+++ Nachrichten im Nahost-Konflikt +++: Massive Angriffe von Siedlern im Westjordanland
Am Wochenende greifen extremistische jüdische Siedler mehrere Dörfer an. In Gaza halten derweil die Angriffe an, laut Zivilschutz starben dabei auch neun Kinder.

Israel tötet bei Luftangriff neun Kinder einer Ärztin
Bei einem israelischen Angriff im Süden des Gazastreifens sind palästinensischen Angaben zufolge neun Kinder eines Ärzteehepaares getötet worden. Der Zivilschutz habe „die Leichen von neun Kindermärtyrern“, aus dem Haus von Hamdi und Alaa a-Nayyar in der Stadt Chan Junis geborgen, erklärte der Sprecher der Behörde, Mahmud Bassal, am Samstag. Einige seien verkohlt gewesen.
Bei allen neun Toten handele es sich um Kinder des Paares. Der Vater Hamdi al-Nayyar sowie ein weiterer Sohn, Adam, seien bei dem Angriff am Freitag schwer verletzt und ins Nassar-Krankenhaus gebracht worden, hieß es weiter. Nach Angaben des Krankenhauses ist Adam zehn Jahre alt. Videos und Fotos in den Sozialen Medien sollen die in Tücher gehüllten Toten zeigen.
Dem von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministerium zufolge ereignete sich der Angriff kurz nachdem der Familienvater seine Frau in das Krankenhaus gefahren hatte, wo diese als Kinderärztin arbeitet. „Das ist die Realität, mit der unser medizinisches Personal im Gazastreifen konfrontiert ist“, erklärte der Direktor des Gesundheitsministeriums, Muneer Alboursch. „Worte reichen nicht aus, um den Schmerz zu beschreiben“, fügte er hinzu und warf Israel vor, „ganze Familien auszulöschen“.
Die israelische Armee erklärte, sie habe bei dem Angriff „mehrere Verdächtige getroffen“. Chan Junis sei eine „gefährliche Kriegszone“. Die Vorwürfe, dass bei dem Angriff „unbeteiligte Zivilisten“ getötet worden seien, werden geprüft, erklärte die Armee weiter.
Die Beerdigung der getöteten Kinder fand im Nasser-Krankenhaus statt, wie Aufnahmen der Nachrichtenagentur AFP zeigten. Bassal teilte AFP mit, dass bei den israelischen Angriffen im Gazastreifen am Samstag mindestens 15 Menschen getötet worden seien. (afp/taz)
Israelis erhalten Anrufe – zu hören sind Schreie der Geiseln
Zahlreiche Menschen in Israel haben nach übereinstimmenden Medienberichten in den vergangenen Stunden Anrufe erhalten, bei denen Aufnahmen von Schreien von Geiseln im Gazastreifen zu hören gewesen sein sollen. Neben den angeblichen Schreien der festgehaltenen Geiseln seien auch Explosionen und das Heulen von Sirenen zu hören gewesen, berichtete die Nachrichtenseite Ynet. Die Anrufe seien von unbekannten Nummern abgesetzt worden.
Das Forum der Geiselfamilien in Israel teilte mit, ebenfalls Berichte über jene Anrufe erhalten zu haben. Nach Angaben des Forums handelt es sich bei den abgespielten Aufnahmen um Aufzeichnungen aus Geiselvideos der Hamas, die die Terrororganisation zuletzt verbreitet hatte. Das Forum betonte in einer Mitteilung, die Anrufe seien nicht in seinem Auftrag getätigt worden.
Wie die Zeitung Haaretz berichtete, waren bei einigen Anrufen auch Stimmen zu hören, die zu einem raschen Geiseldeal aufriefen. Nach israelischen Angaben werden derzeit noch 20 Geiseln lebend im Gazastreifen festgehalten. Bei drei weiteren Entführten ist unklar, ob sie noch leben. Zudem befinden sich die sterblichen Überreste von 35 Verschleppten dort. Die Verhandlungen mit der Hamas über ein Abkommen zur Geiselfreilassung sind ins Stocken geraten.
