■ Die Spendenaffäre der CDU in Hessen macht Neuwahlen nötig: Aufklärung ist nicht genug
Was tun, wie reagieren auf die Spendenaffäre der CDU? Mit jeder neuen Enthüllung wächst die Ratlosigkeit. Es gilt als Allgemeingut, dass die Demokratie Schaden nimmt. Doch die Resignation ist nicht unausweichlich. Nach den Enthüllungen über 30 Millionen Mark Schwarzgelder bei der hessischen CDU wartet jetzt Hans Eichel mit einer radikalen Idee auf: Die Landtagswahl in Hessen soll wiederholt werden. Dass dem Finanzminister und abgewählten hessischen Ministerpräsidenten der Gedanke gefällt, liegt nahe. Für ihn als Verlierer der Wahl gegen den CDU-Mann Roland Koch bedeuten Neuwahlen eine späte Genugtuung, auch wenn er selbst kaum antreten würde. Ob sich für Neuwahlen eine juristische Klausel finden lässt, mögen die Juristen entscheiden. Politisch gesehen handelt es sich um einen vorzüglichen Vorschlag – den Aufbruch aus der Apathie.
Die größte Gefahr, die aus der Spendenaffäre resultiert, ist die Resignation der Öffentlichkeit. Politiker von SPD wie CDU beschwören gleichermaßen die Bürger, doch, bitte schön, ihr Vertrauen in die Politik nicht zu verlieren. Die bisher diskutierten Sanktionen gegen die Gesetzesbrecher im Staatsgewande sind jedoch nicht geeignet, den Glauben an die Selbstreinigungskräfte der Parteien zu befördern.
Im schlimmsten Fall droht der CDU die Verpflichtung zur Rückerstattung bisher erhaltener Staatsmittel. Bundestagspräsident Thierse von der SPD hat aber als oberster Richter in der Angelegenheit schon erkennen lassen, dass die Zahlungen nicht allzu drakonisch ausfallen werden. Die Staatsräson gebiete angeblich, die CDU vor den finanziellen Konsequenzen ihres Tuns zu bewahren, wenn ihr sonst der Bankrott drohe. Wie schon bei der Flick-Affäre zeichnet sich also ab, dass die politische Kaste gedenkt, Anklage, Urteil und Rehabilitation der Sünder aus den eigenen Reihen unter sich auszumachen. Was Wunder, wenn viele Bürger sich auf die Rolle der Zuschauer in einem Possenspiel beschränkt fühlen, das längst keinen mehr belustigt?
Neuwahlen in Hessen hätten darum einen heilsamen Effekt weit über das Bundesland hinaus. Angesichts der Betrügereien der CDU in Bund und Ländern wären sie ein Beispiel für eine zügige, gerechte und angemessene Reaktion. Findet die Politik nicht bald eine überzeugende Antwort auf die Spendenaffäre, wird der Zorn über die CDU in Frust über die Politik umschlagen. Ob die CDU allerdings überhaupt Staatsmittel zurückerstattet, wird erst nach Jahren juristischer Auseinandersetzungen feststehen. Neuwahlen durch die Auflösung des Landtags könnten noch vor der Sommerpause stattfinden. Die Politik würde damit unmittelbar auf die öffentliche Empörung reagieren.
Neuwahlen sind gerecht. Bisher glaubte die Partei, mit der Beteuerung ihres Willens zur Aufklärung sei der Gerechtigkeit Genüge getan. Doch Aufklärung ist nicht genug. Die Betrügereien der CDU übersteigen das bisher Dagewesene. Die Konsequenzen müssen daher die CDU an dem einen Punkt treffen, der eine Partei mehr schmerzt als am Geldbeutel: Sie wird womöglich verpflichtet, sich von der gerade erst errungenen Macht und den neubesetzten Posten wieder zu trennen.
Neuwahlen sind angemessen. Die CDU argumentiert, ihr Etat für den vergangenen Wahlkampf sei nicht besonders hoch ausgefallen. Das ist ein Argument der Cleverle-Klasse: Wir hatten zwar Schwarzgeld, haben’s aber nicht benutzt. Tatsächlich hat die CDU ihren Wahlsieg 1999 unter Vorspiegelung der falschen Tatsache errungen, sie sei ein ehrenwerter Verein. Nun, da Roland Koch selbst von „Täuschung“ spricht, ist es nur angemessen, die Wähler im Lichte der Wahrheit ihre Entscheidung neu treffen zu lassen.
Noch scheitert Eichels Vorschlag an der CDU-Fraktion im hessischen Landtag. Sie lehnt die Auflösung des Parlaments ab. Wenn die Spitze der Bundes-CDU um Wolfgang Schäuble es mit der Reue ernst meint, sollte sie ihre hessischen Gefährten drängen, Neuwahlen zuzustimmen.
Wie die Wahl ausfiele, ist übrigens alles andere als sicher. Die CSU hat sich jahrelang Amigo-Affären geleistet. Auf die Wahlergebnisse hat sich das nie ausgewirkt. Patrik Schwarz
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