Nur aus Liebe : Lass heiraten!
Aron denkt über die Ehe nach. Aber weiß er überhaupt, worauf er sich damit einlässt?
Von Aron Boks
taz FUTURZWEI, 18.08.22 | Eigentlich war es ein perfekter Moment. Elena und ich kamen gerade von einer Party zurück in meine Wohnung, wir hörten Backstreet Boys-Hits in meiner Küche und dann kam eins zum anderen: Aus dem Nichts heraus tanzte sie die Choreografie zu „I Want It That Way“, perfekt wie im Musikvideo auf YouTube, und ich wollte sie plötzlich fragen, ob sie mich heiraten will. Ernsthaft.
Mir ist das mit ihr schon zwei Mal passiert. Beide Male bekam ich die Antwort „Nein, haha!“ und die Frage, ob das ein Spaß gewesen sei.
Aron Boks und Ruth Fuentes schreiben die taz FUTURZWEI-Kolumne „Stimme meiner Generation“.
Boks, 27, wurde 1997 in Wernigerode geboren und lebt als Slam Poet und Schriftsteller in Berlin.
Fuentes, 29, wurde 1995 in Kaiserslautern geboren und war bis Januar 2023 taz Panter Volontärin.
„Klar!“, hatte ich gesagt und auch gelacht.
Ein drittes Mal innerhalb von sechs Monaten zu fragen wäre dann auch wirklich nicht mehr lustig. Zumal diese Situation nur für ein „Ja“ ausgelegt war. So auch beim ersten Mal, als ich auf ihrem Gepäckträger mit ihr durch die Dresdner Nacht fuhr, oder beim zweiten Mal auf der Tanzfläche bei einem Techno-Rave in Berlin. Immer erschien diese Frage in solchen Momenten so dringlich, verflog doch wieder und ließ keinen Gedanken zurück, was für Konsequenzen eine Heirat überhaupt mit sich bringen würde.
Als wären meine ohnehin romantischen Gefühle im Partymodus, zudem auf Ecstasy und dem situationstypischen Bedürfnis ausgesetzt gewesen, irgendetwas schreien zu müssen. So wie Menschen in solchen Situationen. Nur riefen diese Gefühle nicht: „Es ist mega geil hier!” sondern „Lass heiraten!”, bevor sie dann einfach weiter durch mein Nervensystem tanzten.
Aber was hat es damit auf sich?
Lieben wie die Eltern
Als ich ein paar Freunde fragte, was sie vom Heiraten halten würden, bekam ich Nachrichten, die sich mit den Worten „Ich hab ja nichts dagegen, aber …“ oder „Wenn man das für sich richtig findet, dann …“ ankündigten und zu Gesprächen über rechtliche und versicherungstechnische Vorteile wurden, als ginge es darum, sich in Berlin einen Kleinwagen anzuschaffen. Und immer war es auch eine „schwierige Frage“.
Die Älteren aus meinem Bekanntenkreis, die vor und in den 70er Jahren geboren sind, hatten es einfacher. Die fanden Heiraten prinzipiell scheiße, weil ihre Eltern geheiratet haben. Den Gegenentwurf zum Leben der Eltern zu leben war damals ein gängiges Konzept. Funktioniert heute aber an vielen Stellen nicht mehr so richtig. Gleichzeitig will ich nicht so werden wie meine Eltern – wer will das schon? Aber eine kleine vorhandene Ähnlichkeit kann ich nicht leugnen. Dafür gibt es zu viele Beweisfotos. Die zeigen, dass mein Vater in meinem Alter zum Beispiel so wie ich auch einen Schnurrbart, gemusterte Pullover und Zigaretten super fand – und geheiratet hatte.
„Also, ich hatte mir das im Gegensatz zu dir schon sehr reiflich überlegt“, sagt er, als ich ihm am Telefon von meiner Lage erzähle. „Aber eigentlich war es dann doch unerklärlich, dieser Impuls. Das war wie mit unserem Wunsch, dich zu bekommen, der war da und kam eigentlich zum ungünstigsten Zeitpunkt. Ich war schließlich erst am Ende meines Studiums und wirtschaftlich noch nicht abgesichert …“
„Moment, also war ich …”
„Aron, nein”, unterbricht er mich. „Ich habe dir das schon so oft gesagt. Du warst alles andere als ungeplant. Ich will nur sagen, dass es nicht immer klare Erklärung für solche Bedürfnisse gibt …“
„Aber warum heiraten?“
„Weil das für mich der absolute Liebesbeweis war!“
Tell me why!
Wieso muss ausgerechnet mein Vater das sagen, was ich denke? Gerade in Liebesdingen hat das immer so einen seltsamen Beigeschmack. Aber auf mein Freundespersonal kann ich bei dieser Frage echt nicht setzen.
„Weißt du, in was man sich da rein begibt?“, schreibt Kai. Auch ihm habe ich vom Heiraten erzählt. Er ist Teil der Menschen in meiner Generation, die Heiraten noch immer aus Prinzip ablehnen und trotz der Ehe für Alle als Relikt eines staatlich diktierten, heteronormativen, patriarchalen Gesellschaftszwangs sehen. Als ich ihm klar mache, alles zu tun, um kein heteronormativer Patriarch zu werden und versuche, das Gespräch stattdessen auf meine Vorstellung einer riesigen Hochzeitsparty umzuleiten, geht es weiter im Skeptikertext. Warum das alles sein müsste, warum es dafür denn unbedingt eine Hochzeit bräuchte.
„Warum würdest du das tun wollen?“, schreibt er.
Ich habe echt keine Lust mehr auf die lahmen Diskussionen darüber, ob man sich seine Liebe wirklich „durch ein Stück Papier“ beweisen muss. Natürlich muss man das nicht. Vielleicht sollte ich einfach akzeptieren, dass ich ein hoffnungsloser Romantiker bin, der schon seit seinem siebten Lebensjahr Liebessongs schreibt und bei Filmen wie „Zwei an einem Tag“ weinen muss.
Der Reiz zu heiraten äußerte sich für mich lediglich situativ durch Momente, die sowieso schon großartig waren: mit Elena auf dem Fahrrad, auf dem Techno-Floor oder in meiner Küche, als wir gemeinsam mit den Backstreet Boys „Tell me why!“ riefen. Ich weiß nicht warum, aber im romantischen Überschwang will ich diese Momente in Geschenkpapier wickeln, in einem riesigen Fest feiern, sie all meinen Freunden zeigen und schließlich Elena damit danken.
Mal abgesehen davon, dass sie schon zwei Mal ganz klar „Nein“ gesagt hat, habe ich mir jedoch nie wirklich überlegt, wie das dann genau werden soll – meine „Ehe“. Ob man monogam lebt, ob man die Beziehung irgendwann öffnet; wie eine gemeinsame Zukunft und die damit verbundene gegenseitige Verantwortung aussehen soll. Kurz: Heiraten wäre derzeit wirklich ein bisschen überstürzt. Aber es geht hier längst nicht mehr allein um die tatsächliche Frage, sondern um etwas anderes.
Warum würde ich das tun wollen?
„Weil ich die Liebe feiern will!“, schreibe ich Kai und schalte mein Handy aus.
Eine bessere Antwort habe ich nicht. Aber ich finde, es gibt schlechtere Gründe.
Die Kolumne „Stimme meiner Generation“ wird von der taz Panter Stiftung gefördert.