausgestatteten in Deutschland. Rund 114.000 Bücher, etwa 2.000 Fachzeitschriften sind dort versammelt, daneben knapp 400 Loseblattsammlungen und circa 8.300 neue Medien wie CD-ROM, DVD und Video - alles zu polizeirelevanten Themen wie Strafrecht, Kriminologie oder Verwaltungsrecht. Historische Polizeiliteratur wird licht- und staubgeschützt in speziellen Hebelschubanlagen gespeichert. Lediglich nach sogenannter Grauer Literatur - also Broschüren aus der hohen Zeit der Berliner Hausbesetzerei oder des Ermittlungsausschusses - sucht Kollege Computer lange und meist vergeblich. Vermutlich vermodert das noch alles beim Staatsschutz.

Schon 1936 galt diese Polizeibibliothek den Nazis als größte Fachbibliothek und der Katalog als größter Gesamtdeutschlands. Auch heute haben allenfalls das Bundeskriminalamt und die Deutsche Hochschule für Polizei mehr Medien in ihren Regalen, sagt die Bibliothekarin und Leiterin Vesna Wagner. Ihr ältester Schatz datiert auf das Jahr 1594. Schon der Titel "KriegsOrdnung zu Wasser und Landt. Kurzer und Eigentlicher Unterricht aller Kriegshändel, so geübet und im brauch sein" zeigt, wie eng verquickt damals Militär- und Polizeiaufgaben waren.

Bibliotheksleiterin Wagner führte den Westbestand 1992 mit dem der DDR zusammen und machte daraus ein modernes Servicesegment für Berliner PolizistInnen. Das war nicht immer so: Noch vor 150 Jahren durfte ein "Polizeybeamter" nur dann Einblick in die Schriften des "Bücherzimmers" nehmen, "wenn sein anderweitiger Dienst ihn nicht behinderte". Heute liegen aktuelle Gesetzestexte rund 15 Minuten nach Anforderung in der Mailbox oder auf dem Fax des anfragenden Beamten.

Und noch etwas unterscheidet die Polizeibibliothek von ihrer historischen Vorgängerin: Sie ist auch für Normalbürger zugänglich. Nur ein kleinerer Bestand an internen Dienstvorschriften, polizeitaktischen Konzepten und Ähnlichem bleibt im "Giftschrank" und ist unzugänglich. "Aber das wird immer überschätzt", sagt Wagner, "das ist verschwindend gering und macht allenfalls drei Reihen aus."

Insbesondere Wissenschaftler, Krimi- und DrehbuchautorInnen sowie Schülergruppen, die über Gewalt an der Schule oder Verkehrsprävention arbeiten, nutzen die Bibliothek. "Wir haben beispielsweise Filmfirmen Bücher aus den 60er-Jahren ausgeliehen oder Autoren bei ihren Recherchen geholfen", sagt Wagner. Einer Künstlerin in München habe sie auch mal ein Buch geschickt, das darüber handelte, welche Waffen welche Durchschussspuren in Glas hinterließen. Die Künstlerin habe anhand der Informationen Einschusslöcher darstellen wollen.

Zudem steht Wagner mit anderen Bibliotheken in Kontakt - und sogar mit dem polizeikritischen "Institut für Bürgerrechte und öffentliche Sicherheit" an der FU Berlin. Von dem bekommt die Polizeibibliothek regelmäßig den Informationsdienst Bürgerrechte & Polizei, kurz CILIP, geliefert - ein Heft zur Verteidigung der Bürgerrechte gegen die manchmal übermächtig scheinenden Verfechter der Prinzipien von Recht und Ordnung im Sicherheitsstaat.

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