+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Warten und provozieren
Merz sieht die Lieferung von Taurus-Systemen „im Bereich des Möglichen“. Moskau schlägt Verhandlungen vor, macht aber keine konkreten Vorschläge.

Kreml schlägt der Ukraine neue Verhandlung am Montag vor
Im Ringen um ein Ende des Ukraine-Kriegs schlägt Russland der Regierung in Kiew eine weitere direkte Gesprächsrunde über eine Waffenruhe an diesem Montag vor. Die Verhandlungen sollten wieder in Istanbul stattfinden, sagte Außenminister Sergej Lawrow nach Angaben der Staatsagentur Tass. Die russische Delegation sei bereit, dort dem ukrainischen Team ein Memorandum vorzustellen. Das Papier lege die russische Position zu „allen Aspekten einer zuverlässigen Überwindung der Grundursachen der Krise“ dar.
Die Ukraine pochte aber umgehend darauf, das Memorandum sofort zu bekommen. Andrij Sybiha, Außenminister des vor mehr als drei Jahren von Russland angegriffenen Landes, schrieb bei X, man erwarte, dass die russische Seite das nächste Treffen nicht scheitern lasse und „unverzüglich“ ihre Vorschläge vorlege, so wie zuvor vereinbart.
Der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerow teilte mit, er habe dem russischen Chefverhandler schon ein Dokument mit der ukrainischen Position übergeben. „Wir sind nicht gegen weitere Treffen mit den Russen und warten auf ihr ‚Memorandum‘, damit das Treffen nicht ins Leere läuft und uns der Beendigung des Krieges wirklich näher bringt“, schrieb er bei X. Umjerow warf Moskau weitere Verzögerungen vor und wiederholte die ukrainische Bereitschaft zu einer vollständigen und bedingungslosen Waffenruhe.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte mehr internationalen Druck auf Russland für ein Ende des Angriffskriegs. Er sehe bei Kremlchef Wladimir Putin noch keine Bereitschaft dazu, sagte Selenskyj bei „RTL Direkt“. „Wir haben nicht genug Druck.“ Führende Mächte setzten sich nicht genug ein. „Die USA sind dabei, aber nicht zu 100 Prozent. Andere Staaten wie China oder andere Staaten des Globalen Südens halten sich zurück.“
Putin klebe an seinem Sessel, sagte der Präsident. „Wir werden einen gerechten Frieden haben, aber wahrscheinlich erst nach Putin.“ Eine Zwischenlösung sei aber sofort möglich: „Der Frieden aber, der zuerst mit einer Waffenruhe beginnt und dann mit weiteren Schritten für dauerhaften Frieden, der kann morgen beginnen.“ (dpa)
Trump will sich vorerst nicht auf neue Sanktionen festlegen
US-Präsident Donald Trump zeigte sich mit Blick auf neue Sanktionen gegen Russland zögerlich – setzte Putin aber gleichzeitig ein Ultimatum. „Wir werden herausfinden, ob er uns an der Nase herumführt oder nicht – und wenn er es tut, werden wir ein wenig anders reagieren“, sagte Trump bei einem Auftritt vor der Presse im Weißen Haus auf Nachfrage.
Auf die Frage, was ihn davon abhalte, neue Sanktion gegen Russland zu verhängen, sagte der Republikaner: „Nur die Tatsache, dass ich, wenn ich glaube, dass ich kurz vor einem Deal stehe, das nicht vermasseln möchte.“ Trump sagte weiter, er sei „sehr enttäuscht über das, was in den vergangenen Nächten passiert“ sei. Menschen seien getötet worden, während gerade Verhandlungen stattgefunden hätten. „Ich bin sehr enttäuscht darüber. Sehr, sehr enttäuscht“, sagte Trump. (dpa)
Merz schließt Taurus-Lieferungen nicht aus
Deutschland sagte der Ukraine Unterstützung bei der Produktion weitreichender Raketen zu. Bundeskanzler Friedrich Merz sagte nach einem Treffen mit Selenskyj in Berlin: „Wir wollen weitreichende Waffen ermöglichen. Wir wollen auch gemeinsame Produktion ermöglichen.“ Eine konkrete Vereinbarung über die Rüstungskooperation trafen die Verteidigungsminister beider Länder, Boris Pistorius und Rustem Umjerow, während des Besuchs.
