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100 Tage Schwarz-GelbTiraden des bizarren Onkel Guido

In scheinbar ausweglosen Situationen - das hat Guido Westerwelle gelernt - hilft lautes Schreien. Der Parteichef verhält sich immer noch wie ein Oppositionspolitiker.

Immer eine Spur lauter. Bild: dpa

Verwandte können die Pest sein. Bizarre Onkel beispielsweise, die sich auf Familienfesten traditionell und unverständlich heftig über gewisse Politiker aufregen. Wenn man dann hört, der besagte Onkel sei endlich wieder in einer festen Beziehung, ist die Hoffnung groß, dass sein Krakeel nun ein Ende hat. Umso enttäuschender ist es, wenn man beim nächsten Familienfest erkennen muss, dass sich der Onkel kein bisschen geändert hat. So ungefähr verhält es sich derzeit mit Guido Westerwelle.

Noch am Donnerstagmittag hatte der Bundesaußenminister beim Treffen von deutschem und französischem Kabinett in Paris Nicolas Sarkozy anlächeln dürfen. Westerwelle, der Staatsmann. Am Abend desselben Tages war er bereits wieder in Berlin. Hier, auf einer FDP-Veranstaltung zu 100 Tagen Schwarz-Gelb, klang Westerwelle wieder wie der altbekannte, immer etwas zu laute Oppositionspolitiker. Nun gut, in gewisser Weise ist das verständlich.

Ob Gesundheitsreform, Erika Steinbach, Steuerdaten-CD oder Hoteliers-Spenden - stets ersetzen CDU und CSU der FDP lustvoll die Opposition. Obendrein wackelt die enorm wichtige schwarz-gelbe Regierungsmehrheit in Nordrhein-Westfalen, nur drei Monate vor der Landtagswahl. Und nun rutscht die FDP, einer Umfrage des ARD-Deutschlandtrends zufolge, gar auf 8 Prozent. In scheinbar ausweglosen Situationen - das hat Guido Westerwelle gelernt - hilft lautes Schreien. Das dämpft die eigene Furcht und beeindruckt vielleicht den Gegner. Und deshalb sahen die rund 400 Anwesenden in der Berliner FDP-Zentrale einen Guido Westerwelle, der wirkte, als sei er noch immer in der Opposition.

Voller Instant-Empörung zeigte der Parteichef seinen Mitstreitern, wie sie die Angriffe der politischen Konkurrenz parieren können. "Wir werden jetzt dafür kritisiert, dass wir umsetzen, was wir vor der Wahl versprochen haben." Das ist nicht weiter verwunderlich, wurde die FDP auch vor der Wahl für ihre Versprechen kritisiert. Unter Schwarz-Rot, schimpfte Westerwelle, seien Milliarden Euro ins Verschrotten von Autos gesteckt worden, die FDP hingegen stecke es in Bildung. Dass die Abwrack-Partei CDU das Bildungsressort verantwortet, erwähnte er nicht.

Erst kurz nach Redebeginn eilte Gesundheitsminister Philipp Rösler in die erste Zuhörerreihe. Gerade noch rechtzeitig, um eine Verteidigung durch seinen Parteichef anzuhören. Angesichts der Kritik an den FDP-Plänen für eine Kopfpauschale erklärte Westerwelle: "Was hat man eigentlich gedacht? Dass Philipp Rösler in den ersten hundert Tagen übers Wasser läuft?" Doch zielt die Kritik von Union und Opposition nicht darauf, dass der Minister sein Vorhaben nicht umzusetzen verstehe. Ihnen gefallen die radikalen Reformpläne an sich nicht.

Bezeichnenderweise erhält an diesem Abend der neue Generalsekretär Christian Lindner das dickste Lob vom Chef. Der 31-Jährige aus Wuppertal kann mindestens so schneidig wie Westerwelle damit drohen, wenn die FDP nicht regiere, dann schlittere Deutschland in eine "linke Republik". Klare Feindbilder mobilisieren in Krisenzeiten bekanntlich die Anhänger.

Und so scheint es unumgänglich, dass Westerwelle seinen Zuhörern bis zur NRW-Wahl mit seiner Angriffstaktik zusetzen wird. Am Freitagmorgen gab der FDP-Vorsitzende dem Deutschlandfunk ein Interview. Er schalt wieder die vor ihm regierenden Parteien, die "den Karren in dieser Republik" in den Dreck gezogen hätten. Da unterbrach ihn die Fragestellerin mit dem Hinweis: "Herr Westerwelle, Sie sind ja jetzt an der Regierung." Darauf Westerwelle: "Entschuldigen Sie bitte. Was sagten Sie?"

