piwik no script img

1. FC Union hat zu kämpfenEin Fünkchen Hoffnung

Seit Wochen hat Union nicht mehr gewonnen. Nach dem 2:2 bei Holstein Kiel ist noch kein Aufschwung in Sicht. Eine Stippvisite im „Bistro Palme“ am S-Bahnhof Grünau.

Union und Kiel kurz vor dem Anpfiff am 23. Januar 2018 Foto: dpa

Das „Bistro Palme“ ist ein Unioner Umschlagplatz gegenüber dem S-Bahnhof Grünau, da es nur 90 Zentimeter von der Straßenbahnhaltestelle entfernt liegt, an der die ÖPNV-bewussten Umlandfans aus dem Süden zur Alten Försterei zuckeln. Das kleine Dönerhäuschen würde auch auf ein „BeBerlin“-Plakat der Stadtmarketingfritzen passen, weil es ein schönes Stück Möchtegernberlin ist.

Die Realität sieht nämlich so aus: viel Bistro, wenig Palme, besser gesagt gar keine. Gleich hinter der Bude beginnt der Mischwald. Und jetzt im Winter gibt’s nicht mal Sonne. Dafür drinnen Sky und einen Dönermann am Spieß, der ein Union-Cap trägt. Seit sieben Jahren sei er für Union, sagt der vermutlich aus einer Palmenregion stammende Ernährungsdienstleister am Montagabend. Was er denn für das Kiel-Spiel tippe? „Sieg. Isch tippe immer auf Sieg!“

Wenn der gute Mann mit seinen Tipps Geld verdienen müsste, um das Sky-Abo im Palmenhaus zu bezahlen, wäre hier wohl bald düster. Seit Wochen hat Union nicht mehr gewonnen. Auch beim Neujahrsempfang in Kiel nicht (2:2). Hat sich der abrupte Trainerwechsel von Keller zu Hofschneider nun endgültig nicht gelohnt? Kapiert hatte den ja ohnehin kaum einer, weshalb er kurz vor Weihnachten auch die schöne Union-Familienstimmung trübte.

Außerhalb der Familie begriff es schon gar keiner. Als ich neulich mit einem Freund aus Magdeburg telefonierte, erzählte der mir erst, dass sie beim 1. FC Magdeburg, der ja hoffentlich bald wieder mit Union in einer Liga spiele, nun auch das Weihnachtssingen kopiert hätten. Einige Ultras hätten das etwas doof gefunden, der große Rest aber toll. Dann donnerte er los: Also, was sich Union da geleistet hätte mit dem Trainerrausschmiss trotz Tabellenplatz vier, da brauche sich der Verein ja wohl nicht mehr aufzuspulen, von wegen anderer Klub, andere Kultur.

Gerüchte wabern

Dass Union eigentlich ein traditioneller Trainerrotations-Verein ist, siehe vor und nach Langzeitcoach Neuhaus, scheint allgemein in Vergessenheit geraten. Nur nebenbei. Aber klar, die Wechselnummer wirkte schon seltsam. Zumal nach Präsident Zinglers Andeutungen, er entlasse doch keinen Mitarbeiter, der sich nichts zuschulden kommen lassen habe, die Gerüchteküche dampfte. Da waberten so Gerüchte, von denen man sich sagt: oh, oh! Sodass die Unionsoberen noch mal fix nachschoben, es handelte sich um schwerwiegende rein sportliche Gründe.

Und die, das bewiesen dann ja ausgerechnet die folgenden beiden Heimniederlagen gegen Dresden und Ingolstadt, gibt es tatsächlich. Der Tabellenplatz hatte es nur vernebelt. „In einer Kette von Spielen hat sich eine stagnierende bis rückläufige sportliche Entwicklung gezeigt. Uns hat vor allem eine Alternative zum Pressing und Umschaltspiel gefehlt“, sagte Union-Geschäftsführer Lutz Munack dem Tagesspiegel.

Sportliche Stagnation, etliche zumindest zweifelhafte Trainerentscheidungen, wie auch die drohende Ausbootung des Union-Talents und Fanlieblings Steven Skrzybski, sowie ein möglicherweise viel größerer Aufstiegsdruck von oben als gedacht – das alles ergab bei genauer Betrachtung doch einen brisanten Mix.

Nach dem wichtigen Spiel vorgestern ist vor dem wichtigen Spiel morgen

Nun hat die Mannschaft in Kiel wieder nicht gewonnen, aber immerhin ein 0:2 aufgeholt. Fakt ist jedoch: Nach dem (Kiel-)Spiel ist vor dem (Nürnberg-)Spiel, oder um die alte Herberger-Floskel noch mehr zu konkretisieren: Nach dem wichtigen Spiel vorgestern ist vor dem wichtigen Spiel morgen.

Noch kann alles gut werden

Wenn das auch noch ohne Sieg endet, hat zwar der Bistro Palme-Prophet kein Problem, weil sich bei ihm der Spieß einfach weiterdreht, aber möglicherweise die Vereinsspitze. Den Aufstieg kann man dann wohl fast vergessen (was manche Unioner freilich nicht so übel fänden), und das hieße auf jeden Fall, dass einige wichtige Spieler den Verein verlassen würden.

Aber so weit ist es lange nicht, noch kann alles gut werden. Aber „ebenso können wir in eine Phase kommen, in der es sich lohnt, bereits für die nächste Saison etwas Wertvolles aufzubauen“, sagte Lutz Munack. Auch eine hübsche Umschreibung für die Scheißvision von einem letzten Saisondrittel, in dem es nur noch um die perfekte Vorbereitung der nächsten Zweitligasaison ginge.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!