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Archiv-Artikel

Erst schön, wenn der Schmerz nachlässt

Auch der Abstiegskampf hat seine netten Seiten. Mit neuer Lockerheit und dem brasilianischen Fast-Forward Edu wahrt der VfL Bochum gegen Hannover 96 seine Chancen auf den Verbleib in der ersten Fußballbundesliga

BOCHUM taz ■ Eine Generation, die die schmerzensreichen Stunts von MTV-‚Jackass‘ nachstellt, kann auch dem Abstiegskampf etwas abgewinnen. Wie ein Skater, der sich erst freut, wenn der Schmerz nachlässt, wirft sich Eduardo „Edu“ Goncalvez in die Bundesliga-Endspiele. Bochums Brasilianer spielt den „Fast Forward“, wie in der Halfpipe schraubt er sich in Kopfbälle, stellt sich Verteidigern brachial in den Weg und ist dabei erfinderisch. Sollte Bochum nach sieben Punkten aus drei Spielen die Liga halten, werden sie Edus Tricks taufen: Beim „Deadend“ läuft der 23Jährige nicht zum Ball, sondern tut das Gegenteil, um mit einer Richtungsänderung doch vorbei zu kommen. Würde der einstige Hartplatzkicker über so viel Übersicht wie Talent verfügen, und hätte Bochums Trainer Peter Neururer Edu nicht für einen Verteidiger gehalten, als der er schicksalhaft im Uefa-Pokal patzte, den 23.000 wäre eine Halbzeit erspart geblieben, aus der nur zwei Besonderheiten heraus ragten.

Gegen Hannover 96 bot die Stadionregie erstmals kein Kleinstkind als Maskottchen auf, das ein ferngesteuertes „Sechs zu Null“ ins Mikrophon plärrt, sondern eine 13-jährige Schülerin, die mit einem kühlen 2:0-Tipp allen Mut machte, nur nicht den Bochumer Spielern in einer passiven ersten Halbzeit. Und so blieb der Rasensprenger in der Pause der nächste Höhepunkt – trotz Schafskälte soll der Platz stumpf gewesen sein, was sich auch über das Angriffsspiel beider Teams sagen ließ.

Nur Hannovers Trainer Ewald Lienen fand schöne Worte zur ersten Hälfte, wollte drei „tausendprozentige“ Chancen gesehen haben, aus denen er gnädig nur „ein, zwei Tore“ forderte. Dass seine Spieler überhaupt zum Schuss kamen, war indes überraschend. Sie spielten mit Minimalaufwand, selten bemühten sich mehr als zwei Spieler um Torgefahr. Dass es fast zum Auswärtstreffer gereicht hätte, zeigt wie unorganisiert Bochums Verteidiger zu Werke gingen.

Martin Meichelbeck sollte die Abwehr stellen, zürnte lieber mit dem Linienrichter und fand erst nach der Pause ins Spiel. Da hatte Neururer Filip Tapalovic ins defensive Mittelfeld gestellt, Marcel Maltritz wurde Innenverteidiger, was seinen Stärken zu Gute kam – sie liegen eher im Kopf als in den Füßen. Sein Kopfball brachte in der 53. Minute die Führung. Wie bereits in Gladbach war Glück dabei: Steven Cherundolo verlängerte ins eigene Tor und hatte auch den Freistoß verursacht. Atomkraftgegner Lienen sprach vom „Super-GAU“.

Maltritz war es „Wurscht“, wer das Tor erzielt hat. Druckreif demonstrierte der Defensive nachher lächelnde Lockerheit im Abstiegskampf, da seien die Nerven entscheidend: „Und unsere sind ganz gut“. Die neue Leichtigkeit in der Abstiegszone vor der Fahrt nach Lautern gefiel auch Neururer. Er hat nur eine Sorge: „Jetzt sind wir locker, aber plötzlich ist die Saison vorbei.“ CHRISTOPH SCHURIAN