Die Ukraine benötigt die weitreichenden Waffen, um russische Flugplätze oder Nachschublinien weit hinter der Front angreifen zu können – auch auf russischem Territorium. Die Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper in die Ukraine wird mit der deutschen Produktionshilfe für ukrainische Waffen unwahrscheinlicher – vom Tisch ist sie aber nicht. Im ZDF-„heute journal“ schloss Merz die Lieferung nicht aus. „Natürlich ist das im Bereich des Möglichen“, antwortete er auf eine entsprechende Frage.
Der russische Außenminister Lawrow sagte, Deutschland lasse sich mit der Finanzierung der Produktion ukrainischer Raketen geradewegs in diesen Krieg hineinziehen. Der Kreml warf dem Bundeskanzler Kriegstreiberei vor. Merz provoziere mit seinen Äußerungen die Weiterführung des Kriegs, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. (dpa)
Wadephul hält gegen Vorwürfe aus Russland
Der deutsche Außenminister Johann Wadephul wies den Vorwurf scharf zurück. „Wenn es jemanden gibt, der über Kriegstreiberei nicht reden darf, dann ist es (Kremlsprecher Dmitri) Peskow, weil er und sein Regime nicht nur das verbal macht, sondern tatsächlich einen rechtswidrigen, völkerrechtswidrigen Krieg betreibt“, sagte der CDU-Politiker nach einem Gespräch mit seinem US-Kollegen Marco Rubio in Washington.
Außerdem warf er Putin vor, nicht bereit für ein Ende des Angriffskriegs zu sein. „Alle sind für Verhandlungen. Alle sind dafür, dass die beiden Parteien eine einvernehmliche Lösung finden. Aber im Moment ist Russland dazu nicht bereit (…)“, sagte der CDU-Politiker im Interview mit dem US-Sender Fox News auf Englisch. (dpa)
Drohnenangriffe: Opfer in der Ukraine, Schäden in Moskau
Gegenseitige nächtliche Drohnenangriffe haben in der Ukraine mindestens einen Toten und mehrere Verletzte gefordert und in Russlands Hauptstadt Moskau Schäden hervorgerufen. Beim Beschuss der Stadt Bilopilja in der grenznahen ukrainischen Region Sumy sei ein Zivilist getötet und eine Frau verletzt worden, teilte die Gebietsverwaltung mit. „Wohnhäuser wurden zerstört“, hieß es auf dem Telegramkanal der Behörde. Auch in anderen Gemeinden gab es demnach Schäden, unter anderem an Infrastrukturobjekten.
Bei Drohnenangriffen auf die ukrainische Industrieregion Dnipropetrowsk wurden nach Behördenangaben drei weitere Zivilisten verletzt. Auch hier gab es Zerstörungen an Wohnhäusern. Zudem seien 30 Solarpanels für die Energieversorgung beschädigt worden, teilte Gouverneur Serhij Lyssak mit.
Auf der Gegenseite meldete das russische Verteidigungsministerium den Abschuss von 48 ukrainischen Kampfdrohnen, davon 3 über dem Gebiet Moskau. Auf dem Flughafen Wnukowo musste der Verkehr zeitweise eingestellt werden.
Zudem sind nach Angaben von Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin Drohnentrümmer in ein Wohnhaus am Wernadski-Prospekt im Süden der Hauptstadt gestürzt. Videos zeigen Fassadenschäden an einem Neubaublock. In der Moskauer Vorstadt Odinzowo wurde zudem ein Fahrzeug durch herabfallende Trümmer beschädigt. Verletzte hat es in beiden Fällen demnach nicht gegeben. (dpa)
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