+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Russland will weiteres Dorf in der Region Donezk erobert haben
Saudi-Arabien dient sich als Verhandlungsort an, Polens Präsident Tusk drängt auf europäischen Sicherheitsplan, und Rheinmetall geht von einer weiteren Expansion seiner Produktion aus.
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Polens Regierungschef: „Wir haben keine Zeit zu verlieren“
Der polnische Regierungschef Donald Tusk hat Europa aufgefordert, einen eigenen Plan für die Ukraine und die Sicherheit des europäischen Kontinents auszuarbeiten. Wenn Europa nicht sofort damit beginne, würden „globale Mächte über unsere Zukunft bestimmen“, erklärte Tusk am Samstag im Onlinedienst X und fügte hinzu: „Wir haben keine Zeit zu verlieren.“
Zuvor hatte US-Verteidigungsminister Pete Hegseth bei einem Besuch in Polen gewarnt, die Anwesenheit von US-Truppen in Europa werde nicht „ewig währen“. Er rief Europa daher auf, in seine eigene Verteidigung zu investieren. (afp)
Selenskyi fordert europäische Staaten zu mehr Einigkeit auf
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die europäischen Staaten in einem eindringlichen Appell zu Einigkeit und Stärke gegenüber Russland, aber auch im Zusammenspiel mit der neuen US-Regierung aufgerufen. Konkret forderte er auf der Münchener Sicherheitskonferenz insbesondere gemeinsame europäische Streitkräfte. Für die Ukraine bekräftigte Selenskyj ungeachtet bremsender Aussagen von US-Präsident Donald Trump den Wunsch und die Forderung nach einer Nato-Mitgliedschaft: Er werde dies nicht vom Verhandlungstisch nehmen.
Europa müsse seine Zukunft selbst gestalten angesichts der russischen Bedrohung und des schwächer werdenden US-Engagements, sagte Selenskyj. „Europa braucht seine eigenen Streitkräfte.“ Diese sollten aber die Nato nicht ersetzen, fügte er gerichtet an seinen „guten Freund“ Nato-Generalsekretär Mark Rutte hinzu. Es gehe darum, den europäischen Sicherheitsbeitrag dem amerikanischen gleichzusetzen. Selenskyj fügte hinzu: „Wir brauchen Vertrauen in uns selbst, damit andere keine andere Wahl haben, als die Stärke Europas zu respektieren.“
Europa müsse zudem stark sein, weil nicht klar sei, ob die USA es nur als Absatzmarkt oder auch als Bündnispartner brauchten. „Präsident Trump mag keine schwachen Freunde. Er respektiert Stärke.“ Manche in Europa seien vielleicht frustriert mit der EU in Brüssel. „Aber lassen sie uns ganz deutlich sein: Wenn es nicht Brüssel ist, dann ist es Moskau“, warnte er. Selenskyj mahnte: „Europa braucht eine geeinte Stimme und nicht ein Dutzend unterschiedliche Stimmen.“ Und er warnte: „Moskau wird Europa auseinanderreißen, wenn wir als Europäer einander nicht vertrauen.“
Gleichwohl brauche es engstmögliche Beziehungen mit den Vereinigten Staaten – aber gemeinsam als Europäer, nicht nur als einzelne Nationen. Deshalb brauche es eine geeinte und koordinierte Außenpolitik.
Selenskyj betonte, US-Vizepräsident J.D. Vance habe am Vortag klargestellt, dass Jahrzehnte der alten Beziehung zwischen Europa und Amerika zu Ende gingen. „Von nun an werden die Dinge anders sein, und Europa muss sich darauf einstellen.“ US-Präsident Donald Trump wolle den Beitrag der USA zur Verteidigung Europas herunterschrauben.
Für mögliche Verhandlungen über eine Friedenslösung für die Ukraine forderte Selenskyj eine Beteiligung der europäischen Staaten, nicht nur Russlands und der USA. „Keine Entscheidungen über die Ukraine ohne die Ukraine, keine Entscheidungen über Europa ohne Europa“, mahnte er. „Sie müssen einen Platz am Verhandlungstisch haben, wenn Entscheidungen über Europa getroffen werden.“
Selenskyj warnte in München zudem vor militärischen Vorbereitungen Russlands auf mögliche weitere Konfrontationen. Die Ukraine habe nachrichtendienstliche Erkenntnisse, dass die Führung in Moskau noch in diesem Sommer Soldaten in das verbündete Belarus verlegen wolle, sagte Selenskyj. Er wies auch auf die weitere Aufrüstung der russischen Streitkräfte sowie die Rekrutierung zusätzlicher Soldaten hin.
