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14 neue KraftwerkeJapan setzt auf Atomstrom

Japan will sein Reduktionsziel von 25 Prozent bis 2020 mit 14 neuen Akws erreichen - und nebenbei führende Exportnation in nuklearer Technologie werden.

Gedenkstätte für den Atombombenabwurf in Hiroshima. Bild: Chris J – Lizenz: CC-BY-SA

Japan ist das einzige Land der Welt, auf das jemals Atombomben geworfen wurden. Doch diese Erfahrung hält die japanische Regierung nicht davon ab, so massiv wie derzeit keine andere auf die Atomenergie zu setzen. Bis 2030 sollen 14 neue Kraftwerke ans Netz gehen, 9 davon allein in diesem Jahrzehnt. Der Atomanteil an der Energieerzeugung soll von knapp einem Drittel auf die Hälfte und die Auslastung der Anlagen überdies von 60 auf mehr als 90 Prozent steigen - "auch wenn die aktuellen Prüfungen der Erdbebensicherheit dabei bremsen", so der Chef der Atomenergiekommission, Shunsuke Kondo.

Zudem wollen die Japaner endlich ihren Brennstoffkreislauf schließen. Schon im April könnte der Schnelle Brüter Monju wieder angefahren werden, fast anderthalb Jahrzehnte nach einem Unfall mit flüssigem Natrium. Warnungen von Wissenschaftlern vor einer großen Unfallgefahr nach so langem Stillstand werden dabei überhört. Im Oktober soll in Rokkasho eine Wiederaufarbeitungsanlage für abgebrannte Brennelemente in Betrieb gehen, falls man bis dahin das Verschließen von hochradioaktivem Abfall in Keramikglas beherrscht. Eine Fabrik für Mischoxid-Brennstoff aus Uran und Plutonium wird 2015 fertig. Bis 2100 will sich das rohstoffarme Land gänzlich vom Ausland energieunabhängig machen.

Als offizielle Begründung für das ehrgeizige Nuklearprogramm müssen die hochgesteckten Klimaziele herhalten: Bis 2020 will Japan 25 Prozent weniger Treibhausgase als 1990 erzeugen. Das entspricht zwar dem Ziel der Europäer, doch Japan war im Basisjahr 1990 schon Weltmeister im Energiesparen. Zudem ist der industrielle Sektor sehr groß. Nippon ist der weltgrößte Auto- und Stahlproduzent. Zwar zapft Tokio vermehrt erneuerbare Energien an, doch mit der geplanten Steigerung auf einen Zehn-Prozent-Anteil an der Stromproduktion lassen sich nur 6 Prozent der avisierten CO2-Senkungen schaffen. Der Atom-Ausbau würde 30 Prozent bringen.

Hinter dem strammen Nuklearkurs stecken aber auch handfeste Wirtschaftsinteressen. Im Zuge einer globalen Renaissance der Atomenergie will Japan neben Frankreich und Russland zur führenden Exportnation aufsteigen. Nippons Atomwirtschaft ist dafür perfekt aufgestellt, weil sie als einzige alle Techniken bis zum Schnellen Brüter beherrscht. Der weltgrößte AKW-Bauer Toshiba entwickelt langlaufende Mini-Reaktoren und arbeitet mit der von US-Milliardär Bill Gates finanzierten Erfinderfirma TerraPower an einem neuartigen Laufwellen-Reaktor. Hitachi baut mit General Electric Siedewasserreaktoren. Japan Steelworks hat das Weltmonopol für große Reaktorkessel. Atomchef Kondo sieht daher gute Verkaufschancen in den USA, den Golfstaaten und Schwellenländern wie Indien und Vietnam.

Bei ihren Atomplänen müssen sich weder die regierende Demokratische noch die oppositionelle Liberaldemokratische Partei echte Sorgen um die Akzeptanz in der Bevölkerung machen. Nach einer Umfrage hält zwar mehr als die Hälfte der Japaner die Atomkraft namentlich wegen der Erdbebengefahr im Land für eine unsichere Sache. Aber 50 Prozent sprechen sich doch für eine Förderung aus.

In den Städten und Gemeinden nahe den Anlagen ist der Widerstand am größten. So scheitert die Inbetriebnahme des Schnellen Brüters Monju derzeit an der fehlenden Zustimmung der lokalen Politiker. Und keine japanische Stadt hat bisher freiwillig die Hand für die noch fehlende Endlagerstätte gehoben. Aber das dürfte die Regierung genauso wenig von ihrem Nuklearkurs abbringen wie die enormen Kosten dieser Technologie.

