11 Monate verschleppt im Jemen: Entführte Kinder zurück
Zwei deutsche Kinder wurden im Jemen von saudischen Spezialkräften befreit. Ihre Familie war vor elf Monaten entführt worden, der Verbleib des dritten Kindes wie der Eltern ist unklar.
KAIRO taz | Zwei Kinder einer vor elf Monaten im Jemen entführten deutschen Familie sind frei. Sie wurden im Nordjemen von saudischen Sicherheitskräften gefunden. Dabei ist offensichtlich kein einziger Schuss gefallen. Der Sprecher des saudischen Innenministeriums, General Mansur Turki, betonte am Dienstag, es habe sich nicht um eine militärische Befreiungsaktion, sondern um eine Rettungsaktion gehandelt. Man habe Informationen erhalten und in Kooperation mit den jemenitischen Sicherheitskräften gehandelt. Die beiden vier und sechs Jahre alten Mädchen befänden sich in einem saudischen Krankenhaus, begleitet von Vertretern der deutschen Botschaft. Nähere Angaben über die Rettungsaktion machte er nicht. Über den Verbleib der beiden Eltern gab er keine Informationen. Auch Meldungen, dass Leiche des jüngeren Bruders der Mädchen gefunden worden sei, bestätigte er nicht. In Berlin erklärte kurz drauf auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle, die Kinder befänden sich in der sicheren Obhut saudischer Behörden. Am Mittwoch sollen sie nach Deutschland zurückkehren. Das Auswärtige Amt bleibe "unverändert bemüht, endlich Klarheit auch in den Verbleib der übrigen Geiseln zu bringen. Ihr Schicksal erfüllt uns weiterhin mit großer Sorge." Die Behörden hofften auf einen glücklichen Ausgang auch für sie und würden sich mit aller Kraft dafür einsetzen.
Die drei Mitentführten sind tot
Die fünfköpfige deutsche Familie, die aus dem sächsischen Meschwitz bei Bautzen stammt, war im Juni vergangenen Jahres bei einem Ausflug in einem Wadi in der Nähe der nordjemenitischen Stadt Saada entführt worden. Sie war gemeinsam mit zwei deutschen Bibelschülerinnen aus dem nordrhein-westfälischen Lemgo, einem britischen Ingenieur und einer südkoreanischen Lehrerin verschleppt worden. Die beiden Bibelschülerinnen und die südkoreanische Lehrerin waren wenige Tage nach der Entführung ermordet aufgefunden worden. Sie alle hatten einen missionarischen Hintergrund. Die Eltern der beiden jetzt frei gekommenen Mädchen arbeiteten in einem Krankenhaus im Nordjemen und sollen sich beim Missionswerk WEC auf ihren Einsatz als Haustechniker und Krankenschwester vorbereitet haben. Genauso, wie der mit ihnen verschwundene britische Ingenieur. Auch die drei ermordeten Frauen hatten eine missionarische Ausbildung durchlaufen. Es ist nicht bekannt, ob die Entführten im Jemen in ihrer Mission "Dienst am Menschen" geleistet haben oder ob sie aktiv versucht haben, Muslime zum Christentum zu bekehren. Letzteres ist in islamischen Ländern strengstens untersagt und gilt auch gesellschaftlich als Tabu.
Wer die Entführer waren, ist unklar
Wer genau hinter der Entführung steckt, bleibt unklar. Die jemenitische Regierung hat mehrmals erklärt, die Entführer operierten im Dunstkreis Al Qaidas. Von deren Seite wurden aber keine Videos oder Bekennerschreiben ins Internet gestellt, um damit Fordrungen zu verbinden. Allerdings ist es bei Entführungen im Jemen, hinter denen oft die Stämme stecken, die damit offene Rechnungen mit der Regierung begleichen, unüblich, die Geiseln zu töten. Das ist bisher nur geschehen, wenn militanten Islamisten hinter den Verschleppungen standen. Bereits zu Weihnachten gab es Berichte, dass es ein Lebenszeichen gäbe, ein Video, welches die drei Kindern zeige. Kurz zuvor war der ehemalige Staatsekretär im Auswärtigen Amt, Jürgen Chrobog, in den Jemen gereist, offensichtlich auch, nachdem es bereits damals konkrete Hinweise gab, dass sich Verhandlungen lohnen. Chorbog, der mit der seiner Familie selbst einmal im Jemen 2005 für mehrere Tage verschleppt worden war, gilt als der deutsche Spezialist für Entführungsfälle in dem südarabischen Land. Das Grenzgebiet zwischen Saudi Arabien und Jemen, in dem die Deutschen offensichtlich gefangen gehalten worden waren, war noch bis vor wenigen Wochen Schauplatz eines Krieges zwischen aufständischen schiitischen Huthi Rebellen, die gegen die Zentralregierung im Jemen gekämpft hatten und später auch mit der saudischen Armee in Gefechte verwickelt wurden. Im Februar haben alle Seiten einen Waffenstillstand vereinbart, seither war es in der Region relativ ruhig und die regulären jemenitischen und saudischen Truppen können sich dort wieder ungehindert bewegen. Dies hat möglicherweise auch zur Freilassung der beiden deutschen Kinder geführt.
Die Region ist umkämpft
Laut dem Waffenstillstandsabkommen hatten sich die Rebellen verpflichtet, ihre Gefangenen freizulassen, saudisches Territorium zu räumen und das umkämpfte Gebiet im Norden des Jemen den Regierungstruppen zu übergeben. Die Region hatte in den vergangenen sechs Jahren immer wieder militärische Auseinandersetzungen zwischen den Rebellen und der Zentralregierung erlebt. Die waren im November, also fünf Monate nach der Entführung der Deutschen, eskaliert, als auch das benachbarte Saudi-Arabien begann, auf der Seite der jemenitischen Zentralregierung gegen die Rebellen zu kämpfen und diese ihre Operationen auf saudisches Territorium ausweiteten. Dabei wurden mindestens 130 saudische Soldaten getötet, fünf weitere wurden von den Rebellen gefangen genommen. Laut Angaben von Hilfsorganisationen flohen damals mindestens eine Viertel Million Menschen aus dem Kampfgebiet. Die Huthi-Rebellen warfen der Zentralregierung vor, das unzugängliche Gebiet im Norden vollkommen zu vernachlässigen. Sie klagten die Regierung an, sich zunehmend mit sunnitischen Islamisten zu verbünden, die die jemenitischen Schiiten als eine abtrünnige Sekte betrachten. Die Regierung in Sanaa sieht in der Rebellenbewegung dagegen eine Separatistenbewegung, die im Jemen ein schiitisches Imamat errichten will. Außerdem warf sie den Rebellen vor, vom Iran Unterstützung erhalten zu haben, ohne dies allerdings zu belegen. Der Krieg hat gezeigt, wie eng die schlecht ausgerüstete und ausgebildete jemenitische Armee und die weitaus bessere gerüsteten saudischen Sicherheitskräfte inzwischen in dem Grenzgebiet kooperieren. Die saudische Armee hatte zunächst die Rebellen von ihrer Seite der Grenze mit Artillerie unter Beschuss genommen, später operierte das saudische Militär auch auf jemenitischem Boden. Die Freilassung der deutschen Kinder ist ein weiterer Beweis für diese enge Zusammenarbeit.
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