Der Aufmarsch in Belarus werde als Militärübung deklariert werden. Aber so sei auch die Invasion der Ukraine vor drei Jahren vorbereitet worden. Unklar sei, wem ein solcher Truppenaufmarsch gelten könne. Er sehe keine Signale aus Moskau für einen Frieden.
„Belarus grenzt an drei Nato-Staaten. Es ist zu einem Standbein für russische Militäroperationen geworden“, sagte Selenskyj. Er nannte weitreichende russische Raketensysteme und eine Stationierung von Atomwaffen in dem Land. Selenskyj rief die westlichen Partner seines Landes auf, sich mit der Frage zu befassen, was vor einer nächsten möglichen Attacke zu tun sei. (dpa)
🐾 Einen taz-Korrespondentenbericht zur Münchner Sicherheitskonferenz lesen Sie mit einem Klick hier.
Russland will weiteres Dorf in der Region Donezk erobert haben
Die russische Armee hat nach eigenen Angaben ein weiteres Dorf in der ostukrainischen Region Donezk erobert. Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte am Samstag, die russischen Soldaten hätten die Ortschaft Beresiwka eingenommen. Das Dorf liegt in der Nähe einer Straße, die die Bergbaustadt Pokrowsk mit dem ebenfalls strategisch wichtigen Kostjantyniwka verbindet. Beide Städte befinden sich unter der Kontrolle der ukrainischen Armee.
Nach Angaben der Website „DeepState“, die der ukrainischen Armee nahesteht, hat die russische Armee bereits eine Kreuzung an der Fernstraße T0504 zwischen Pokrowsk und Kostjantyniwka erreicht. Der Vorstoß Moskaus an der wichtigen Verbindungsstraße zwingt die ukrainische Armee dazu, auf Nebenstrecken auszuweichen, was ihre Nachschubwege erheblich verlängert. Zudem werden Militärkonvois in der Region häufig von russischen Drohnen unter Beschuss genommen.
Die russische Armee rückt schon seit Monaten im Osten der Ukraine vor und eroberte dabei bereits eine ganze Reihe von Orten von der unter Personal- und Ausrüstungsmangel leidenden ukrainischen Armee. (afp)
Italien empört über russische Vorwürfe gegen Präsident Mattarella
In Italien haben Vorwürfe aus Moskau gegen Präsident Sergio Mattarella Empörung ausgelöst. Die rechte Regierungschefin Giorgia Meloni nannte Äußerungen der Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, eine „Beleidigung für die gesamte italienische Nation“. Auch andere Parteien stellten sich hinter das Staatsoberhaupt. Die Sprecherin hatte Mattaralla wegen eines Vergleichs Russlands mit Nazi-Deutschland „lästerliche Verleumdungen“ unterstellt.
Der ehemalige Verteidigungsminister ist seit mehr als zehn Jahren italienischer Präsident und genießt Anerkennung über die Parteigrenzen hinweg. Bereits Anfang Februar hatte der 83-Jährige in einer Rede an einer Universität Parallelen zwischen Russlands Aggression gegen die Ukraine und dem – so wörtlich – „Projekt des Dritten Reichs“ gezogen. Beide Male handele es sich um einen „Eroberungskrieg“.
Darauf reagierte die Sprecherin des russischen Außenministeriums nun mit den Worten. „Es ist seltsam und bizarr, solch lästerliche Verleumdungen vom Präsidenten Italiens zu hören, einem Land, das nicht nur vom Hörensagen weiß, was Faschismus wirklich ist.“ Sacharowa spielte damit auf Italiens Jahre unter dem Diktator und Hitler-Verbündeten Benito Mussolini (1883-1945) an.
