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+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++Viele Tote bei russischen Luftangriffen auf Kyjiw

Mit Luftangriffen hat Russland die ukrainische Hauptstadt schwer getroffen, Präsident Selenskyj fordert neue Sanktionen. In den USA laufen Gespräche.

Feuerwehrleute löschen am Donnerstag ein brennendes Wohnhaus nach einem russischen Angriff in Kyjiw Foto: Efrem Lukatsky/AP/dpa

EU-Ratspräsident: Gebäude von EU-Vertretung in Kyjiw bei russischem Angriff beschädigt

Bei dem massiven nächtlichen russischen Luftangriff auf die Ukraine ist nach Angaben von EU-Ratspräsident António Costa auch das Gebäude der EU-Vertretung in Kyjiw beschädigt worden. „Meine Gedanken sind bei den ukrainischen Opfern und auch bei den Mitarbeitern der EU-Vertretung, deren Gebäude bei diesem vorsätzlichen russischen Angriff beschädigt wurde“, schrieb Costa am Donnerstag im Onlinedienst X. Er fügte seinem Post ein Bild von dem beschädigten Gebäude bei. (afp)

Mindestens acht Tote nach russischen Angriffen

Die Zahl der Toten in Kyjiw durch russische Drohnen- und Raketenangriffe ist nach ukrainischen Angaben auf mindestens acht gestiegen. Unter den Todesopfern seien zwei Kinder, teilte der ukrainische Innenminister Ihor Klymenko mit. Bei einem der Kinder handelte es sich Angaben von Tymur Tkatschenko, dem Chef der Kyjiwer Militärverwaltung, um ein 14-jähriges Mädchen. 45 Menschen wurden nach Behördenangaben verletzt.

Ein fünfstöckiges Wohngebäude im Bezirk Darnyzja wurde den Angaben zufolge direkt getroffen. Nach einem Einschlag im Zentrum Kyjiws war eine Hauptstraße mit zersplittertem Glas übersät. „Alles ist zerstört“, sagte Tkatschenko. Die russische Armee habe Drohnen, ballistische Raketen und Täuschungsdrohnen eingesetzt.

Die Angriffe trafen mindestens 20 Orte in sieben Bezirken in der ukrainischen Hauptstadt, wie die Behörden mitteilten. Rettungsteams suchten vor Ort nach Menschen, die unter den Trümmern begraben lagen. Der Angriff am Donnerstag ist der erste größere russische Drohnen- und Raketenangriff auf Kyjiw seit dem Treffen von US-Präsident Donald Trump und Russlands Präsident Wladimir Putin Anfang dieses Monats in Alaska, bei dem über ein Ende des dreijährigen Kriegs in der Ukraine beraten wurde.

Obwohl die diplomatischen Bemühungen zur Beendigung des Krieges kurz nach dem Treffen an Fahrt zu gewinnen schienen, sind bisher nur wenige Details zu den nächsten Schritten bekannt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hofft auf schärfere US-Sanktionen zur Schwächung der russischen Wirtschaft, falls Putin kein ernsthaftes Interesse an einem Kriegsende zeigt.

„Russland hat sich für Ballistik statt dem Verhandlungstisch entschieden“, schrieb Selenskyj nach den Angriffen in einem Post auf der Online-Plattform X. „Wir erwarten eine Antwort von jedem in der Welt, der Frieden gefordert hat, nun aber häufiger schweigt, anstatt prinzipientreue Positionen einzunehmen.“ (ap)

Selenskyj fordert von China Druck auf Russland

Russland nutze es aus, dass ein Teil der Welt sich blind stelle, wenn Kinder getötet würden, meinte der Präsident. Mit Blick auf die am Sonntag beginnende mehrtägige China-Reise von Kremlchef Wladimir Putin forderte Selenskyj Peking zu einer Reaktion auf die russischen Angriffe auf. China habe wiederholt dazu aufgerufen, den Krieg nicht auszuweiten und die Kampfhandlungen einzustellen. Er verlangte auch von Ungarn und anderen Staaten, ihr Schweigen zu brechen.

Es sei Zeit für neue Sanktionen gegen Russland, das alle Fristen verstreichen lasse und Dutzende diplomatische Initiativen ruiniert habe, sagte Selenskyj. Moskau müsse für jeden Schlag zur Verantwortung gezogen werden, forderte er.

