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„Wir sagen nicht, alle können bleiben“

Die GAL will eine ganz andere Schulentwicklungsplanung: Weniger Oberstufen und trotzdem mehr Abiturienten, kurze Wege für Grundschüler und Stadtteilschulen statt Selektion. Schulexpertin und Fraktionschefin Christa Goetsch im taz-Interview

Interview: Kaija Kutter

taz: Die GAL hat im April als erste Partei eine Schulstandortplanung gefordert. Nun nutzt das die CDU und sagt, die Grünen säßen mit im Boot der Schulschließer. War der damalige Vorstoß ein Fehler?

Christa Goetsch: Nein. Und im Boot der CDU sitzen wird schon gar nicht. Wir wollten eine regionale Planung mit den Eltern und Schulleitern vor Ort.

Es bleibt haften, dass die GAL dafür war.

Natürlich sind wir für eine Schulentwicklungsplanung – ohne sie geht es nicht. Aber dieses Verfahren ist zu kurzfristig und ohne Stadtteilbeteiligung. Wir haben uns deshalb bei der Abstimmung zu dem Verfahren in der Bürgerschaft enthalten.

Die CDU sagt, vor zehn Jahren habe man mit 20.000 Schülern mehr gerechnet, deshalb hätten wir heute 40 Schulen zu viel. Ist das auch Ihre Zahl?

Das ist eine technokratische Herangehensweise, die wir nicht teilen. Wir sagen, dass es schon zu Schulschließungen kommen kann, aber nicht so! Die picken sich jetzt einzelne Schulen heraus, wo keiner versteht, warum wir? Wir sagen, es muss kurze Wege für Grundschüler geben. Und die 86 Oberstufen an Gymnasien und Gesamtschulen müssen auf 50 konzentriert werden, damit es leistungsstarke Standorte mit einem breiten Kursangebot gibt. Das, was die CDU jetzt vorschlägt, die Rückkehr zum festen Klassenverband in der Oberstufe, um kleine Standorte zu halten, ist der falsche Weg.

Heißt das, die Schüler der Gymnasien Tonndorf, Barmbek und St. Georg in Horn, die um ihre Schulen kämpfen, haben nicht Ihre Solidarität?

Ich möchte nicht allen versprechen, dass alles so bleibt wie es ist. So klein, wie diese Gymnasien sind, können sie keine eigenen Oberstufen bilden und müssen sich mit anderen Oberstufen zusammentun.

Die Jungliberalen werfen Ihnen Bildungsabbau vor. Die GAL wolle wohl nicht, dass viele Schüler Abitur machen.

Das ist Quatsch. Wir wollen mehr Abiturienten und weniger Schüler ohne Abschluss. Und wir wollen nach unserem Motto „9 macht klug“ die Stadtteilschule, in der die Kinder von Klasse 1 bis 9 zusammenbleiben. Zwei von drei Haupt- und Realschulen sind zu klein, um zwei Klassen zu bilden. Die Schulen Telemannstraße und Altonaer Straße zum Beispiel könnten gut zur Stadtteilschule zusammenwachsen. Und es müssten die Förder- und Sprachheilschulen schrittweise integriert werden.

Ist das nicht illusorisch? Wir haben eine CDU-Regierung.

Es ist nicht unsere Aufgabe, für die CDU Politik zu machen. Wir sagen, was unser Leitbild ist.

Dass es besser ist, wenn alle Schüler zusammen lernen, ist zwar Erkenntnis aus Pisa, muss aber vielen erklärt werden.

Richtig. Das braucht Zeit.

Akut wird dies im Januar, wenn wieder die Aufteilung der Viertklässler auf das gegliederte Schulsystem ansteht. Was empfehlen Sie Eltern?

Sie sollten eine Schule aussuchen, in der Kinder eine individuelle Förderung erfahren und nicht das Aussortieren im Zentrum steht. Das tun auch viele Eltern schon und entscheiden sich deshalb für Gesamtschulen.

Sie werfen der Bildungssenatorin vor, sie habe kein Leitbild. Dabei hat sie eines. Sie will die Hauptschule mit Praxiselementen stärken.

Wieso schließt sie dann die Schule Hermannstal, die eben dies verwirklicht? Die Senatorin hat, wenn überhaupt, ein technokratisches und verstaubtes Leitbild. Aber es ist kein roter Faden da.

Wie wird die Schließungsdebatte ausgehen?

Ich fürchte, die Eltern und Kinder werden die Verlierer sein.

Könnte die Senatorin die Sache einfach lassen?

Ja. Denn sie schafft es nicht mal, nennenswert finanziellen Spielraum zu gewinnen.

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