Die Äußerungen der russischen Diplomatin wurden in Italien über alle Parteigrenzen hinweg zurückgewiesen. Die Vorwürfe spielten sogar beim Musikfestival in Sanremo eine Rolle, der derzeit in Italien jeden Abend für beste Einschaltquoten sorgt. Dort sagte der Oscar-prämierte Regisseur und Schauspieler Roberto Benigni („Das Leben ist schön“) unter großem Applaus: „Präsident, wir sind stolz darauf, von Ihnen vertreten zu werden, wegen Ihrer Würde und Menschlichkeit.“ (dpa)
Marineinspekteur: Durchtrennung von Seekabeln ist Provokation
Der Inspekteur der deutschen Marine, Vizeadmiral Jan Christian Kaack, sieht in den durchtrennten Telekommunikations- und Stromkabeln in der Ostsee gezielte Sabotageaktionen. „Das sind klare Provokationen, die immer die Gefahr bergen, eskalatorisch zu wirken“, sagte Kaack dem Spiegel nach Angaben vom Samstag. In den vergangenen Monaten hatten sich die Fälle beschädigter Unterseekabel in der Ostsee gemehrt.
„Schon die Häufung dieser Vorfälle spricht gegen Zufälle“, sagte Kaack dem Magazin weiter. Der ranghöchste Offizier der deutschen Marine betonte, dass die Erklärung eines versehentlich herabgelassenen Ankers, den viele Schiffsbesatzungen als Grund für die beschädigten Kabel nennen, unrealistisch sei. Man merke, wenn ein Anker über den Meeresboden schleift. Das klinge in etwa so, „als ob ein Kampfpanzer über den Marktplatz von Osnabrück fahren würde“.
Kaack ging in seiner Bewertung der Ereignisse nicht so weit, Russland als Hauptverdächtigen zu nennen. „Ich schaue vor allem darauf, wem die Aktionen nutzen“, sagte der Vizeadmiral. Klar sei für ihn, was das Ziel der beschädigten Unterwasserkabel sei: „Man testet uns, man will unsere Gesellschaft verunsichern.“
Die verstärkte Präsenz der Nato in der Region befürwortete Kaack. Das alleine habe eine abschreckende Wirkung. „Wer sieht, dass ein oder gar mehrere Kriegsschiffe auf ihn zukommen, wird von seiner Aktion möglicherweise eher absehen“, sagte Kaack.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 sind in der Ostsee bereits mehrfach wichtige Telekommunikations- und Stromkabel beschädigt worden. Die Nato hatte verstärkte Patrouillen angekündigt. Mit Kriegsschiffen, Aufklärungsflugzeugen, Satelliten und Drohnen will das Verteidigungsbündnis bei der Mission „Baltic Sentry“ das Seegebiet überwachen. (dpa)
33 russische Drohnen zerstört
Die Ukraine hat nach eigenen Angaben einen russischen Angriff mit 70 Drohnen in der Nacht vollständig abgewehrt. 33 Drohnen seien zerstört worden, teilt die ukrainische Luftwaffe mit. Weitere 37 Drohnen seien wohl durch die elektronische Luftabwehr abgefangen worden und vom Radar verschwunden. Sie hätten keinen Schaden angerichtet. (rtr)
Rheinmetall sieht sich weiter auf Wachstumskurs
Der Rüstungskonzern Rheinmetall wird seinem Chef Armin Papperger zufolge auch im Falle eines Waffenstillstands im Ukraine-Krieg auf Wachstumskurs bleiben. Hintergrund sind etwa die Forderungen von US-Präsident Donald Trump nach höheren Verteidigungsausgaben in Europa. „Ich glaube, für unser Unternehmen bedeutet das, dass wir noch mehr wachsen müssen als bisher gedacht“, sagte Papperger Reuters: „Trump hat deutlich gesagt, dass Europa erwachsen werden muss und sich die Vereinigten Staaten von Amerika nicht mehr um die europäische Sicherheit kümmern.“ In der Bundesrepublik hatte unter anderem Verteidigungsminister Boris Pistorius höhere Verteidigungsausgaben gefordert. Für die Bundeswehr stünden dann zusätzliche Milliarden-Investitionen an, betonte Papperger. Rheinmetall wolle auch mit Übernahmen wachsen, um die erwarteten Aufträge stemmen zu können.
Angesichts der geplanten Gespräche zwischen Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sagte der Manager, er sei sich sicher, dass Europa die Ukraine nicht aufgeben werde. Rheinmetall wolle dort seine Fertigungskapazitäten wie geplant ausbauen. Ab 2027 solle der Schützenpanzer Lynx in der Ukraine produziert werden.