„Heute Nacht wird Kyjiw vom russischen Terrorstaat massiv angegriffen“, schrieb Kyjiw Militärgouverneur Tymur Tkatschenko auf Telegram. Auf Videos und Fotos, die Behörden veröffentlichten, waren schwere Verwüstungen in einem teils eingestürzten Wohnhaus und ausgebrannte Autos zu sehen. Es gab Berichte über zahlreiche Schäden und mehrere Brände. (dpa)

Ukraine schickt Unterhändler in die USA

Selenskyj schickte indes seine Chefunterhändler zu Gesprächen über Sicherheitsgarantien für sein von Russland angegriffenes Land in die USA. Präsidialamtschef Andrij Jermak und Ex-Verteidigungsminister Rustem Umjerow sollen am Freitag in New York mit Vertretern der Regierung von US-Präsident Donald Trump sprechen, wie er in Kyjiw ankündigte. Seitens der Amerikaner bestätigte Trumps Unterhändler Steve Witkoff das Treffen.

„Alle, die an den Sicherheitsgarantien arbeiten – an den militärischen, politischen und wirtschaftlichen Komponenten der Sicherheitsgarantien –, werden einbezogen“, sagte Selenskyj in einer abendlichen Videoansprache. „Die Russen müssen sehen, wie ernst es der Welt ist und wie schlimm die Folgen für Russland sein werden, wenn der Krieg weitergeht.“ (dpa)

Gespräche über Sicherheitsgarantien

Bei den Sicherheitsgarantien geht es darum, die Ukraine nach einem Ende des Krieges vor einem Wiederaufflammen russischer Aggression zu schützen. Die USA planen sich zu beteiligen, die militärische Hauptlast soll aber bei den Europäern liegen. Russland lehnt Truppen aus Nato-Ländern in der Ukraine bislang strikt ab.

Nach Angaben Selenskyjs sollen außerdem mögliche Orte für ein Treffen mit Kremlchef Putin erkundet werden. Dabei waren die ukrainischen Vertreter am Dienstag zu Besuch im Golfstaat Katar, am Mittwoch in Saudi-Arabien. Für Donnerstag sind Gespräche in der Schweiz geplant. Putin will indes erst dann mit einem Vertreter der Ukraine sprechen, wenn es eine fertig ausgehandelte Lösung für ein Ende des Krieges gibt. (dpa)

Außenminister Wadephul: Neue Sanktionen gegen Moskau

Auch der deutsche Außenminister Johann Wadephul sieht Moskaus angebliche Verhandlungsbereitschaft skeptisch. „Ich habe allergrößte Zweifel, dass es in absehbarer Zeit überhaupt zu Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine kommt“, sagte er dem Nachrichtenmagazin „Focus“. Putin bewege sich trotz Trumps Bemühungen überhaupt nicht. „Ich rate dringend, den Druck auf Russland aufrechtzuerhalten. Es ist doch wahrscheinlicher, dass es in der nächsten Zeit neue Sanktionen gegen Russland gibt, als dass Putin in Verhandlungen in eine Waffenruhe einlenkt“, sagte Wadephul.

Russland führt seit mehr als dreieinhalb Jahren einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Am Abend und in der Nacht kam es zu neuen Attacken aus der Luft mit Kampfdrohnen und Raketen – nicht nur in Kyjiw. Explosionen wurden auch aus den Städten Sumy im Norden sowie Dnipro und Saporischschja im Süden gemeldet.

Laut ukrainischen Angaben wurden Bewohner fast aller Landesteile in Schutzräume beordert, auch fernab der Frontlinie. Demnach schickten die Angreifer mehrere Wellen von Kampfdrohnen los und feuerten auch Hyperschallraketen sowie Marschflugkörper ab. Mehrere Kampfjets der russischen Luftwaffe seien im Einsatz. (dpa)

Luftalarm auch in Russland

Gleichzeitig gab es in Russland im Gebiet Lipezk zeitweise Luftalarm wegen anfliegender ukrainischer Drohnen, wie Behörden mitteilten. Das russische Militär meldete den Abschuss von mehr als 100 ukrainischen Drohnen über den Gebieten Rostow, Belgorod, Smolensk und über der Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Mehrere Flughäfen mussten den Betrieb sicherheitshalber einschränken.

Die Ukraine führt in ihrem Abwehrkampf gegen die russische Invasion immer wieder Schläge gegen die Öl- und Gasindustrie in Russland. Durch Drohnentreffer auf russische Raffinerien hat Russland nach Medienberichten 17 Prozent der Kapazität zur Ölverarbeitung verloren. In vielen Regionen herrscht Treibstoffmangel. Die Benzinpreise sind massiv gestiegen. (dpa)

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