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0:3 Niederlage von Herta BSCIn Demut siegen

Beim 3:0 von Eintracht Frankfurt in Berlin schießt Neuling Martin Fenin alle Tore. Die Liga hat einen neuen Helden. Die Berliner drücken sich vor Fragen.

Matin Fenin aus Tschechien (r): der dreifache Frankfurter Torschütze. Bild: dpa

BERLIN taz Es ist meist schwierig zu erklären, warum man das Tor nicht trifft. Und unangenehm dazu. So ließen sich die meisten Berliner Spieler nach der 0:3-Niederlage gegen Eintracht Frankfurt erst gar nicht auf Fragen ein. Sie eilten wortlos in ihre Kabine. Auch mit der umgekehrten Fragestellung kann man sich schwertun. So erging es jedenfalls Martin Fenin. In der Winterpause war der 20-jährige Tscheche zur Eintracht gewechselt und nun hatte er in seinem ersten Bundesligaspiel alle drei Frankfurter Treffer erzielt.

Natürlich wollten nach dem Schlusspfiff alle wissen, wie das nur möglich war. Fenin sagte: "Für mich ist das fantastisch." Erklären konnte er nichts. Stattdessen zuckte ratlos mit den Schultern. Die Bundesliga sei viel stärker als die tschechische, bestätigte Fenin den rätselnden Reportern. Der Unterschied sei groß. Wie groß, das wurde Fenin spätestens klar, als er erklären musste, wer von seiner Familie im Stadion gesessen habe und wie man denn den Namen seiner Oma buchstabiere. Die Bundesliga hatte einen neuen Helden. Und jedes Detail wurde mit Akribie ausgeleuchtet.

Frankfurts Trainer Friedhelm Funkel differenzierte gewohnt unaufgeregt: "Die drei Tore von Fenin haben mich überrascht, seine Leistung aber nicht." Der Stürmer ist ja auch nicht irgendein osteuropäischer Fußballer, der beinahe zu Energie Cottbus gewechselt wäre. Der italienische Altmeister Juventus Turin hatte bereits ein Auge auf ihn geworfen. Entsprechend viel, 3,5 Millionen Euro, musste die Eintracht bezahlen.

Aber Geld schien in der Winterpause weder für die Frankfurter noch für die Berliner eine große Rolle zu spielen. Mit knapp 8 Millionen Euro verstärkten beide Clubs jeweils ihren Kader. Im Duell der Transferriesen hatten die Hessen nach Spielende die deutlich besseren kaufmännischen Argumente auf ihrer Seite. Funkel dachte allerdings gar nicht daran, diesen Erfolg auszukosten. In hastig vorgetragenen Sätzen lobte er sein Team, das "in allen Belangen" gut gespielt habe, um dann zu seinem eigentlichen Anliegen zu kommen. Er warnte vor dem schweren nächsten Heimspiel gegen Bielefeld. Da war sie wieder, die neue Frankfurter Schule, die Funkel und Vorstandsvorsitzender Heribert Bruchhagen etabliert haben: Demut anstatt Euphorie.

Lucien Favre, der Berliner Trainer, hingegen muss zuweilen vor der Presse das vereinseigene Glaubensbekenntnis aufsagen: "Ich möchte mit Hertha Titel holen." Auch wenn er für diese Vision viel Zeit einfordert, würde man in Berlin gerne wenigstens den Hauch einer Ahnung davon verspüren. Die Neuverpflichtungen sollten eigentlich dafür sorgen. Beim Debüt von Raffael und Gojko Kacar machte sich aber nur schlechte Stimmung breit. Beide enttäuschten. Als der Stadionsprecher in der 63. Minute lautstark die Einwechslung des Neuzugangs "Bryan " ankündigte, verweigerte sich das Publikum dem Brauch, den Nachnamen "Arguez" zu brüllen. Die Lust auf die neue Hertha war den Fans schon vergällt. In ihren Träumen hatte ihr Brasilianer Raffael wie Fenin gespielt: lauf- und dribbelstark, stets da, wo es gefährlich werden könnte und nervenstark im Abschluss. In Wirklichkeit dribbelte Raffael allerhöchstens quer über den Platz, aufs Tor schoss er nie. Favre sieht sich nun in der Pflicht. "Ich muss jetzt selbst eine Lösung finden." Dass dafür angesichts des näher rückenden Tabellenendes nicht mehr allzu viel Zeit bleibt, verdeutlichte Manager Dieter Hoeneß: "Es geht nicht darum, dass sich die Mannschaft in ein paar Wochen findet. Ich hoffe, dass wir schon nächste Woche in Stuttgart besser auftreten."

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