: Gang durch sterbende Stadt
Der Gespenstigkeit des öffentlichen Raumes gewidmet – Radiogruppe LIGNA mit akkustischem Rundgang
Einsam liegt die Lloyd-Passage im Dunkeln. Der Konsum ist zum Erliegen gekommen. Kein Advents-Geleier, keine Menschenmassen, keine Weihnachts-Super-Sonderangebote. Seltsam verwaist die Verkaufstempel auf beiden Seiten. Leise verhallen die Schritte der letzten Nachtschwärmer. Müde winkt die Weihnachtsmann-Puppe aus dem Schaufenster hinterher. Sinnentleert und skurril wirkt die Konsum-Wüstenei.
Im Rahmen der Reihe „HörZU: Zeichen & Wunder“ laden das Junge Theater Bremen und die freie Radiogruppe LIGNA zur Intervention des nächtlichen öffentlichen Raumes auf Bremer Straßen ein – mit einem reaktiven Hörstück. Während des „Ganges durch eine sterbende Stadt“ dient das Radio der Erforschung des Verhältnisses zwischen gespenstisch kontrolliertem und imaginärem öffentlichem Raum, der sich ständig neu definiert. Verdeckte Videoüberwachung, Demonstrationsverbote und Hausordnungen in Innenstadtbereichen führen den Begriff „öffentlicher Raum“ ad absurdum. Unangenehme Begleiterscheinungen werden verdrängt, Unliebsames per Hausverbot oder Platzverweis entfernt. Stellt sich die Frage, wie unter solchen Bedingungen eine politische Öffentlichkeit aussehen kann.
Eine Antwort versucht die freie Radiogruppe LIGNA aus Hamburg zu finden: Die Initiatoren Ole Frahm, Torsten Michaelsen und Michael Hüners arbeiten beim Freien Sender Kombinat Hamburg und organisierten im Hauptbahnhof ein „Radioballett“ – als „Übung im nichtbestimmungsgemäßen Verweilen“. Per Radio aufgerufen, agierten die Teilnehmer, verteilten sich auf Bahnsteigen und Wandelhalle – tanzten, rauchten, setzten sich auf den Boden. Eine zerstreute Öffentlichkeit mit dem Ziel der individuellen Zurückgewinnung des öffentlichen Raumes – belohnt mit dem Alternativen Medienpreis 2003.
Ähnliches wird sich heute Abend in der Bremer Innenstadt zutragen. Um 20.30 Uhr treffen sich die Teilnehmer zum akustischen Stadtrundgang in der Villa Ichon. Radios können auch vor Ort ausgeliehen werden. Ab 21.00 Uhr wird die Aktion über den Offenen Kanal auf UKW 92,5 Mhz ausgestrahlt. Dirk Strobel