: 120 Minuten blankes Elend
DFB-Pokal, 2. Runde: Schalke 04 – VfL Bochum 1:0 nach Verlängerung und äußerst grauenhaftem Spiel ■ Aus Gelsenkirchen Christoph Biermann
Bedurfte es noch eines Beweises, daß Fernsehen dem Fußball schaden kann, am Montag abend zwischen 20.15 und 22.45 Uhr wurde er erbracht. Auf geradezu abenteuerliche Weise steuerten in dieser Zeit Schalke 04 und der VfL Bochum eine neue Bestleistung in schlechtem Fußball an. Der inoffizielle Fehlpaßrekord für den deutschen Profifußball wurde gewürzt durch phantastische Aussetzer beim Umgang mit dem Ball. Spielzüge gab es nur in rudimentärer Form, und die Torchancen konnten pro Halbzeit an einem Finger abgezählt werden.
Weil beide Mannschaften folglich in 90 Minuten kein Tor zustande brachten, mußte das Pokalspiel sogar noch verlängert werden. Der spielentscheidende Treffer von Jürgen Luginger in der 98. Minute war schließlich für alle (!) Zuschauer eine Erleichterung. Es folgten zwar noch einige groteske Versuche des VfL Bochum, den Ausgleich zu erzielen, doch – dem Fußballgott sei Dank – die Strafe eines Elfmeterschießens blieb Spielern und Publikum erspart.
Was aber hat dieses unfaßbare Gegurke nun mit dem Fernsehen zu tun? Ganz einfach, RTL schuf die besten Bedingungen für 120 Minuten Elend. Um auch im Fußball präsent zu sein, kauft der Kölner Sender ab und zu Rechte für Fußballspiele, die sonst keiner haben will. So übertrug RTL in der ersten Runde bereits die epische Pokalschlacht zwischen Werder Bremens drittklassigen Amateuren und Bayern München, die erwartungsgemäß und langweilig 1:5 endete, oder so ähnlich.
In dieser Runde sollte es mal ein fesches Lokalderby sein. Also wurden den beiden Klubs aus Gelsenkirchen und Bochum für die Übertragung jeweils 150.000 Mark geboten und das Spiel auf den fußballkonkurrenzlosen Montag vorverlegt – knapp 55 Stunden nachdem beide Mannschaften ihre Punktspiele beendet hatten. Zuwenig Zeit für die Spieler, um wieder richtig zu Kräften zu kommen, wie sie deutlich bewiesen. Sprints waren eher Dauerläufe, Steilpässe landeten im Arm des Torwarts und Flanken hinterm Tor.
Auch die Zuschauer waren, kaum daß die Aufregungen des Wochenendes wieder abgeklungen waren, nicht ins Stadion zu bewegen. Schon gar nicht, wo sie sich das Spiel an einem kühlen Sommerabend, der mehr nach Herbst schmeckte, doch vom Sofa aus ansehen konnten. Nur 14.000 Besucher waren nicht nur absoluter Minusrekord für ein Spiel zwischen Schalke und Bochum, sondern machten auch die fußballfeindliche Architektur des Parkstadions offensichtlich wie lange nicht.
Mit 40.000 Fans hatten die Vereine gerechnet. Da waren am Ende die 150.000 Mark Fernsehgelder pro Klub gerade mal ein Ausgleich für die fehlenden Einnahmen an der Stadionkasse. Mit einem gutbesetzten, stimmungsvollen Stadion und ausgeruhten Spielern wäre es ein garantiert besseres und dramatischeres Spiel geworden. So war es eine Tragödie. Danke RTL!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen