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Terroranschlag am Bondi BeachAttacke auf jüdisches Leben

Amokläufer erschießen mindestens zwölf Menschen während des jüdischen Chanukka-Fests. Premierminister Albanese spricht von antisemitischem Terror.

Nach dem Anschlag: Die Polizei sperrt einen Bereich am Bondi Beach ab, Sydney, 14. 12. 2025 Foto: Mark Baker/ap

Aus Canberra

Urs Wälterlin

Amokläufer haben am weltbekannten Bondi Beach in Sydney am Sonntagabend mindestens zwölf Menschen erschossen. Einer der mutmaßlichen Täter ist offenbar von der Polizei getötet worden, ein weiterer soll schwer verletzt sein. Ob ein dritter Täter beteiligt gewesen sein könnte, war zunächst unklar. Laut Polizei gab es mindestens 30 Verletzte, darunter zwei Polizisten. Der Polizeipräsident des australischen Bundesstaats New South Wales, Mal Lanyon, deutete an, dass sich die Zahl der Toten noch ändern könnte. Verletzte träfen noch immer in Krankenhäusern ein, sagte er. Zur Zeit der Tat fand in einem Park das jüdische Chanukka-Fest statt. Der Regierungschef von New South Wales, Chris Minns, sprach von einem Anschlag auf die jüdische Gemeinde.

Augenzeugenberichten zufolge schossen zwei schwarz gekleidete Männer im nördlichen Teil von Bondi Beach in Richtung eines Parks, in dem jüdische Bewohner das jährlich stattfindende „Chanukah by the Sea-Fest“ feierten. Sally Jackson vom Fernsehsender ABC befand sich am Strand, als sie Schüsse hörte und Menschen in ihrer Badekleidung wegrennen sah. Fliehende hätten bei nahe gelegenen Häusern an die Türen geklopft und um Schutz gebeten, sagte die Reporterin: „Es waren jüdische Frauen und Kinder, die unglaublich verzweifelt und verängstigt waren.“ Australiens Premierminister Anthony Albanese sprach am Abend in der Hauptstadt Canberra von antisemitischem Terrorismus: Der Anschlag sei „ein Akt des Bösen, des Antisemitismus, des Terrorismus“.

Augenzeuge Marley Carroll berichtete gegenüber ABC News: „Zuerst dachte ich: Oh, das ist nichts, worüber man sich Sorgen machen muss, weil man einfach nicht glauben würde, dass so etwas in Sydney passiert. Und dann sahen wir plötzlich eine Menschenmenge aus North Bondi auf uns zulaufen“, sagte Carroll. „Ich erinnere mich, dass eine Gruppe Mädchen an uns vorbeirannte und rief: ‚Er schießt auf Menschen, er schießt auf Menschen.‘“

Bondi Beach ist der bekannteste Strand Australiens und ein Magnet für Touristen. Da jüdische Menschen Ziel der Attentäter waren, kam in den Medien rasch die Spekulation auf, bei den Amokläufern handle es sich entweder um Muslime oder Neonazis. Wenige Stunden nach der Tat stürmten Sondereinheiten das Haus eines der mutmaßlichen Täter im Südwesten von Sydney. Zur Identität der Schützen äußerte sich die Polizei zunächst nicht. Ein Passant soll einen der Männer während der Schießerei von hinten überwältigt und ihm die Waffe entrissen haben. New South Wales’ Regierungschef Minns bezeichnete ihn als „wahren Helden“.

Ich erinnere mich, dass eine Gruppe Mädchen an uns vorbeirannte und rief: ‚Er schießt auf Menschen, er schießt auf Menschen.‘

Marley Carroll, Augenzeuge

Das islamische Konzil in Australien zeigte sich in einer Pressemitteilung schockiert. „Diese Gewalttaten und Verbrechen haben in unserer Gesellschaft keinen Platz. Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden und mit der ganzen Härte des Gesetzes bestraft werden“, heißt es in der Erklärung. „Unsere Herzen, Gedanken und Gebete sind bei den Opfern, ihren Familien und allen, die Zeugen dieses zutiefst traumatisierenden Angriffs waren oder davon betroffen sind.“

Im Laufe des Abends schienen die Einsatzkräfte die Situation unter Kontrolle zu haben. Für Aufregung sorgte zwischendurch die Nachricht über einen Bombenfund: Die Polizei hatte im Auto eines Verdächtigen einen Sprengsatz gefunden.

„Globale Intifada“

Israels Präsident Jitzchak Herzog verurteilte das Attentat am Bondi Beach als „einen äußerst grausamen Angriff auf Juden“, die beim Entzünden der ersten Chanukka-Kerze zusammengekommen waren. Australien hat seit Beginn von Israels Krieg im Gazastreifen im Oktober 2023 eine Reihe antisemitischer Angriffe auf Synagogen, Gebäude und Autos erlebt. Der israelische Außenminister Gideon Saar sieht einen Zusammenhang: „Dies sind die Ergebnisse der antisemitischen Ausschreitungen in den Straßen Australiens der letzten zwei Jahre, mit den antisemitischen und aufhetzenden Aufrufen zur ‚Globalisierung der Intifada‘, die heute Realität geworden sind.“

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) kündigte an, zum Ende des Chanukka-Fests am Mittwoch eine Kerze vor dem Brandenburger Tor entzünden zu wollen: „An Antisemitismus dürfen wir uns nie gewöhnen, ihn nie unter uns dulden – nie dürfen wir schweigen, wenn jüdisches Leben bedroht ist.“ (mit ap, kna, reuters)

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