Trump und US-Verteidigungsminister Pete Hegseth hatten die Europäer aufgefordert, ihre Rüstungsausgaben in die Höhe zu schrauben. Die USA würden sich stärker auf Asien ausrichten, Europa müsse die Lücke dann selbst schließen, hatte Hegseth gesagt: „Und das wird man nicht schaffen mit zwei oder zweieinhalb Prozent Verteidigungsausgaben.“ In Deutschland werde dann deutlich mehr in die Bundeswehr investiert, sagte Papperger: „Selbst wenn wir im ersten Schritt auf zweieinhalb Prozent und dann vielleicht später auf drei Prozent aufwachsen, bedeutet das für die deutsche Sicherheitsindustrie, dass wir jedes Jahr eine Größenordnung zwischen 60 und 70 Milliarden an Rüstungsausgaben für Bundeswehr abzuarbeiten haben.“ Rheinmetall sei dafür gerüstet. (rtr)
Andrej Kurkow: Trump wird kein Friedensabkommen erreichen
Der ukrainische Schriftsteller Andrej Kurkow bezweifelt, dass US-Präsident Donald Trump ein Friedensabkommen zwischen Russland und der Ukraine erreichen kann. Der „Frieden“, den Trump anstrebe, könne nur ein Waffenstillstand sein. Es werde aber kein Abkommen sein, das der Ukraine „Souveränitätsgarantien und unveränderliche Grenzen“ gebe, sagte Kurkow dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Die Wiederherstellung der Beziehungen zu Russland ist Trump wichtiger als Gerechtigkeit für die Ukraine.“
Dessen freundliche Worte über den russischen Präsidenten Wladimir Putin machten deutlich, dass er Russland eher als „verlorenen Markt“ für US-Unternehmen betrachte, denn als „aggressiven Staat, der versucht, seine Nachbarländer zu besetzen“, sagte der frühere ukrainische PEN-Präsident. Russische Streitkräften hatte die benachbarte Ukraine am 24. Februar 2022 angegriffen.
Unter ukrainischen Schriftstellern ist der Vorstoß des US-Präsidenten für Verhandlungen mit Russland laut Kurkow skeptisch aufgenommen worden. Dass die Ukraine keine Priorität mehr in der US-Politik habe, schaffe auch unter den Autoren eine „Atmosphäre der Verunsicherung“, sagte Kurkow. 2025 werde wohl ein entscheidendes Kriegsjahr, aber es herrsche „nicht viel Optimismus“ in der Ukraine.
Andrej Kurkow stand dem ukrainischen Schriftsteller-Verband von 2018 bis 2022 vor. In Deutschland wurde er mit Romanen wie „Graue Bienen“ (2019) und „Samson und Nadjeschda“ (2022) bekannt, beide bei Diogenes erschienen. Der 63-Jährige lebt in Kiew. Kurkow wurde in St. Petersburg geboren und schreibt in russischer Sprache. (epd)
Saudi-Arabien als Gastgeber für Friedensgespräche bereit
Saudi-Arabien hat sich bereit erklärt, Gastgeber für Friedensverhandlungen zur Beendigung des russischen Angriffskriegs in der Ukraine zu sein. „Das Königreich heißt die Ausrichtung des Gipfels in Saudi-Arabien willkommen und bekräftigt seine laufenden Bemühungen um einen dauerhaften Frieden zwischen Russland und der Ukraine“, heißt es in einem auf der Plattform X veröffentlichten Schreiben des Außenministeriums des Landes.
US-Präsident Donald Trump hatte am Mittwoch ein persönliches Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin in Aussicht gestellt und Saudi-Arabien als mögliches Gipfelland genannt, um dort über eine Lösung für ein Ende des Kriegs zu sprechen. Es gibt noch keine konkreten Angaben darüber, wie Verhandlungen aussehen würden und wann sie offiziell starten könnten.
Saudi-Arabien bemühte sich in dem Krieg bisher um eine möglichst neutrale Haltung. Das Königreich zählt die USA zu seinen wichtigsten Verbündeten, pflegt zugleich aber gute Beziehungen mit Russland. Saudi-Arabien hat sich auch mehrfach als Vermittler angeboten. Russland hatte erklärt, mit Saudi-Arabien eine sehr konstruktive Zusammenarbeit auf vielen Gebieten zu haben. Insofern passe Riad aus Sicht beider Länder. (dpa)
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