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20 Kommentare

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  • V
    VALLECAS

    Ist wirklich witzig, woher denn jetzt auf einmal die Kritik an der FDP kommt! Die waren doch die letzten 15 Jahre schon so! Außerdem ist es eben so, daß es eine komplett überflüssige und unfähgige Partei handelt! Kann mich noch gut daran erinnern, als man den Studenten undemokratischerweise verweigert hat, Mitglied zu werden! Schade, daß die jetzt nur noch Klientelpartei sind, vor 40 Jahren oder so, hatten sie noch Ihre Aufgabe in der Gesellschaft, aber jetzt sind sie nicht mehr als ein Pickel am Arsch!

  • W
    Wolf

    Klingt böse, aber anders kann man es nicht sagen:

    Die FDP ist wirklich (mit ihrem Verstand) im Arsch.

  • W
    wackeln

    stimme dem artikel sehr zu, v.a. dass die f.d.p. jetzt tatsächlich das macht, was sie vor der wahl versprochen hat (klientelpolitik, solidarprinzip steichen etc.), erstaunlich ist aber doch, dass offensichtlich fast die hälfte der fdp-wähler davon so erschocken ist, dass sie sie jetzt nicht mehr wählen würden. was haben die sich bloß gedacht?

  • N
    Noeske

    Guido, Du schaffst es - unter 5% zu kommen.

    Danke!

  • KA
    Klaus A.

    Gut geschrieben, aber die Familie und Familienfeste VON MATTHIAS LOHRE möchte ich auch nicht erleben.

  • VR
    Volker Rockel

    "FDP-Generalsekretär Christian Lindner sagte, er habe "Ungeduld und Veränderungswillen" in der Bevölkerung unterschätzt." (RP-Online v. 06.02.2010 „Führende Liberale räumen Fehler ihrer Partei ein, FDP müht sich um besseres Image“)

     

    Wer dieses Sicht auf die eigene Leistung pflegt, der hat scheinbar weder verstanden was politisches Amt oder Mandat bedeuten, noch hat er überhaupt begriffen, dass Politik eine "dienende" Funktion ist und mitnichten Selbstzweck!

     

    Und offensichtlich scheint er auch für sich und die FDP nicht in Anspruch zu nehmen Teil der Bevölkerung,- mithin Volksvertretung zu sein!?

     

     

    Als Bürger empfinde ich diese Aussage des Generalsekretärs der FDP sehr aufschlussreich!

     

     

    Grund genug den Damen und Herren in der FDP - die nach eigener Aussage (Quelle s.o.) "nicht sehr gut" auf die Regierungsverantwortung vorbereitet gewesen seien - nach Hause zu schicken und sich erst einmal selber darüber im Klaren zu werden was sie denn eigentlich wollen und in welcher Verpflichtung sie gegenüber den Bürgern in diesem Lande stehen!

     

     

    Denn eines kann dieses Land in der jetzigen Situation in der Bundesregierung nicht brauchen: Politische Lehrlinge und politische Low Performer!

     

    Als überzeugter Demokrat und Bürger dieses Landes rufe ich daher der FDP zu: "FDP go home!".

     

     

    Und Guido Westerwelle empfehle ich persönlich die letzte Zeile aus "Es ist vorbei" ("Die Ärzte") : "...und nichts in der Welt kann es je wieder gut machen können."

  • CN
    Che Nie

    Westerwelle ist wohl größenwahnsinnig geworden, wenn er glaubt aus den 14,6% Zweitstimmenanteil seiner Splitterpartei eine Richtlinienkompetenz für die Deutsche Politik ableiten zu können. Die aktuelle Kläfferei erinnern mich zunehmend an das von einem Zwergpinscher immitierte Machobellen des politischen Kampfhunds Schröder.

     

    Wenn die Kanzlerin nicht umgehend mal mit einem scharfen "geh bei Fuß" kräftig an der Leine reisst spielt der erste ehemalige FDP-Kanzlerkandidat (2002!) Westerwelle weiter öffentlichkeitswirksam erste Geige dieser Regierung.

  • B
    Bernd

    Onkel Guido schreit doch nicht, der keift nur ein bisschen ein.

  • M
    Maus

    hihi

     

    zu Guido traut sich keiner was zu schreiben, oder was?

     

    ...scheint gewirkt zu haben:

    gut gebrüllt Löwe.

     

     

    Leider, leider, dient das mehr ihm und der FDP als den Interessen und Nöten der Bevölkerung.

  • V
    vic

    Ich finde schon, die FDP hält sich geradezu im Wortlaut an ihre Wahlversprechen.

    Die Partei setzt genau das um, was von ihr zu erwarten war.

    Steuersenkungen (von "für alle" war nie die Rede), Klientelpolitik (vom Gegenteil war nie die Rede).

    Naja, und ein wenig Opposition kann nie schaden, man weiß ja nie. 2013 ist nah.