Die israelische Cyberdirektion leitete einem Bericht des Fernsehsenders N12 zufolge eine Untersuchung wegen der von Israelis empfangenen Anrufe ein. „Die Cyberdirektion betont, dass es sich dabei um Versuche handelt, Panik in der Bevölkerung zu schüren“, zitierte N12 aus einer Mitteilung der Behörde. (dpa)
Siedler überfallen Dorf Brukin im Westjordanland
Im besetzten Westjordanland haben jüdische Siedler am Donnerstagabend ein palästinensisches Dorf überfallen. Die Bewohner von Brukin berichteten, eine große Gruppe Siedler sei in der Nacht aufgetaucht, habe Molotowcocktails geworfen und jeden verprügelt, der sich ihnen in den Weg stellte. Das israelische Militär teilte am Freitag mit, es habe am Donnerstag einen Hinweis erhalten, wonach israelische Zivilisten in der Gegend des Dorfes im nördlichen Teil des Westjordanlandes Eigentum mutwillig zerstört hätten.
„Ich sah, wie meine Fahrzeuge verbrannt wurden, und dann schlugen sie mir auf den Kopf, und mir ist immer noch schwindlig“, schilderte der Dorfbewohner Akram Sabra den Abend. Er habe sein Haus verlassen, um zu beobachten, wie Dutzende, vielleicht sogar Hunderte von Menschen, die Autos von ihm und seiner Familie verbrannten und einen Molotowcocktail auf das Haus seines Sohnes warfen.
In der Nähe von Brukin wurde in diesem Monat die schwangere Siedlerin Tzeela Gez getötet. Sie stammte aus der nahe dem Dorf gelegenen jüdischen Siedlung Bruchin. Seit dem Mord war das palästinensische Brukin Ziel einer Reihe von Angriffen. Zudem hat die Armee das Dorf und die Umgebung abgeriegelt, nach Angaben der humanitären Organisation der Vereinten Nationen (OCHA) sind mehr als 11.000 Palästinenser dort eingeschlossen. Diese Woche teilte das Militär mit, der Mörder von Gez sei getötet worden, er sei Mitglied der radikal-islamischen Hamas im Gazastreifen gewesen. Zudem seien weitere Verdächtige festgenommen worden.
Seit der Ermordung von Gez haben Palästinenser von mehreren Angriffen in der Gegend durch Siedler berichtet, die Autos angezündet, Steine und Brandsätze auf Häuser geworfen und Grundstücke von Palästinensern mit Bulldozern bearbeitet haben.
In der Woche bis zum 19. Mai wurden 28 Angriffe von Siedlern gemeldet, die zu Verletzungen oder Sachschäden führten. Insgesamt habe es im vergangenen Jahr 1.449 Angriffe gegeben, die höchste Zahl seit mehr als 20 Jahren. (rtr)
Siedler greifen Beduinen-Dörfer im Westjordanland an
Israelische Siedler haben im Westjordanland nach Angaben der palästinensischen Hilfsorganisation Roter Halbmond zwei Beduinendörfer angegriffen. Ein Angriff galt demnach einer Siedlung östlich von Ramallah, die nach vorangegangenen Attacken bereits von einem Teil der dort lebenden 25 Familien verlassen worden war. Nach Angaben des Roten Halbmonds wurden fünf der verbliebenen Einwohner bei dem Angriff verletzt.
Bei einem zweiten Angriff auf ein Dorf östlich von Bethlehem wurden der Hilfsorganisation zufolge sieben Menschen verletzt. Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa meldete, die Siedler hätten versucht, die Häuser der Beduinen in Brand zu setzen. Außerdem hätten sie einen Teil der Ziegen und Schafen getötet, die die Lebensgrundlage von Beduinen sind. Die israelische Armee äußerte sich zunächst nicht zu den Berichten. (dpa)
Israelische Einsätze in Ramallah und Nablus
In der Nacht zum Sonntag und am Morgen hat das israelische Militär nach Angaben lokaler Medien mehrere Einsätze im Westjordanland durchgeführt, unter anderem in der Altstadt von Nablus und in dem seit 1949 bestehenden Flüchtlingscamp Jalazone in Ramallah, de-facto-Hauptstadt der palästinensischen Autonomiegebiete. Auch südlich von Bethlehem gab es einen Einsatz, dabei sollen nach Angaben von AlJazeera zwei Sechzehnjährige festgenommen worden sein. Bei dem Raid in Nablus wurde nach Angaben der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa ein ebenfalls Sechzehnjähriger angeschossen. (taz)
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