piwik no script img

134.-140. Tag Kongo-KriegsverbrecherprozessHinter verschlossenen Türen

Die offenbar schwierige Befragung kongolesischer FDLR-Opfer unter Ausschluss der Öffentlichkeit wird fortgesetzt. Zur Sprache kommt dabei unvorstellbares Leid.

Mitarbeiterin des kongolesischen Roten Kreuzes (links) mit Vergewaltigungsopfern in Flüchtlingslager nahe Goma. Bild: Bild: reuters

Wie zumutbar ist es für kongolesische Vergewaltigungsopfer, per Videolink im Kriegsverbrecherprozess gegen FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka und Straton Musoni vor dem OLG Stuttgart intimstes Leid preisgeben zu müssen? Und dann noch unterstellt zu bekommen, es sei alles gar nicht wahr? Man kann nur ahnen, was an den sieben aufeinanderfolgenden Verhandlungstagen vom 18. Februar bis 11. März geschehen sein muss, als zwei Kongolesinnen, mutmaßlich Opfer sexueller Kriegsverbrechen der FDLR, unter Ausschluss der Öffentlichkeit per Video befragt wurden.

Die Öffentlichkeit wurde nämlich jeweils wieder hergestellt, wenn die Videokamera ausgeschaltet und die Zeugenvernehmung für den Tag beendet war. Die darauffolgenden Stellungnahmen der Parteien geben einiges darüber preis, worum es bei der Befragung ging - und wie befragt wurde.

So haben beide Verteidigungen eine Nichtverwertung der Aussage der ersten Opferzeugin beantragt, weil die Zeugin, nur so kann man es beschreiben, ganz offensichtlich unvorstellbares Leid und schwerste Traumatisierung hinter sich hat. Viermal sei sie vergewaltigt worden, einen Selbstmordversuch habe sie hinter sich, Ehemann und Kinder habe sie zeitweise verloren, sie sei multipel traumatisiert beziehungsweise "im Flüchtlingslager verrückt geworden".

"Können Sie Ihre weiteren Vergewaltigungen schildern?"

Die Verteidigung gibt einige der Fragen zu Besten, mit der sie diese Frau konfrontierte. "In welcher Position waren Sie, als Ihnen das Messer in den Rücken gerammt wurden?", oder "Wie hoch war das Feuer, durch das die Männer mussten?" gehören dazu. Fragen wie "Können Sie Ihre weiteren Vergewaltigungen schildern und die der anderen Frauen?" wirken da geradezu harmlos.

Es ist schon zuvor in öffentlicher Verhandlung deutlich geworden, dass die Vernehmung dieser Zeugin auf deren eigenen Wunsch abgebrochen wurde und sie häufig geweint habe, als sie befragt wurde. Die Verteidigung bemängelt, dass weder Name der Zeugin noch Tatort bekannt gemacht werden, auch nicht in nichtöffentlicher Verhanlung. Dies mache jede Überprüfung der Aussage unmöglich.

Aber die Verteidigung will "Anzeichen von Fremdsuggestion" erkannt haben. Die Aufnahme in einem Flüchtlingslager, der Aufenthalt in einem Krankenhaus und die psychologische Hilfe als Vergewaltigungsopfer seien "mögliche Anreize" für eine Falschaussage. Man wolle die Zeugin vor Ort vernehmen, in der Hauptverhandlung. Die einzige Richterin im 5. Strafsenat wird zudem mit einem Befangenheitsantrag belegt: Sie habe der Zeugin Fragen mit Suggestivwirkung gestellt.

Wie es den Zeuginnen hinterher geht, ist kein Thema

Die Frage nach dem Sinn eines umfassenden Ausschlusses der Öffentlichkeit aus solchen Befragungen sollte nach diesen Erfahrungen neu gestellt werden. Bisher wird eine mögliche Gefahr für die FDLR-Opferzeugen auf ihre mögliche Identifizierbarkeit durch die Öffentlichkeit zurückgeführt, obwohl Personalien und Aufenthaltsorte der Opferzeugen nach Angaben des OLG nicht einmal dem Senat bekannt sind. Eine tatsächliche Beeinträchtigung des Wohlergehens der Zeuginnen durch den tatsächlichen Ablauf der Befragung hinter verschlossenen Türen wird bislang öffentlich nicht thematisiert.

Und wie es den Zeuginnen nach einer solchen Befragung geht, kann der Senat mangels Kenntnis ihrer Identität gar nicht in Erfahrung bringen. Anspruch und Realität des Zeugenschutzes erscheinen nach diesen Befragungen weit voneinander entfernt.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • J
    Jule

    "Aber die Verteidigung will "Anzeichen von Fremdsuggestion" erkannt haben. Die Aufnahme in einem Flüchtlingslager, der Aufenthalt in einem Krankenhaus und die psychologische Hilfe als Vergewaltigungsopfer seien "mögliche Anreize" für eine Falschaussage."

     

    Ich bin entsetzt!

    Wie im ach-so-moralischen Westen immer noch mit Vergewaltigungsopfern umgegangen wird: Entschuldigen Sie meine Ausdrucksform, aber da kommt mir nur noch das Kotzen.

     

    Wie wäre es, wenn ein Gutachter (oder mehrere) in den Kongo fliegt und dort über einen längeren Zeitraum einen Psychologen bei der Arbeit mit den Frauen begleitet? Reicht das denn nicht aus? Ich finde eine öffentliche Videoschaltung nicht die optimale Lösung, also mal ehrlich, eine Vergewaltigung und der Umgang mit den Traumatisierungen ist etwas sehr Intimes und Persönliches, man kann nicht von den Frauen verlangen, das online, vor fremden Menschen in fremden Ländern, und vor der ganzen Welt preiszugeben, sofern sie das nicht wünschen!! Das ist doch vor allem abschreckend im Bezug auf künftige Prozesse und außerdem nur eine neuerliche Demütigung!!

  • M
    magy

    Das solche Verteidiger sich nicht schämen diese Opfer und deren Leid so zu zerpflücken, sie als unglaubwürdig dastehen zu lassen nur um diese Verbrecher zu schonen, gar noch frei zu bekommen ist ein Skandal.

    Es mag der Job sein, aber solchen Bestien sollte man kein Menschenrecht mehr zugestehen, die haben jefliche Rechte verwirkt.

    Sollen die Anwälte doch mal in den Osten Kongos fliegen sich die verletzten Mädchen und Frauen, sogar die kleinen Kinder ansehen sich deren Leid beschreiben lassen. Diese Anwälte können auch mit dem Doktor der Klinik in Panzi sprechen, der hat unzählige Frauen zusammen geflickt deren Genitalien erheblich zerstört wurden.

    Allein dadurch, das die Menschen in Ostkongo permanent in Angst leben mußten ist schon ein Trauma. Dann werden vor ihren Augen ihre Männer erschlagen, zerhackt oder erschossen, dann werden die Frauen und ihre weiblichen Kinder vergewaltigt. Gibt es noch mehr Trauma ??? Dann mag so ein Verteidiger noch hergehen und aus taktischen Gründen solch arme Menschen erniedrigen und sie unglaubwürdig machen ?

     

    Ich zweifle doch sehr an der Rechtssprechung.