    Aber ach. Wenn die nur das einzige Problem wären...

  • V
    vic

    Was zu befürchten war:

    Der Mannn fordert tatsächlich eine europäische Armee.

    Natürlich, Herr des Äußersten. Nichts braucht die Welt dringender als mehr Soldaten und zusätzliche Armeen.

    Und von da bis zur eigenen Atombewaffnung ist es nicht mehr weit.

    "denn heute gehört uns Afghanistan, und morgen die ganze Welt"

    Er wird, so einfältig er auch ist, trotz allem allmählich gefährlich.

  • MM
    Marion Manneck

    Es stellt sich immer klarer heraus, dass die FDP nur nach Steuersenkungen rufen kann. Mehr ist offensichtlich nicht.

    Bildung ist bekanntlich Ländersache = Kleinsaaterei.

    So sieht das Bildungsniveau in Deutschland auch aus.

    Hinzu kommt, die Klientelpolitik von Schwarz/Gelb.

    Wer viel spendet bekommt auch viel.

  • A
    AlbertC.

    Es ist doch schön, zu sehen wie die F.D.P. in ihre eigene Unzulänglichkeiten verannte und Guido tapfer die Linien festhält. Sie werden sich noch zusammen raufen, Frau Merkel wird es nicht ohne weiteres zulassen dass die beiden kleinen sich gegenseitig abwatschen. Nur zur Erinnerung - wie war es in '99 nochmal?

  • RD
    Richard Detzer

    Igitt, ist das ein Reinfall.

  • B
    betasteter

    Das Motto stammt aus dem Buch und lautet:

  • V
    VandalenPower

    FDP kritisieren, FDP kritisieren, Guildo unter der Gürtellinie angreifen.

    Mehr fällt der taz nicht ein?

     

    noch dazu sind einige Fehler im Artikel:

    Es ist richtig, dass das Bildungsministerium in CDU Hand ist, aber letztendlich -wenn alles glatt läuft- setzt das Ministerium nur den gemeinsam beschlossen Koalitionsvertrag um. Dass sich in der Bildungsthematik einiges zum Positiven gewandelt hat, ist definitiv ein Verdienst der FDP.

    Die FDP macht bis jetzt eine sehr gute Arbeit. Ausgenommen Brüderle, von dem ich mir wünschte, dass er mehr über den Tellerrand blicken und neue Impulse setzen würde, die nicht immer zwingend Teil des Ordoliberalismus sein müssten. Dafür müsste er aber die Vertreter einiger Lobbyverbände aus seinem Umfeld verbannen.

  • M
    max

    in einem hat der liebe guido recht: die fdp macht, was sie vor der wahl versprochen hat. sie hat gewisse dinge nicht ganz so sehr an die große glocke gehängt und lieber die bürgerrechtskarte gespielt, die jetzt eher keinen große wichtigkeit mehr hat. aber gesat hat sie es.

    aber viele hatten wohl wirklich den eindruck, wenn man mal wieder die liberalen ranließe, dann würde das so etwas wie "frischen wind" bringen, weil die ja schon so lange nicht mehr am ruder waren. woher der frische wind weht, war offenbar nicht so wichtig. und dass das personal bis auf den unsäglichen herrn rösler bereits seit jahrzehnten bekannt und nicht mehr ganz frisch ist, das hätte man auch wissen können, wenn man sich darum gekümmert hätte. aber sich vor der wahlentscheidung wirklich zu kümmern fordert aktive demokraten und davon haben wir halt nicht so viele. da geht man doch lieber seinem bauchgefühl nach ...

  • O
    Otto

    "Der Parteichef verhält sich immer

    noch wie ein Oppositionspolitiker."

     

    Wenn jemand wie Onkel Guido ständig mit seinen falschen Verspechungen, seinen

    Alleingängen und seinem großkotzigen

    Auftreten nicht nur die politischen

    Gegner sondern auch Koalitionspartner

    und die eigenen Parteifreunde brüs-

    kiert, dann muss man das wohl Opposi-

    tion nennen. So verhalten sich sonst

    nur pubertierende Kinder, die gegen

    Papa und Mama aufbegehren.

    Gelegentlich auch gegen Onkel und Tante.

  • A
    Amos

    Es scheint zum Wachtumsbeschleunigungsgesetz (Unwort des Jahres) zu gehören,dass man Menschen immer mehr abnimmt. Das hier ist erst der Anfang dieser unfähigen

    Palaver-Bande. Außer Spitzfindigkeiten, scheint die FDP, besonders der Westerwelle ja nichts vorweisen zu können. Gott bewahre das Volk vor einem Weiterregieren

    dieses Dilettanten- Haufens.

  • C
    CATO

    FDP = Falsche Demokratische Puppenspieler.

    Wer braucht die eigentlich noch?