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1-Euro-Jobs ersetzen reguläre StellenKein Sprungbrett in den Job

In Deutschland arbeiten zurzeit 263.000 1-Euro-Jobber. Kaum einer wird übernommen - dafür sparen die Firmen Personal.

Ein-Euro-Jobber säubern den Ostseestrand von Falkenstein in Kiel. Bild: dpa

BERLIN taz Wolfgang Clement lag etwas daneben. 600.000 1-Euro-Jobs würden für Arbeitslose neu geschaffen, erklärte der damalige Minister für Wirtschaft und Arbeit vor den Hartz-Reformen. Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) zeigt, dass die Regierung nicht mal die Hälfte schaffte: Im Juli 2008 arbeiteten rund 263.000 Arbeitslose in den sogenannten Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung. Viel mehr waren es nie - den Höchststand verzeichnet die Statistik mit 294.000 im November 2005, kurz nach Einführung der Hartz-Reformen.

Eigentlich sollten sie Arbeitslosen als Sprungbrett in sozialversicherungspflichtige Jobs dienen - doch diese Idee scheiterte. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung brachte im Jahr 2007 eine Studie heraus, die Forscher fragten dafür 4.000 Betriebe nach den Effekten der 1-Euro-Jobs. Das Ergebnis war traurig. Die Betriebe wollten gerade mal 2 Prozent der von ihnen als "geeignet" eingestuften 1-Euro-Jobber in eine feste Stelle übernehmen. Und: In Westdeutschland waren nach ihrer Einschätzung lediglich 29 Prozent überhaupt geeignet, im Osten 57 Prozent. Der Sprungbretteffekt existierte laut Studie quasi nicht. Dies ist laut BA jedoch nicht die Hauptaufgabe der Jobs: "Es geht darum, bei einer schwer vermittelbaren Gruppe überhaupt wieder Nähe zum Arbeitsmarkt zu schaffen", so BA-Sprecherin Frauke Wille.

Doch es gibt einen weiteres Problem: "1-Euro-Jobs verdrängen sozialversicherungspflichtige Beschäftigung", lautete ein zweites Fazit der Arbeitsmarktforscher. Denn jeder zweite Betrieb übertrug den Arbeitslosen auch reguläre Tätigkeiten. Die Helfer übernahmen etwa Krankheitsvertretungen, ersetzten reguläre Mitarbeiter, die in Ruhestand gingen oder die Überstunden abfeiern.

Das kritisierte auch der Bundesrechnungshof scharf. Bei zwei Dritteln der geprüften Maßnahmen war mindestens eine Fördervoraussetzung nicht erfüllt, meldete er Ende Juli. Die Prüfer forderten strengere Kontrollen. Laut Gesetz müssen die Arbeiten zusätzlich, im öffentlichen Interesse und wettbewerbsneutral sein - in der Praxis ist die Abgrenzung von regulären Jobs ein Dauerproblem.

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