: FC St. Pauli Fans schämen sich
SPONSORING Für Furore sorgt das neue offizielle Kaltgetränk des FC St. Pauli, „Kalte Muschi“. Fans zwingen Marketingabteilung, sich vom neuen Partner zu distanzieren
VON JOSEPH VARSCHEN
„Gut gekühlt ist Kalte Muschi das ideale Sommergetränk“, sagt Tim Koch. Er ist einer der vier in Essen lebenden „Erfinder“ des Rotwein-Cola Mischgetränks. „Wir haben da eine Marktlücke gesehen und sind jetzt die ersten, die es in Flaschen abfüllen“, sagt Koch.
Besonders stolz sind die Rotweinpanscher auf den Totenkopf der auf den Flaschenhälsen der „Kalten Muschis“ prangt. Sie sind nämlich das erste „offizielle Kaltgetränk des FC St. Pauli“. „Mit der Marke St. Pauli auf unserem Produkt ergeben sich eindeutige Vorteile für uns“, erklärt Gastwirt Koch. Doch der Vereinsführung wird langsam klar, dass der Sponsoringvertrag nicht so ganz im Sinne des Clubs und seiner Fans sein kann.
Gestern sollte das Getränk im Ballsaal des Zweitligisten zusammen mit Spielern und anderen Vereinsvertretern verköstigt werden. Doch nachdem im Spiel gegen Mainz erstmals ein großes Werbebanner für „Kalte Muschis“ prangte und die Marketingabteilung die erste Pressemitteilung veröffentlichte, kam es zu heftigen Protesten von den Pauli-Fans. „Kann doch nicht sein, dass wir uns an jeden Werbeyuppie einfach so verkaufen“, sagt Frank Wegemann, St. Pauli-Fan mit Dauerkarte. „Kalte Muschi, Stammgetränk der Kiezkicker – mal ehrlich, das ist doch peinlich hoch zehn!“, wettert er. „Ich würde gern mal wissen, wer solchen Schwachsinn abnickt!“
Inzwischen bemüht man sich beim Club um Schadensbegrenzung im Sinne der Fans. Zunächst durfte die gestrige Präsentation nicht wie geplant im Ballsaal des Stadions stattfinden. Die Veranstalter mussten ihr Getränk ein paar hundert Meter entfernt in der Sternstraße präsentieren. Dass es sich bei den Getränke-Erfindern um offizielle Partner des Fußballclubs handelte, war dann nur noch von den Flaschenetiketten abzulesen. Von den angekündigten Spielern und Vereinsmitgliedern erschien niemand.
Zum Umdenken hat auch der massive Protest über das Internet geführt. Vierzehn Seiten umfasst die Debatte um das Erfrischungsgetränk im St. Pauli Fanforum. „Ich weiß nicht was peinlicher ist: der Name, oder dass sich der Verein für so etwas hergibt“, fragt sich dort User PietPauli, der in etwa den Tenor der Internetdebatte widerspiegelt. Auch Stefan Roßkopf, Betreiber der Fanhomepage Kiezkicker.de kann die Entscheidung des Vereinsmarketings nicht verstehen. „Das ist mal wieder typisch St. Pauli-Marketing“, sagt Roßkopf süffisant, „ich bin jedes Mal überrascht wie da an den Fans vorbeientschieden wird.“
Zwar wird im Stadion auf dem Heiligengeistfeld bereits seit Jahren der „St. Pauli Lümmel“ verkauft. Doch wenn der ordentliche St. Pauli Fan seinen Durst in Zukunft mit einer „Kalten Muschi“ stillen soll, gehe das zu weit. „Das gibt es eh nicht lange. Ein dunkelrotes Getränk, wo vorne groß Muschi draufsteht, ist doch zum Kotzen“, urteilt ein Fan vor der Verköstigung. „Dass der Verein mit seinem Image peinlich herrumhantiert ist ja nichts neues, aber ‚Kalte Muschi‘ ist einfach nur sexistischer Scheiß“, sagt eine Frau von der Fan-Gruppierung St. Pauli Ultrà.
Vom Heiligengeistfeld heißt es, dass Präsidium und Aufsichtsrat darüber beratschlagen, wie der Fan-Kontakt verbessert werden kann. Die Fangemeinde soll in Zukunft besser informiert werden, um PR-Debakel zu vermeiden. Klingt irgendwie alles wie vor einem Jahr, als der Verein die neue Stadionwährung „Millerntaler“ einführen wollte – und nach Fanprotesten zurückkrebsen musste.
Der Vertrag mit den Vermarktern der „Kalten Muschi“ läuft noch bis zum Ende der übernächsten Saison. So lange werden sich Spieler und Fans mit Rotwein mit Cola erfrischen – zumindest offiziell.