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9 Kommentare

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  • A
    andi

    @Hilfe: was ist denn ein "Endzeitlager"? LOL

  • H
    Hilfe

    Das kann ja wohl nicht wahr sein! Zwar liegt Japan nicht nebenan und ein möglicher Atomunfall würde Deutschland ähnlich tangieren wie Tschernobyl. Immerhin scheint das moderne, ansonsten aufgeschlossene Japan noch nichts von erneuerbarer Energie gehört zu haben. Ist in Japan übrigens das Problem der Endzeitlager gelöst?

  • MW
    Max W.

    Schön zu sehen, dass wenigstens ein Land die gesteckten Ziele des Klimaabkommens ernst nimmt und handfeste Pläne in die Wege leitet, um diese zu erreichen. Europa und die USA drehen weiterhin mehr Däumchen als zu Handeln. Atomkraft ist halt auf längere Sicht der beste Kompromiss, da sowohl Kernfusion als auch effizientere Photovoltaik noch mehrere Jahrzehnte Entwicklung beanspruchen werden.

    Was die Sicherheit betrifft, außer Tschernobyl ist uns bisher noch kein Kraftwerk um die Ohren geflogen. Tschernobyl war einfach katastrophal schlecht konzipiert, selbst für sowjetische Maßstäbe. Graphit-Moderator und keine Abschirmung, sowas baut man doch nur, wenn man nicht mehr ganz bei Sinnen ist.

    Außerdem würde ich wegen der gesundheitlichen Folgen erst mal ein Auge auf die DDR werfen, 40 Jahre Braunkohlkraftwerke haben dort nämlich zu massiven gesundheitlichen Schäden geführt. Dagegen sind AKWs dort ein guter Tausch.

    Und auch die so saubere Photovoltaik benötigt erstmal massive Energie, hochreines Silicium wächst nicht von selbst

  • AH
    Andi H.

    Ich bin realistisch:

    Atomenergie ist an sich ne tolle Sache, wenn da nicht das Problemchen mit dem radioaktiven Müll wäre... oder die diversen Möglichkeiten an kleinen bis großen Unfällen, die z.T. ziemliche Strahlenschäden anrichten können.

    Ein solches Atomprogramm, das fast 90 Jahre in die Zukunft plant, halte ich für ein sehr flasches Signal... Japan ist doch auch sonst immer mit den neuesten Technologien ganz vorne dabei. Und Atomenergie ist ein "alter Hut" aus den 1950er Jahren. Der Artikel liest sich wie ein SciFi-Roman aus den 1950er Jahren.

    Als Übergangslösung ist Atomenergie eine "gute" Sache, aber langfristig sollten die Erneuerbaren und die Fusionstechnologie ins Visier genommen werden...

  • V
    vic

    Naja, wenn sich wer auskennt mit Atomkraft, ist das Japan.

    Zudem ist noch immer ein großer Teil des Landes ohnehin verstrahlt.

  • AJ
    Andreas J.

    Der wortgleiche Artikel von Martin Fritz ist auch bei FR-Online erschienen, allerdings ohne das Bild von der Hiroshima-Gedenkstätte: Will die TAZ hier mal wieder propagandistisch gegen die Kernenergie stimmung machen und Atombomben mit der FRIEDLICHEN Nutzung der Kernnergie in Verbindung bringen?!! Ich finds schäbig ggü. den Opfern der Atombombenabwürfe, sie für billige Polemik zu gebrauchen..... schade TAZ, mal wieder voll daneben!

  • F
    fritz

    "Dumm geboren und nichts dazugelernt!" - Süddeutsches Zitat

  • Y
    Yadgar

    Ein Super-GAU, so verheerend seine Folgen auch sein mögen, ist nicht mit einer A- oder gar H-Bombenexplosion zu vergleichen - von daher finde ich die Überschrift dummenfängerisch! Defekte Atomkraftwerke explodieren nicht als Millionen Grad heiße Feuerbälle, in denen ganze Städte verdampfen!

     

    Und das CO2-Argument, sorry, erscheint mir durchaus vernünftig - solange keine wesentlich sauberere Technologie wie z. B. Kernfusion zur Verfügung steht...

  • J
    jwpriebe

    Japaner haben auch das Seppuku erfunden, allerdings dachte ich, dass das seit 1868 verboten ist.